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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 17.02.2004
Aktenzeichen: VI ZR 69/03
Rechtsgebiete: HPflG


Vorschriften:

HPflG § 1 Abs. 1
HPflG § 13
Wird bei einem Bahnunfall der Triebwagen eines Eisenbahnverkehrsunternehmens dadurch beschädigt, daß er auf einen auf den Schienen liegenden Stein auffährt, so haftet das für den Betrieb der Schienenstrecke verantwortliche Eisenbahninfrastrukturunternehmen dem Eisenbahnverkehrsunternehmen für den Schaden grundsätzlich aufgrund der Gefährdungshaftung des § 1 Abs. 1 HPflG. Die Betriebsgefahr des Eisenbahnfahrzeugs ist im Rahmen der nach § 13 Abs. 1 Satz 2 HPflG a.F. (entsprechend § 13 Abs. 2 HPflG n.F.) vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VI ZR 69/03

Verkündet am: 17. Februar 2004

in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Februar 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. Februar 2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin, ein Eisenbahnverkehrsunternehmen, verlangt von der Beklagten, einem Eisenbahninfrastrukturunternehmen, Schadensersatz wegen eines Bahnunfalls. Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob das Haftpflichtgesetz anwendbar ist.

Die Beklagte betreibt unter anderem die Schienenstrecke zwischen Sigmaringen und Tübingen. Sie ist für den Bau, für die Unterhaltung und für die Betriebsleit- und Sicherungssysteme verantwortlich. Die Beklagte führt an der Strecke Regelbegutachtungen durch, bei denen auch Teilbereiche der entlang der Strecke stehenden Felswände mit Seil- und Sicherungsvorrichtungen kontrolliert werden.

Die Klägerin befährt die Strecke mit ihren Schienenfahrzeugen regelmäßig gegen die Entrichtung von Trassenentgelt. Sie betreibt Personennahverkehr, für den sie die wirtschaftliche Ergebnisverantwortung trägt.

Im März 2000 kollidierte ein Triebwagen der Klägerin mit einem in der Nacht aus einer nahegelegenen Felswand herausgebrochenen und auf die Schienen gerollten größeren Felsbrocken. Bei dem Zusammenstoß wurde der Triebwagen erheblich beschädigt.

Die Klägerin hat den deshalb im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Schadensersatzanspruch zuletzt auf die seinerzeit geltende Haftungshöchstsumme nach dem Haftpflichtgesetz von 51.129,19 € beschränkt und ihre weitergehende Klage zurückgenommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils des Landgerichts.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht bejaht in dem angefochtenen Urteil (abgedruckt in: VersR 2003, 648 f.) die Haftung der Beklagten nach § 1 Abs. 1 HPflG. Es meint, auch ein Eisenbahnverkehrsunternehmen wie die Klägerin könne Geschädigter im Sinne des § 1 Abs. 1 HPflG sein. Aus der Aufgabenverteilung zwischen Eisenbahnverkehrsunternehmen und Eisenbahninfrastrukturunternehmen entstünden verschiedene Gefahrenquellen. Beide Unternehmer seien für verschiedene Bereiche des Bahnbetriebs verantwortlich und hätten darüber die ausschließliche Verfügungsgewalt. Deshalb seien beide Betriebsunternehmer im Sinne des Haftpflichtgesetzes. Im Hinblick auf § 13 Abs. 1 Satz 2 HPflG a.F. (jetzt § 13 Abs. 2 HPflG n.F.) hafte jeder dieser Betriebsunternehmer auch dann nach § 1 Abs. 1 HPflG, wenn durch den ihm zuzurechnenden Betrieb ein Schaden bei dem anderen Betriebsunternehmer verursacht werde. Dem könne nicht entgegengehalten werden, die Bahnbetriebsunternehmen setzten sich der von der Infrastruktur ausgehenden Gefahr bewußt aus. Dies gelte auch für die Reisenden, denen aber unzweifelhaft ein Anspruch aus § 1 Abs. 1 HPflG zustehe. Auch bei der Unfallbeteiligung mehrerer Kraft- oder Luftfahrzeuge oder mehrerer Züge verschiedener Bahnverkehrsunternehmen stelle niemand die gegenseitige Haftung in Frage. Der Unfall sei nicht durch höhere Gewalt verursacht worden (§ 1 Abs. 2 Satz 1 HPflG a.F.). Die Klägerin lasse sich bei einem unstreitigen Gesamtschaden von 84.258,06 € eine Mithaftungsquote von einem Drittel anrechnen, die zwischen den Parteien gleichfalls außer Streit stehe. Der danach verbleibende Betrag übersteige die verbliebene Klagesumme.

