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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 16.12.2008
Aktenzeichen: VI ZR 48/08
Rechtsgebiete: BinSchLV, BinSchG 1994, BGB, ZPO


Vorschriften:

BinSchLV § 4 Abs. 1 S. 2
BinSchG 1994 § 32
BGB § 252
ZPO § 287 Abs. 1
Der Anspruch des bei einer Havarie geschädigten Schiffseigners auf Ersatz des durch die erzwungene Stilllegung seines Schiffes verursachten Nutzungsausfallschadens muss nicht zwingend anhand der Liegegeldsätze des § 4 BinSchLV berechnet werden. Es ist nicht rechtsfehlerhaft, wenn der Tatrichter auf die Liegegeldsätze nach § 32 BinSchG 1994 zurückgreift und diese entsprechend der Preisentwicklung indexiert.
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

auf die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 2008

durch

die Vizepräsidentin Dr. Müller,

die Richterin Diederichsen und

die Richter Pauge, Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln als Rheinschifffahrtsobergericht vom 22. Januar 2008 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger, ein Schiffseigner, hat gegen die Beklagten als Schiffsführer und Eigner eines anderen Schiffs unstreitig einen Anspruch auf Ersatz des ihm bei einer Havarie auf dem Rhein am 18. November 2004 entstandenen Schadens.

Er berechnet Nutzungsausfall für 19 Tage und 17 Stunden anhand der gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 der Lade- und Löschzeitenverordnung vom 23. November 1999 (BinSchLV) geltenden Liegegeldsätze für sein Motorschiff mit 1921 t Tragkraft zu einem Stundensatz von 83,42 EUR beziehungsweise Tagessatz von 2.002,08 EUR, insgesamt 39.457,66 EUR.

Die Beklagten legen demgegenüber einen Tagessatz von 843,63 EUR zugrunde, den sie als "Liegegeld, Stand 1994" bezeichnen. Sie zahlten vorgerichtlich Nutzungsausfall für 19 Tage in Höhe von insgesamt 16.029,97 EUR.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat dem Kläger auf die Klage den restlichen Nutzungsausfall in Höhe von 23.428,69 EUR zuerkannt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Rheinschifffahrtsobergericht der Klägerin 1.935,15 EUR zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des Urteils des Rheinschifffahrtsgerichts.

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in der Zeitschrift für Binnenschifffahrt 2008, 66 ff. veröffentlicht ist, hat den Nutzungsausfallschaden anhand eines Tagessatzes in Höhe von 921,20 EUR berechnet. Es ist dabei von einem dem Liegegeld nach § 32 Binnenschifffahrtsgesetz, gültig vom 4. Mai 1994 bis zum 30. Juni 1998 (BinSchG 1994), entsprechenden Betrag in Höhe von 792,50 EUR (1.400 DM + 150 DM) ausgegangen und hat diesen ausgehend von einem Verbraucherpreisindex Mai 1994 (92,3 %) und November 2004 (107,3 %) des Statistischen Bundesamtes indexiert.

Es hat ausgeführt, bei der Schätzung des Nutzungsausfallschadens nach § 252 BGB, § 287 ZPO seien die Werte des derzeit geltenden Liegegelds gemäß § 4 BinSchLV nicht heranzuziehen, weil sie nicht mehr dem für den Normalfall geschätzten Interesse des Schiffseigners an der Benutzbarkeit seines Schiffes entsprächen. § 4 BinSchLV habe gegenüber den in § 32 BinSchG 1994 gesetzlich bestimmten Liegegeldern eine Verdoppelung mit sich gebracht, der keine zwischenzeitliche Marktentwicklung entsprochen habe. Dagegen seien die bis 1994 durch die Frachtenausschüsse gemäß der §§ 21, 27, 28 Binnenschiffsverkehrsgesetz (BinSchVG a.F.) beschlossenen und nach § 29 BinSchVG a.F. im Wege der Verordnung festgesetzten Liegegelder als marktgerecht anerkannt gewesen, so dass auf sie zurückgegriffen werden könne. Die dortigen Beträge seien aber wegen des Zeitablaufs entsprechend dem Verbraucherpreisindex hochzurechnen. Eine Umrechnung des Liegegeldes nach § 4 BinSchLV auf eine regelmäßige 14-stündige Nutzung entsprechend der Basisbetriebsform A 1 gemäß § 23.05 Rheinschifffahrtsuntersuchungsordnung (RheinSchUO) komme nicht in Betracht. Denn neben den grundsätzlichen Bedenken gegen dieses Liegegeld bestünden auch Unterschiede zwischen der in der RheinSchUO und § 114 Binnenschifffahrtsuntersuchungsordnung (BinSchUO) vorgesehenen Einsatzzeit, ohne dass Auswirkungen auf die Einfahrergebnisse erkennbar wären.