II.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand. Das Berufungsgericht hat eine Gefährdungshaftung der Beklagten für die Folgen des Bahnunfalls zu Recht bejaht.

1. Nach § 1 Abs. 1 HPflG ist der Betriebsunternehmer dem Geschädigten zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der daraus entsteht, daß bei dem Betrieb einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird. Diese grundlegenden Haftungsvoraussetzungen gelten sowohl nach der ab dem 1. August 2002 als auch nach der bis dahin - also auch im Unfallzeitpunkt (Art. 229 § 8 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB) - geltenden Gesetzesfassung.

Unstreitig ist eine Sache der Klägerin, nämlich ihr Triebwagen, bei dem Unfall beschädigt worden. Die Beschädigung geschah auch beim Betrieb einer Schienenbahn. Ein Betriebsunfall im Sinne des § 1 Abs. 1 HPflG liegt vor, wenn ein unmittelbarer äußerer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung der Bahn besteht oder wenn der Unfall durch eine dem Bahnbetrieb eigentümliche Gefahr verursacht worden ist (BGHZ 1, 17, 19; Senatsurteile vom 18. Dezember 1956 - VI ZR 166/56 - VersR 1957, 112; vom 5. März 1963 - VI ZR 15/62 - VersR 1963, 583, 584; vom 10. März 1987 - VI ZR 123/86 - VersR 1987, 781). Beide Umstände liegen vor. Der Unfall ereignete sich während der regulären Fahrt des Bahntriebwagens der Klägerin auf der Schienenstrecke der Beklagten. Zudem verwirklichten sich typische Gefahren des Eisenbahnbetriebs. Die Kollision beruht (zumindest auch) auf dem langen Anhalteweg und der fehlenden Ausweichmöglichkeit des schienengebundenen Fahrzeugs.

Die Haftung des beklagten Eisenbahninfrastrukturunternehmens hängt demnach nur noch davon ab, ob es als Betriebsunternehmer anzusehen ist und ob ein Eisenbahnverkehrsunternehmen wie die Klägerin Geschädigter im Sinne des § 1 Abs. 1 HPflG sein kann. Beides hat das Berufungsgericht für den Streitfall zutreffend bejaht.

2. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Beklagte Betriebsunternehmerin im Sinne des § 1 Abs. 1 HPflG. Dem steht nicht entgegen, daß sie mit der Bereitstellung der Infrastruktur lediglich über einen Teil des Eisenbahnbetriebs, nicht aber über die Gesamtheit, bestehend aus Fahrbetrieb und Infrastruktur, verfügt.

a) Betriebsunternehmer nach § 1 Abs. 1 HPflG (wie zuvor schon nach § 1 Reichshaftpflichtgesetz und § 1 Sachschadenhaftpflichtgesetz) ist nach ständiger Rechtsprechung derjenige, der eine Bahn für eigene Rechnung betreibt und dem die Verfügung über den Betrieb zusteht (Senatsurteile BGHZ 9, 311, 312; vom 23. April 1985 - VI ZR 154/83 - VersR 1985, 764, 765; BGH, Urteil vom 8. März 1951 - III ZR 34/50 - VRS 3, 217, 218; Urteil vom 14. Februar 1963 - II ZR 19/61 - VersR 1963, 745, 747; RGZ 66, 376, 378; 146, 340, 341). Damit ist zwar grundsätzlich die Verfügung über den Bahnbetrieb als Ganzes gemeint, also über Beförderungsmittel und Infrastruktur (vgl. Senatsurteil BGHZ 9, 311, 313; BGH, Urteil vom 8. März 1951 - III ZR 34/50 - aaO; RGZ 146, 340, 341 f.; OLG Düsseldorf, VRS 9, 432, 434). Betriebsunternehmer kann aber auch sein, wer lediglich die Herrschaft über einen Teil des Betriebes innehat, wenn das Merkmal des Betreibens auf eigene Rechnung erfüllt ist. Entscheidend ist, daß er gerade durch die Einwirkungsmöglichkeiten und - verpflichtungen hinsichtlich dieses Teils des Betriebes imstande ist, die hiervon ausgehenden Gefahren abzuwenden oder zu verringern (Senatsurteil BGHZ 9, 311, 313 f.; BGH, Urteil vom 8. März 1951 - III ZR 34/50 - aaO; RGZ 66, 376, 378 f.; 146, 340, 341; OLG Düsseldorf, VRS 9, 432, 433). Dementsprechend ist in der bisherigen Rechtsprechung als Betriebsunternehmer verschiedentlich derjenige angesehen worden, der den Schienentransport durchführte unabhängig davon, wer die Verfügungsgewalt über die Infrastruktur auf dem entsprechenden Gleisstück innehatte (vgl. etwa Senatsurteil vom 23. April 1985 - VI ZR 154/83 - VersR 1985, 764, 765; BGH, Urteile vom 8. März 1951 - III ZR 34/50 - aaO; vom 14. Februar 1963 - II ZR 19/61 - VersR 1963, 745, 747; OLG Bremen, VersR 1953, 308; RG, LZ 1915 Sp. 52). In anderen Fällen wurde hingegen nicht derjenige, der den Transport durchführte, sondern der Betreiber der Bahnanlage für haftbar gehalten (vgl. etwa RGZ 124, 204, 206 f.; RGZ 146, 340, 342; RG, EE 10, 11, 12 f.; EE 15, 129 ff.).

b) Schon vor der rechtlichen Trennung von Fahrbetrieb und Infrastruktur konnte demnach als Betriebsunternehmer im Einzelfall auch derjenige anzusehen sein, der lediglich die Verfügungsgewalt über einen der beiden Bestandteile des Bahnbetriebs hatte. Nunmehr ist davon auszugehen, daß Eisenbahnverkehrsunternehmen und Eisenbahninfrastrukturunternehmen im Regelfall nebeneinander Betriebsunternehmer sind, die im Schadensfall einem (außenstehenden) Geschädigten als Gesamtschuldner haften.

aa) Mit der rechtlichen Trennung von Fahrbetrieb und Infrastruktur durch das Allgemeine Eisenbahngesetz vom 27. Dezember 1993 wurden diese beiden Teilbereiche dauerhaft verselbständigt. Sowohl Eisenbahninfrastrukturunternehmen als auch Eisenbahnverkehrsunternehmen sind nun regelmäßig als Betriebsunternehmer im Sinne des § 1 Abs. 1 HPflG anzusehen. Eine Enthaftung des Eisenbahninfrastrukturunternehmens war mit der Trennung nicht beabsichtigt; etwaige Nachteile für Geschädigte wollte man keinesfalls in Kauf nehmen (vgl. BR-Drucks. 754/95 S. 8; BR-Drucks. 250/98, S. 4 und 8 f. und BT-Drucks. 13/10867, S. 5 und 6).

bb) In das Allgemeine Eisenbahngesetz vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I 2378, 2396; AEG) wurde ein dualistischer Eisenbahnbegriff aufgenommen. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AEG gilt das Gesetz für Eisenbahnen. Nach § 2 Abs. 1 AEG sind Eisenbahnen öffentliche Einrichtungen oder privatrechtlich organisierte Unternehmen, die Eisenbahnverkehrsleistungen erbringen (Eisenbahnverkehrsunternehmen) oder eine Eisenbahninfrastruktur betreiben (Eisenbahninfrastrukturunternehmen). Beide betreiben jeweils selbständig einen Teil der Eisenbahn (§ 3 AEG).