Die Revision hat keinen Erfolg.

Das Berufungsgericht hat den von dem Beklagten Ziffer 1 (Schiffseigner) aus § 823 BGB, §§ 3, 92, 92 b BinSchG und dem Beklagten Ziffer 2 (Schiffsführer) aus § 823 BGB unstreitig gesamtschuldnerisch dem klagenden Schiffseigner geschuldeten Nutzungsausfallschaden ohne Rechtsfehler nach § 252 BGB, § 287 ZPO geschätzt. Die dagegen von der Revision vorgetragenen Argumente überzeugen nicht.

1.

Der Kläger verlangt den Ersatz seines Nutzungsausfallschadens in Form des Gewinnentgangs, nicht Entschädigung für zeitweise entzogene Gebrauchsvorteile, wie sie etwa bei der Beschädigung von Personenkraftwagen in Betracht kommt (vgl. GSZ BGHZ 98, 212 ff.). Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass im Bereich der Binnenschifffahrt der konkrete Nutzungsausfallschaden danach berechnet werden kann, welchen Ausfall der Eigner eines Schiffes bei der erzwungenen Außerbetriebsetzung eines Schiffes gleicher Art und Größe zur Unfallzeit normalerweise erleidet (vgl. auch BGH, Urteile vom 21. Januar 1965 - II ZR 49/63 - VersR 1965, 351, 353 f.; vom 8. Februar 1965 - II ZR 161/63 - VersR 1965, 373, 374). Dies ist auch der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts.

Grundsätzliche rechtliche Bedenken bestehen dagegen nicht. Zwar muss der Geschädigte im Prinzip den Schaden konkret berechnen, wenn sein Fahrzeug unmittelbar der Erbringung gewerblicher Leistungen dient (vgl. Senatsurteil vom 4. Dezember 2007 - VI ZR 241/06 - VersR 2008, 369, 370 m.w.N.). Der entgangene Gewinn kann danach anhand des eigenen durchschnittlichen Einfahrergebnisses des Geschädigten abzüglich ersparter Kosten berechnet werden (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 27. Januar 2004 - 6 BSch U 180/02 - Hamburger Seerechts-Report 2004, 28, 30). Weil sich der Schaden im Bereich der Binnenschifffahrt häufig nur schwer schätzen lässt, war jedoch in der Vergangenheit die vereinfachte Schadensschätzung durch Heranziehung der Liegegeldsätze anerkannt (vgl. Otte, TranspR 2005, 391, 392, 398).

2.

Es ist indes aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Liegegeldsätze des § 4 BinSchLV nicht zur Berechnung der Nutzungsentschädigung herangezogen hat.

a)

Bei der Ermittlung des Nutzungsausfalls in Form entgangenen Gewinns kommt dem Kläger § 252 BGB zugute. Danach gilt derjenige Gewinn als entgangen, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden durfte. Für die Schadensschätzung gilt zudem das Beweismaß des § 287 ZPO. Revisionsrechtlich ist nur überprüfbar, ob der bei der Schadensschätzung besonders frei gestellte Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (st. Rspr.; BGHZ 102, 322, 330; Senatsurteil vom 11. März 2008 - VI ZR 164/07 - VersR 2008, 699, 700; BGH, Urteil vom 17. April 1997 - X ZR 2/96 - NJW-RR 1998, 331, 333 m.w.N.; Urteil vom 9. Juni 1999 - VIII ZR 336/98 - VersR 2000, 1550, 1551).

b)