cc) Die Beklagte nimmt im nunmehr aufgegliederten Eisenbahnsektor eine selbständige Teilaufgabe des Bahnbetriebs wahr. Das Infrastrukturunternehmen baut, unterhält und vermarktet für eigene Rechnung das in seiner Verfügungsgewalt stehende Netz an interessierte Eisenbahnverkehrsunternehmen, indem es ihnen Schienentrassen gegen Entgelt überläßt, Einfluß auf die Fahrpläne nimmt und den Netzbetrieb abwickelt. Das Infrastrukturunternehmen überläßt dem Verkehrsunternehmen nicht nur die Schienentrasse zur räumlichen Nutzung, sondern es gewährt auch die Dienstleistungen, die mit der Unterhaltung und Nutzung der Trasse verbunden sind, wie etwa das Bedienen von Weichen, Signalen, Schranken, betrieblichen Melde- und Sicherheitssystemen sowie die Stromversorgung. Weiter hat das Infrastrukturunternehmen die Sicherheit der Schienentrasse zu gewährleisten, wozu nach den in den Tatsacheninstanzen getroffenen Feststellungen auch der Schutz der Trasse vor Steinschlag gehört. Zur Erfüllung seiner Aufgaben muß das Infrastrukturunternehmen auch Personal auswählen und überwachen (zu den gesetzlich definierten Aufgaben siehe § 2 Abs. 3, § 4 Abs. 1 AEG; zur Sicherheitsverantwortung der Beklagten Hoppe/Schmidt/Busch/Schieferdecker, aaO, §§ 15 und 51; Tavakoli, aaO, S. 60 f.; Filthaut, VersR 2001, 1348, 1351; zur rechnerischen Trennung § 9 Abs. 1 AEG). Die Beklagte beeinflußt daher bei Wahrnehmung der ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben wesentlich die Sicherheit des Eisenbahnverkehrs.

c) Das Betreiben der Infrastruktur einerseits und die Durchführung der Verkehrsvorgänge mit dem Fahrzeugpark andererseits sind gleichwertige Erfordernisse des Bahnbetriebs. Ein Vorrang des Fahrbetriebs besteht nicht. Der Betreiber der Infrastruktur kann entgegen der Auffassung der Revision nicht - analog zum Straßenverkehr - lediglich als "Schienenbaulastträger" angesehen werden. Er ist Betreiber eines selbständigen Teils des Systems Bahn. Er stellt nicht nur den Fahrweg als solchen zur Verfügung, sondern auch weitere für den Bahnbetrieb unabdingbare Voraussetzungen, wie etwa die Energieversorgung. Ferner beeinflußt er durch die Bedienung von Signalen, Weichen, Schranken, betrieblichen Melde- und Sicherheitssystemen mit eigenem Personal aktiv den Bahnbetrieb und damit die davon ausgehenden Gefahren. Ein reibungsloser Bahnverkehr ist nur durch das Zusammenwirken sämtlicher Bestandteile des Gesamtsystems zu erreichen. Sowohl von den Bestandteilen der Infrastruktur als auch vom Fahrbetrieb gehen die erheblichen Gefahren aus, die in der Regel zusammen den Bahnbetrieb prägen.

Dementsprechend wird auch im Schrifttum ganz überwiegend die Auffassung vertreten, daß das Eisenbahninfrastrukturunternehmen Betriebsunternehmer im Sinne des § 1 Abs. 1 HPflG ist (vgl. Filthaut, HPflG, 6. Aufl., § 1 Rn. 51 ff., 55, 59; derselbe VersR 2001, 1348, 1351; Freise, TranspR 2000, 49, 50; Geigel/Kunschert, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl., Kap. 22 Rn. 14; Tavakoli, Privatisierung und Haftung der Eisenbahn, 155 ff., 177 ff., 212 f.; Tschersich, VersR 2003, 962, 964; Wussow/Rüge, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl., Kap. 15 Rn. 21; a.A. Hoppe/Schmidt/Busch/Schieferdecker, Sicherheitsverantwortung im Eisenbahnwesen, § 29). Dies führt jedenfalls bei der Schädigung eines unbeteiligten Dritten in der Regel zu einer gemeinschaftlichen Haftung als Gesamtschuldner (Filthaut, HPflG, aaO, § 1 Rn. 56; Freise, aaO; Geigel/Kunschert, aaO; im Ergebnis auch Tavakoli, aaO, S. 177 f.; die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer nach § 1 RHG verantwortlicher Eisenbahnunternehmer hat bereits RGZ 61, 56 ff. bejaht).