Die Revision meint, dass sich die Höhe des Nutzungsausfalls einem alten Handels- und Schifffahrtsbrauch entsprechend aus der Höhe des jeweils aktuell geltenden gesetzlichen Liegegelds ergebe (vgl. dazu v. Waldstein/Holland, Binnenschifffahrtsrecht, 5. Aufl., § 92b BinSchG Rn. 50; Otte, aaO, S. 392 f.). Es kann dahingestellt bleiben, ob die behauptete Verkehrssitte als Handelsbrauch der Binnenschifffahrt im frachtgeschäftlichen Verkehr zwischen Frachtführern und ihren Auftraggebern besteht. Die Parteien sind als Benutzer von Binnenschifffahrtswegen durch die Havarie in eine ausschließlich deliktsrechtliche Beziehung zueinander getreten. Das Berufungsgericht prüft daher zutreffend nur, ob ein Schifffahrtsbrauch besteht, und verneint dies im Ergebnis zu Recht.

Die Beklagten bestreiten, dass ein solcher Brauch gegenwärtig noch existiert. Die Feststellung eines Handelsbrauchs ist Tatfrage (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 8. Dezember 1965 - VIII ZR 271/63 - NJW 1966, 502, 503; Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., § 346 Rn. 13; MünchKomm-HGB/Schmidt Band 5, 2001, § 346 Rn. 25). Für einen Schifffahrtsbrauch kann nichts anderes gelten. Die Behauptungs- und Beweislast für einen solchen Brauch liegt beim Kläger (BGH, Urteil vom 12. Dezember 1990 - VIII ZR 332/89 - NJW 1991, 1292, 1293; Musielak/Foerste, ZPO, 6. Aufl., § 284 Rn. 3; Ebenroth/Boujong/Kort, Handelsgesetzbuch Band 2, § 346 Rn. 11; Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl., § 22 Rn. 9), wobei die Beweisführung mit allgemeinen Beweismitteln geschieht, insbesondere durch Sachverständigengutachten zumeist von Industrie- und Handelskammern (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1965 - VIII ZR 271/63 - NJW 66, 502, 503). Der Kläger hat keinen Beweis angetreten und ist damit beweisfällig.

Das Berufungsgericht hat den behaupteten Schifffahrtsbrauch daher zu Recht außer Acht gelassen. Im Übrigen spricht auch nichts für einen solchen (fortbestehenden) Brauch. So haben der Vorstand der Schifferbörse und die Niederrheinische Industrie- und Handelkammer Duisburg-Wesel-Kleve, die ihre Gutachten seit 1908 in Abständen in der Sammlung "Handelsbräuche in der Binnenschifffahrt" veröffentlichen, bereits im Gutachten vom 3. November 1999 (Nr. 107) in allgemeiner Form ausgeführt, dass kein Brauch mehr bestehe, Nutzungsausfall nach Liegegeld zu zahlen. In der hier betroffenen Rheinschifffahrt war das Bestehen eines solchen Brauchs ohnehin umstritten (verneinend: Vortisch-Zschucke, Binnenschifffahrt, 3. Aufl., S. 400; bejahend Bemm/v. Waldstein, Rheinschifffahrtspolizeiverordnung, 3. Aufl., Einf. Rn. 46). Soweit für das Bestehen auf ein Gutachten der Schifferbörse vom 15. März 1982 verwiesen wird (Bemm/v. Waldstein, aaO, Einf. Rn. 46), ist dieses weder in die Sammlung "Handelsbräuche in der Rheinschifffahrt" aus dem Jahr 1987 noch in die aktuelle Sammlung der "Handelsbräuche in der Binnenschifffahrt" aufgenommen, obwohl diese das Ziel verfolgen, Gutachten mit "grundsätzlicher und praktischer Bedeutung" zusammenzustellen (Handelsbräuche in der Rheinschifffahrt, 11. Aufl., 1987, Vorwort 1. Abs.).

c)

Für die Schätzung des Nutzungsausfallschadens gelten daher die allgemeinen Grundsätze. Ihre Anwendung durch das Berufungsgericht lässt keinen Rechtsfehler erkennen. § 287 ZPO gibt die Art der Schätzgrundlage nicht vor. Es ist auch nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, dem Tatrichter eine bestimmte Berechnungsmethode bindend vorzuschreiben. Das Gericht kann Listen und Tabellen zur Schadensschätzung heranziehen, muss dies aber nicht, insbesondere wenn es berechtigte Zweifel an ihrer Eignung hat (Senat, Urteil vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 308/07 - [...] Rn. 22). Allerdings kann die Schätzung im Interesse gleichmäßiger Handhabung rechtlich daraufhin überprüft werden, ob eine geeignete Schätzgrundlage gewählt wurde. Sie muss den Gegenstand des zu entschädigenden Vermögensnachteils, der hier in einem marktgerechten Durchschnittswert der entgehenden Umsätze abzüglich der ersparten Kosten besteht, beachten und darf nicht zu einer grundlosen Bereicherung des Geschädigten führen (vgl. Senatsurteil BGHZ 161, 151, 154).