d) Als Indiz für die Einordnung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen als Betriebsunternehmer im Sinne des Haftpflichtgesetzes kann entgegen der Auffassung der Revision auch die Verordnung über die Haftpflichtversicherung der Eisenbahnen (EBHaftpflV) herangezogen werden. Diese verpflichtete in ihrer Ursprungsfassung vom 21. Dezember 1995 (BGBl. I, 2101) öffentliche Eisenbahnen, öffentliche Eisenbahnverkehrsunternehmen und öffentliche Eisenbahninfrastrukturunternehmen, eine Versicherung zur Deckung von Ansprüchen aus dem Haftpflichtgesetz abzuschließen. In den Gesetzesmaterialien ist ausgeführt, da Schadensursachen ausschließlich im Bereich des Eisenbahninfrastrukturunternehmens oder des Eisenbahnverkehrsunternehmens liegen könnten, sei damit für den Schadensfall sichergestellt, daß den Geschädigten keine Nachteile aus der Trennung von Fahrweg und Betrieb entstünden (BR-Drucks. 754/95 S. 7, 8). Die Neufassung durch Gesetz zur Änderung versicherungsrechtlicher Vorschriften im Eisenbahnbereich vom 25. August 1998 (BGBl. I, 2431) hat zwar den Umfang der Versicherungspflicht über die Deckung von Ansprüchen aus dem Haftpflichtgesetz hinaus auf alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen erweitert. Eine Beseitigung der Pflicht des Eisenbahninfrastrukturunternehmens, sich gegen Ansprüche aus dem Haftpflichtgesetz zu versichern, war damit jedoch nicht gewollt (vgl. Filthaut, NZV 1999, 71, 72; Freise, TranspR 2000, 49, 50 f.; Tavakoli, aaO, S. 170 ff., 174). Vielmehr ging die Gesetzesbegründung weiterhin ausdrücklich davon aus, daß auch Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Gefährdungshaftung aus dem Haftpflichtgesetz trifft (vgl. BR-Drucks. 250/98, S. 4 und 8 f. und BT-Drucks. 13/10867 S. 5 und 6).

3. Die Klägerin als Eisenbahnverkehrsunternehmen ist auch Geschädigte im Sinne des § 1 Abs. 1 HPflG.

a) In der Literatur wird die Ansicht vertreten, ein Eisenbahnverkehrsunternehmen könne ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen nicht aus § 1 Abs. 1 HPflG in Anspruch nehmen. Infrastruktur und Fahrbetrieb begründeten keine selbständige Haftung. Beide seien vielmehr nur Teile des Bahnbetriebs, der allein in seiner Gesamtheit der verschärften Haftung nach § 1 HPflG unterliege. Eisenbahnverkehrsunternehmen und Eisenbahninfrastrukturunternehmen seien Mitunternehmer und hafteten als solche den Geschädigten als Gesamtschuldner, ohne Rücksicht darauf, wer den Unfall im Einzelfall verursacht habe. Eine Ersatzpflicht zwischen den Mitunternehmern liege außerhalb des Schutzbereichs der Gefährdungshaftung, weil das Eisenbahnverkehrsunternehmen die Gefahr, die den Gesetzgeber veranlaßt habe, die strengere Haftung nach § 1 HPflG einzuführen, selbst (mit)schaffe (vgl. Filthaut, HPflG, aaO, Rn. 147, 56, 28 f., derselbe, VersR 2001, 1348, 1352 f. und VersR 2003, 1512, 1513).

b) Dem vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Jedenfalls dann, wenn die den Unfall auslösenden Ursachen im Bahnbetrieb liegen und dem Risikobereich eines Betriebsunternehmers zuzuordnen sind, ist es gerechtfertigt, dem jeweils anderen Bahnbetriebsunternehmer einen Anspruch aus Gefährdungshaftung zuzuerkennen.