aa)

Das Berufungsgericht hat ausführlich dargelegt, warum seiner Ansicht nach das derzeit geltende gesetzliche Liegegeld den Nutzungsausfallschaden wesentlich übersteigt und daher für eine Schätzung des Schadens nicht herangezogen werden kann. Es hat sich hierfür auf die transportrechtliche Literatur gestützt, die - soweit ersichtlich - einhellig dieser Ansicht ist, und dabei auch auf vergleichbare Regelungen benachbarter Staaten verweist (vgl. Otte, aaO, S. 392; Dütemeyer, BinSchiff 2002, 55, 56; v. Waldstein/Holland, aaO § 92 b BinSchG Rn. 50).

Das Berufungsgericht hat weiter konkrete Abrechnungen havariebedingten Nutzungsausfalls aus anderen Rechtsstreitigkeiten herangezogen, die es in der mündlichen Verhandlung mit den Parteien erörtert hat. Auf diese ihm aufgrund jahrelanger Befassung mit Rechtsstreiten im Schifffahrtsrecht aus den dortigen Akten dienstlich bekannt gewordenen Tatsachen konnte es sich verfahrensfehlerfrei stützen (BGH, Urteil vom 2. April 1998 - I ZR 1/96 - NJW 1998, 3498, 3499; Urteil vom 10. Dezember 1986 - I ZR 136/84 - NJW 1987, 1021; Musielak/Huber, aaO, § 291 Rn. 2; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 291 Rn. 1).

Nicht zu beanstanden ist der Hinweis des Berufungsgerichts darauf, dass § 4 BinSchLV für das beschädigte Schiff eine Anhebung von 792,50 EUR (§ 32 BinSchG 1994) auf 2.002,08 EUR mit sich gebracht hat, und damit innerhalb von sechs Jahren einen Anstieg um 153 %, während im Vergleich dazu das allseits als marktgerecht anerkannte Liegegeld für ein entsprechendes Schiff zwischen 1991 und 1994 von 1.490 DM (FTB A 101/23), auf 1.550 DM, also um nur 4 % stieg (§ 32 BinSchG 1994).Da der bis 1993 vom Bundesamt für Statistik geführte Index der Binnenschifffahrtsfrachten (Fachserie 17 Reihe 9 Preise und Preisindizes für Verkehrsleistungen 1993) zwischen 1979 und 1993 zum Beispiel für den Transport von Getreide von Hamburg nach Düsseldorf einen Anstieg der Frachten von 20,54 DM je t auf 24,90 DM je t und damit um 21 % verzeichnet, erscheint eine Erhöhung der Frachten und damit auch eines angemessenen Liegegelds um 153 % ohne besondere Ereignisse am Markt, die auch die Revision nicht zu benennen vermag, als unwahrscheinlich.

Der Vorwurf der Revision, das Berufungsgericht habe die seinem Schätzungsermessen gesetzten Grenzen dadurch überschritten, dass es sich eine nicht vorhandene Sachkunde zugetraut habe (vgl. dazu Senatsurteile BGHZ 159, 254, 262 f. m.w.N.; vom 22. Dezember 1987 - VI ZR 6/87 - VersR 1988, 466, 467), ist danach unbegründet.

bb)

Es ist revisionsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, die amtliche Auskunft des Bundesjustizministeriums zum Zustandekommen der Liegegeldsätze des § 4 BinSchLV räume die Zweifel daran nicht aus, dass die Liegegelder dem Nutzungsausfall entsprächen. Ob der Verordnungsgeber die Bemessung von Nutzungsausfallschaden überhaupt im Blick hatte, ist der Auskunft nicht zu entnehmen. Die von der Revision betonte Beteiligung von Verbänden und Fachkreisen durch das Bundesministerium der Justiz bei der Vorbereitung der BinschLV ist in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien für alle Rechtsverordnungen vorgeschrieben (§§ 47 Abs. 3, 62 Abs. 2 Satz 1 GGO). Der Auskunft des Bundesministeriums der Justiz ist auch nicht zu entnehmen, welche empirischen Erkenntnisse zu marktüblichen Frachten und Unkosten der Bestimmung der Liegegelder zugrunde gelegt wurden. Ersichtlich spielten bei der Bemessung der derzeitigen Liegegelder andere Gesichtpunkte eine Rolle, als es bei der Bemessung von Schadensersatzansprüchen nach Deliktsrecht der Fall ist.

Das in der Binnenschifffahrt als "Liegegeld" bezeichnete Standgeld gemäß § 412 Abs. 3 HGB weist gegenüber einer Nutzungsausfallentschädigung erhebliche Unterschiede auf, so dass es nicht die von der Revision behauptete "Legitimationskraft" hat. Das Liegegeld ist ein gesetzlicher Neben-Vergütungsanspruch (v. Waldstein/Holland, aaO, HGB § 412 Rn. 30) und kein Schadensersatzanspruch (amtl. Begr. BT-Drucks. 13/8445 S. 41; BGHZ 1, 47, 49). Es vergütet dem Frachtführer, der aufgrund vertraglicher Vereinbarung oder aus Gründen, die nicht seinem Risikobereich zuzurechnen sind, über die Lade- und Entladezeit hinaus wartet, die platzgebundene und betriebsbereite Vorhaltung von Fahrzeug und Besatzung, wohingegen insbesondere bei längeren havariebedingten Werftaufenthalten das Schiff nicht betriebsbereit gehalten werden und auch keine Schiffsbesatzung anwesend sein muss (Otte, aaO, S. 393). Neben dem Liegegeld können keine weiteren Nachteile aus dem Warten geltend gemacht werden (Fremuth/Thume, Kommentar zum Transportrecht, 2000, § 412 Rn. 23), während der Havariegeschädigte seinen entgangenen Gewinn konkret darlegen und so einen höheren Schaden geltend machen kann. Das Liegegeld nach § 4 BinSchLV ist, anders als bis zur Aufhebung der Tarifbindung der Binnenschifffahrtsfrachten zum 1. Januar 1994 (Gesetz vom 13. August 1993, BGBl. I, S. 1489), heute frei vereinbar (Ramming, TranspR 2004, 343, 345; Koller, Transportrecht, 6. Auflage, 2007, § 412 Rn. 58; Fremuth/Thume, aaO, § 412 Rn. 19). In der Praxis wird häufig eine Herabsetzung vereinbart (Otte, aaO, S. 224; v. Waldstein/Holland, aaO, § 92 b BinSchG Rn. 50).

cc)

Ohne Erfolg macht die Revision geltend, für die Bestimmung des Nutzungsausfalls seien die Liegegeldsätze nach § 4 BinSchLV, die für 24 Stunden am Tag geschuldet werden, an eine regelmäßig 14-stündige Nutzung entsprechend der Basisbetriebsform A 1 gemäß § 23.05 RheinSchUO anzupassen. Das Berufungsgericht führt nachvollziehbar aus, dass dies die Bedenken gegen die Ausgangswerte des § 4 BinSchLV nicht beseitige und damit nur versucht werde, einen Rechenweg zu begründen, der die Werte den als realistisch empfundenen annähert. Das Berufungsgericht erwägt zudem ohne erkennbaren Fehler, dass der Rechenweg deshalb ungeeignet sei, weil sich Rheinschifffahrt und sonstige Binnenschifffahrt hinsichtlich der regelmäßigen Nutzung unterschieden (§ 23.05 RheinSchUO: 14 Stunden; § 114 BinSchUO: max. 16 Stunden), ohne dass ersichtlich wäre, dass sich dies in den Einfahrergebnissen und damit auf die Höhe des Nutzungsverlusts auswirke. Hinzuzufügen ist, dass die älteren Regelungen des Liegegelds, § 32 BinSchG 1994 und die Frachten- und Tarifbestimmungen, zuletzt FTB A 101/23, ebenso wenig wie das Nutzungsverlustabkommen 1982 eine Unterscheidung nach der Betriebsform vorsahen, zumal diese wechseln kann (Otte, aaO, 396). Insoweit hat auch die Auskunft des Bundesministeriums der Justiz ergeben, dass "die Verordnung keine bestimmte Betriebsform berücksichtigt".