aa) Die Anerkennung eines zum Schutze des geschädigten Dritten nach außen wirkenden gesamtschuldnerischen Haftungsverbands zwingt im Falle der Schadensverwirklichung bei einem der am Haftungsverband Beteiligten nicht zur Ablehnung einer Haftung der Betriebsunternehmer untereinander (ebenso: Freise, TranspR 2003, 265, 272 re. Sp. Fn. 39; Tavakoli, aaO, S. 245, 246 f.; Tschersich, VersR 2003, 962, 964 f.; weitergehend, für eine Aufspaltung des Haftungsverbandes im Einzelfall nach außen: Freise, aaO; Wussow/Rüge, aaO, Kap. 15 Rn. 21; kritisch hierzu Tavakoli, aaO, S. 178 ff.).

bb) Daß unfallursächliche bahntypische Betriebsgefahren nicht nur vom eigentlichen Fahrbetrieb, sondern auch von der Infrastruktur ausgehen können, wurde bereits dargelegt. Bei einem Bahnunfall, wie er hier geschehen ist, können daher verschiedene, den beteiligten Unternehmen jeweils zuzuordnende Betriebsgefahren mitwirken. Da nach § 2 Abs. 1 AEG sowohl das Eisenbahninfrastrukturunternehmen als auch das Eisenbahnverkehrsunternehmen als solche bereits eine "Eisenbahn" sind, kann haftungsrechtlich jedem der Unternehmen ein eigener aus dem Betrieb einer Schienenbahn herrührender Gefahrenkreis zugeordnet werden, der bei Verwirklichung der Gefahr eine Inanspruchnahme aus der Gefährdungshaftung rechtfertigt. Dies wird durch § 13 Abs. 1 Satz 2 HPflG a.F. (entsprechend § 13 Abs. 2 HPflG n.F.) bestätigt. Danach hängt, wenn der Schaden einem der Ersatzpflichtigen entstanden ist, die Ersatzpflicht, die einen anderen von ihnen trifft, von den Umständen, insbesondere davon ab, wie weit der Schaden überwiegend von dem einen oder anderen verursacht worden ist.

Der Annahme, das Infrastrukturunternehmen hafte für den "Betrieb einer Schienenbahn", weil ihm ein insoweit relevanter Gefahrenbereich zugeordnet werden kann, steht nicht entgegen, daß das reine Vorhalten der Infrastruktur als solches noch kein Betrieb der Schienenbahn ist und daher keine eigenständige, für die Gefährdungshaftung relevante Gefahrenquelle darstellt (vgl. etwa RG, EE 17, 244; Filthaut, HPflG, aaO, Rn. 76 ff., m.w.N.). Auch Vorgänge, die nicht unmittelbar mit dem Fahren eines Zuges verknüpft sind, können zum Betrieb der Bahn gehören (vgl. etwa RGZ 46, 23 ff. - Umlegen einer Weiche -), wenn ein ausreichender Bezug zum Bahnbetrieb vorhanden ist (vgl. Filthaut, HPflG, aaO, § 1 Rn. 121 ff., m.w.N.). So verhält es sich in Fällen wie dem Streitfall, in dem sich eine bahntypische Gefahr aus dem dem Infrastrukturunternehmen zugewiesenen Risikobereich bei einem Verkehrsvorgang der Bahn verwirklicht hat.

cc) Eine solche Haftung der beteiligten Bahnunternehmen untereinander entspricht auch dem Zweck der in § 1 Abs. 1 HPflG angeordneten Gefährdungshaftung.

(1) Das Argument der Revision, Geschädigter im Sinne des § 1 HPflG könne nur ein unbeteiligter Dritter sein, der sich dem besonderen Risiko der mit dem Bahnbetrieb verbundenen Gefahr nicht entziehen könne (vgl. Filthaut, VersR 2001, 1348, 1352), überzeugt nicht. Das Berufungsgericht weist zu Recht darauf hin, daß dies im Widerspruch dazu steht, daß den Reisenden, die sich der Bahngefahr "freiwillig" aussetzen, unzweifelhaft ein Anspruch aus Gefährdungshaftung zusteht (vgl. auch Tavakoli, aaO, S. 241 f.; Tschersich, aaO). Ebenso kann bei anderen Tatbeständen der Gefährdungshaftung derjenige Anspruchsinhaber sein, der sich bewußt der Gefahrenquelle ausgesetzt hat. Auch im Bereich des Straßenverkehrsgesetzes kann der eine Halter von dem Halter eines anderen am Unfall beteiligten Fahrzeugs aus Gefährdungshaftung Schadensersatz verlangen. Dasselbe gilt für § 33 LuftVG bei einem Zusammenstoß mehrerer Luftfahrzeuge in der Luft, also zwischen Teilnehmern am Luftverkehr (Senat, Urteil vom 23. Oktober 1990 - VI ZR 329/89 - VersR 1991, 341; Geigel/Schönwerth, aaO, Kap. 29 Rn. 21 zu § 33 LuftVG; Tschersich, VersR 2003, 962, 965; Tavakoli, aaO, S. 242; vgl. auch zur Tierhalterhaftung die Senaturteile vom 12. Januar 1982 - VI ZR 188/80 - VersR 1982, 366, 367 m.w.N.; vom 9. Juni 1992 - VI ZR 49/91 - VersR 1992, 1145, 1146 f. und vom 22. Dezember 1992 - VI ZR 53/92 - VersR 1993, 369). Auch die Haftung von Eisenbahnverkehrsunternehmen untereinander, etwa beim Zusammenstoß zweier Züge, dürfte zu bejahen sein (vgl. Filthaut, VersR 2003, 1512, 1513).

(2) Nicht gefolgt werden kann auch der Auffassung, ein Eisenbahnverkehrsunternehmen scheide aus dem Schutzbereich des § 1 HPflG aus, weil es die sich bei einem Eisenbahnunfall verwirklichende Gefahr gemeinsam mit dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen geschaffen habe (vgl. Filthaut, HPflG, aaO, Rn. 146; derselbe VersR 2001, 1348, 1352 und VersR 2003, 1512, 1513).

(2.1) Die Gefährdungshaftung für gefährliche Anlagen, wie sie u.a. § 1 Abs. 1 HPflG vorsieht, beruht auf dem Gedanken, daß derjenige, der zur Förderung seiner Zwecke erlaubtermaßen Gefahren schafft, denen sich andere bei der Teilnahme am Verkehr nicht in zumutbarer Weise entziehen können, auch ohne Verschuldensnachweis für die Schäden aufkommen soll, die bei dem gefahrenträchtigen Betrieb - auch bei Einhaltung aller Sorgfalt - entstehen, sofern nicht einer der zum Teil gesetzlich bestimmten Ausnahmetatbestände (etwa höhere Gewalt) nachgewiesen wird (vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 105, 65, 66; 115, 84, 86; 117, 337, 340 f., alle zu § 7 StVG; BGH, Urteil vom 10. Mai 1976 - III ZR 150/73 - aaO, jew. m.w.N.; zu § 1 RHG schon RGZ 1, 247, 251; vgl. auch Senatsurteil vom 13. November 1973 - VI ZR 152/72 - VersR 1974, 356, 357 zu § 833 BGB; vgl. auch die amtl. Begründung des Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 16. August 1977, BGBl. I, 1577, in: BT-Drucks. 8/108, S. 6). Derjenige, der die Gefahr im eigenen Interesse schafft, soll Dritten, die dadurch Schaden erleiden, verantwortlich sein. Die Gefährdungshaftung ist quasi der Preis dafür, daß der Verursacher den Verkehr der Gefahr aussetzen darf (vgl. Senatsurteil BGHZ 115, 84, 86).

Gehen von mehreren "Eisenbahnen" jeweils unterschiedliche spezifische Gefahren aus, die sich bei einem Unfallgeschehen auswirken, so steht dieser Zweck der Gefährdungshaftung einer gegenseitigen Einstandspflicht der beteiligten Unternehmen nicht entgegen. In seinem jeweiligen Teilbereich eröffnet jeder Unternehmer die ihm zuzuordnende Gefahrenquelle allein. Verwirklicht sich eine daraus stammende Gefahr, hat der verantwortliche Unternehmer dem hierdurch geschädigten anderen Unternehmer wie einem am Bahnbetrieb nicht beteiligten Dritten einzustehen. Das Risiko einer Schadensverwirklichung trifft die beteiligten Unternehmer wegen der Häufigkeit ihrer Kontakte in besonderem Maße. Auch sind sie im Hinblick darauf, daß wegen der Trennung der Aufgabenbereiche regelmäßig rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf die Gefahrenquelle fehlen, bei Konstellationen wie im Streitfall in vergleichbarer Position wie ein unbeteiligter Dritter.