3.

Es ist danach vom tatrichterlichen Ermessen gedeckt, dass das Berufungsgericht auf eine andere Schätzgrundlage zurückgegriffen hat, weil diese ihm für eine wirklichkeitsnähere Schätzung geeigneter erschien (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 1993 - III ZR 23/92 - VersR 1993, 1274, 1275).

a)

Der Rückgriff auf das Liegegeld nach § 32 BinSchG 1994, dessen Liegegeldbeträge die betriebswirtschaftlichen Faktoren nach Art und Größe des Schiffs differenziert berücksichtigen, ist nicht zu beanstanden. Dieses Liegegeld war bis zu seiner Außerkraftsetzung durch das Transportrechtreformgesetz vom 25. Juni 1998 (BGBl. I, S. 1588) zum 1. Juli 1998 nach allgemeiner Meinung (v. Waldstein/Holland, aaO, § 92 b BinSchG Rn. 50; Dütemeyer, BinSchiff 2002, 55, 56; Otte, aaO, S. 392), die auch die Revision teilt, als geeigneter Maßstab für die Bewertung des Nutzungsausfalls anerkannt.

b)

Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe durch die Anwendung des Verbraucherkostenindexes wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen, weil dieser Index der privaten Lebenshaltungskosten die Betriebskosten und die Ertragsseite des Schiffsbetriebs in keiner Weise widerspiegele und deshalb für die Ermittlung entgangenen Umsatzes in einem Gewerbebetrieb ungeeignet sei.

aa)

Die Indexierung der Liegegeldbeträge des § 32 BinSchG 1994 dient der Anpassung der nach § 32 BinSchG anzusetzenden Werte an die zwischenzeitliche Entwicklung. Zwar wäre hierzu ein Index, der die Preisentwicklung des Güterverkehrs mit Binnenschiffen wiedergibt, geeigneter als der Preisindex, der die dem Verbraucher entstehenden Kosten erfasst. Ein solcher Preisindex wird aber derzeit vom Statistischen Bundesamt nicht geführt. In den Erzeugerpreisindizes für See- und Küstenschifffahrt (Statistisches Bundesamt, Fachreihe 17 Reihe 9.2 "Preise und Preisindizes für Verkehr" Mai 2008) gehen auch Kosten ein, die durch das weltweite Frachtgeschäft bedingt sind, wie Kriegsrisikozuschlag, Eiszuschlag oder Währungsausgleichsfaktoren (vgl. Erhebungsvordruck zur Statistik der Seefrachten in der Linienfahrt des Statistischen Bundesamtes). In den ebenfalls erstellten Erzeugerpreisindizes für Straßengüterverkehr (aaO) schlagen sich die speziellen Kosten der Straßenbenutzung wie die Maut nieder (Fragebogen für die laufende Preiserhebung im Straßengüterverkehr, WiSta 2007, 1197, 1199). Für die Binnenschifffahrt fallen solche Kosten nicht in gleicher Weise an. Falls das Statistische Bundesamt künftig auch die Preisentwicklung in der Binnenschifffahrt erfassen sollte, mag ein solcher Index heranzuziehen sein. Jedenfalls derzeit ist die vom Berufungsgericht vorgenommene Anpassung revisionsrechtlich unbedenklich.

bb)

Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht den entgangenen Gewinn auf den Zeitpunkt der Havarie im November 2004 indexiert. Für die Bemessung des entgangenen Gewinns sind - ohne kontradiktorische Schadenstaxe - Beginn und Ende des Ausfalls des gewinnbringend zu nutzenden Gegenstandes maßgeblich (BGH, Urteil vom 18. Februar 2002 - II ZR 355/00 - NJW 2002, 2553, 2555; Goßler, Der Zeitpunkt der Schadensbemessung im Deliktsrecht, 1977, S. 33 f.). Denn dem Kläger sind während der Reparatur aus den deshalb nicht durchführbaren Frachten die Frachterlöse entgangen. Da der deutlich überwiegende Nutzungsausfall im November 2004 lag, war es nicht fehlerhaft, für die Indexierung diesen Monat zugrunde zu legen.

4.

Die weiter gehenden Verfahrensrügen der Revision hat der erkennende Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO).

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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