(2.2) Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, Inhaber des Anspruchs aus Gefährdungshaftung könne nicht derjenige sein, der die Gefahr mitgeschaffen habe. Zwar ist dieser Grundsatz zutreffend und in der Rechtsprechung ist ihm bereits verschiedentlich Rechnung getragen worden (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 1976 - III ZR 150/73 - NJW 1976, 1686, 1687 zu § 22 WHG; OLG Köln, VersR 2000, 861 zu § 833 BGB; Nachweise aus der Literatur bei Filthaut, HPflG, aaO, § 1 Rn. 147). Er hat auch in § 8 Nr. 2 StVG als Ausfluß eines allgemeinen Rechtsgedankens Niederschlag gefunden (vgl. Senatsurteil vom 23. Oktober 1990 - VI ZR 329/89 - VersR 1991, 341 f.; ferner: Geigel/Kunschert, aaO, Kap. 25 Rn. 284; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 17 StVG, Rn. 3; Wussow/Baur, aaO, Kap. 17 Rn. 95; Römer, ZfS 2002, 313, 327 m.w.N.).

Der genannte Grundsatz trifft auf die vorliegende Fallkonstellation indes nicht zu. Hier ist den verschiedenen Betriebsunternehmern durch die Aufspaltung der Betriebsbereiche ein jeweils eigenständiger Gefahrenkreis zugeordnet, für den jeder auch im Verhältnis der Betriebsunternehmer untereinander eigenständig die Verantwortung trägt. Bei der Schädigung unbeteiligter Dritter kann zwar regelmäßig auf die von den verschiedenen Betriebsunternehmern gemeinsam geschaffene Gefahr abgestellt und deshalb eine gesamtschuldnerische Haftung sämtlicher beteiligter Betriebsunternehmer gegenüber dem Dritten bejaht werden. Für die Haftung der Betriebsunternehmer untereinander behalten aber die von ihnen eigenständig zu verantwortenden aus dem Bahnbetrieb herrührenden Gefahren, die sich in einem Unfallereignis verwirklichen, ihre eigenständige Bedeutung. Der geschädigte Betriebsunternehmer hat in Fällen wie dem Streitfall, soweit es um die Haftung der Betriebsunternehmer untereinander geht, die Gefahr, die sich in dem Schadensfall verwirklicht hat, gerade nicht gemeinsam mit dem Schädiger geschaffen. Der vorliegende Schaden konnte zwar nur dadurch entstehen, daß der Triebwagen der Klägerin auf den auf den Schienen der Beklagten liegenden Stein auffuhr. In Anbetracht der Trennung der Verantwortungs- und Risikobereiche ist im Verhältnis der Betriebsunternehmer untereinander die Versperrung des Fahrwegs aber allein dem Risikobereich der Beklagten zuzurechnen. In den Risikobereich der Klägerin fällt hingegen allein das Fahren des Zuges, dessen Betriebsgefahr sich die Klägerin in Höhe eines Drittels des Schadens anrechnen läßt.

4. Das Berufungsgericht hat zu Recht einen Ausschluß der Haftung wegen höherer Gewalt verneint. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ist höhere Gewalt i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 1 HPflG ein "betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste, nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunternehmen in Kauf zu nehmen ist" (Senatsurteile vom 15. November 1966 - VI ZR 280/64 - VersR 1967, 138, 139; vom 15. März 1988 - VI ZR 115/87 - 1988, 910; BGH BGHZ 7, 338, 339; RGZ 171, 104, 105 f. m.w.N. und RG JW 1918, 176). Das Berufungsgericht hat von der Revision unbeanstandet festgestellt, daß es weder außergewöhnlich noch unabwendbar ist, daß sich aus einer steilen Felswand durch Witterungseinflüsse und infolge des Durchdringens mit Baumwurzeln Felsbrocken ablösen und so auf die Schienentrasse gelangen können.

5. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Berücksichtigung der von der Klägerin selbst angenommenen Mithaftungsquote von einem Drittel sowie zur Höhe des Anspruchs und des ausgeurteilten Betrages werden von der Revision hingenommen und sind nicht zu beanstanden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

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