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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 24.03.2009
Aktenzeichen: VI ZR 79/08
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1353 Abs. 1 | |
BGB § 1359 |
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 17. Februar 2009
durch
die Vizepräsidentin Dr. Müller,
den Richter Wellner,
die Richterin Diederichsen und
die Richter Pauge und Stöhr
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 27. Februar 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von dem Beklagten im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs die Freistellung von Schadensersatzansprüchen, die der Ehefrau des Beklagten gegen ihn nach einem Bootsunfall zugesprochen worden sind.
Am 10. August 2001 waren der Beklagte und seine Ehefrau mit dem Kläger in dessen Motorboot zum abwechselnden Wasserskifahren auf den Gardasee ausgefahren. Zum Zeitpunkt des Unfalls fuhr die Ehefrau hinter dem vom Beklagten gesteuerten Boot Wasserski. Als sie ihre Wasserskifahrt beenden wollte und auf das Motorboot zuschwamm, drückte der Beklagte nach einem Warnschrei des Klägers die beiden Gashebel nach vorne. Da sich - ohne sein Wissen - beide Getriebehebel in Rückwärtsposition befanden, fuhr das Boot nicht wie beabsichtigt nach vorne, sondern nach hinten. Dadurch geriet seine Ehefrau in die Schraube des Bootes und verletzte sich schwer.
Der Beklagte hat selbst ein Motorboot, das über zwei Hebel gesteuert wird, wobei das Boot bei Vorwärtsstellung der Hebel nach vorne fährt und in Rückwärtsstellung der Hebel nach hinten. Das Motorboot des Klägers wird dagegen über vier Hebel bedient. Die beiden größeren Hebel lassen sich nur nach vorne bewegen und sind mit dem Gaspedal im Auto vergleichbar. Die beiden kleineren Hebel in der Mitte stellen das Getriebe dar. Sind diese Hebel nach vorne geschoben, fährt das Boot vorwärts, befinden sie sich in rückwärtiger Stellung, fährt das Boot rückwärts. In der Mitte befindet sich der Leerlauf. Zum Zeitpunkt des Unfalls befanden sich die Getriebehebel etwa in der Mitte; der Leerlauf war jedoch nicht eingerastet, so dass noch der Rückwärtsgang eingestellt war.
Das Betreiben von Wasserski in Binnengewässern ist in Italien durch Ministerialerlass Nr. 550 vom 20. Juli 1994 geregelt.
Der Kläger wurde durch rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts München wegen Verletzung der ihm als Eigentümer und Begleitperson beim Wasserskifahren obliegenden Verkehrssicherungspflicht zum Schadensersatz an die Ehefrau des Beklagten verurteilt. Im jetzigen Verfahren begehrt er, ihn zu 80 % von den Schadensersatzansprüchen der Ehefrau des Beklagten und der Sozialversicherungsträger freizustellen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil u.a. in OLGR Nürnberg 2008, 403 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, das Freistellungsbegehren des Klägers sei nicht begründet, weil eine gesamtschuldnerische Haftung der Parteien im Sinne der §§ 421, 426, 840 BGB nicht vorliege. Zwar stehe die Haftung des Klägers gegenüber der Geschädigten aufgrund des Urteils des Oberlandesgerichts München fest. Der Beklagte hafte aber als Ehemann der Geschädigten wegen §§ 1359, 277 BGB nicht für sein objektiv vorliegendes Fehlverhalten, so dass zwischen ihm und dem Kläger kein Gesamtschuldverhältnis bestehe. Daher seien auch die Grundsätze des "gestörten Gesamtschuldnerausgleichs" nicht anzuwenden.
Bei gemeinsamer sportlicher Betätigung als Teil der ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB) bestimme sich der wechselseitige Haftungsmaßstab nach § 1359 BGB. Es liege kein Unfall im Straßenverkehr vor, bei dem dieser Haftungsmaßstab nicht gelte, sondern ein Unfall bei der gemeinsamen Freizeitgestaltung. Das in dem Ministerialerlass Nr. 550 niedergelegte Gebot, "alle erforderlichen Vorkehrungen zur Vermeidung von Unfällen in den genutzten Bereichen zu treffen", sei recht allgemein gehalten und mit den Detailregelungen des Straßenverkehrs nicht vergleichbar, die für einen individuellen Sorgfaltsmaßstab keinen Raum ließen.
Im Streitfall hafte der Beklagte nach dem Sorgfaltsmaßstab der §§ 1359, 277 BGB nicht. Es handle sich um ein Augenblicksversagen, weil der sehr späte Warnschrei des Klägers eine Schreckreaktion des Beklagten verursacht und dieser wegen der Bauweise des Bootes den Hebel falsch umgelegt habe. Im vorliegenden Fall stehe nicht ein kurzzeitiges "nicht Aufpassen" des Beklagten, sondern das unheilvolle Zusammenwirken einer ganzen Reihe von Umständen im Vordergrund, welches die persönliche Schuld des Beklagten in einem milderen Licht erscheinen lasse.
II.
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann der mildere Sorgfaltsmaßstab des § 1359 BGB im Streitfall keine Anwendung finden. Nach dieser Vorschrift haben die Ehegatten (für eingetragene Lebenspartner vgl. § 4 LPartG) bei Erfüllung der sich aus dem ehelichen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, die sie in eigene Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Zwar betrifft dieser Haftungsmaßstab anders als im ursprünglichen Gesetzentwurf nicht nur Verpflichtungen, die mit dem ehelichen Güterrecht oder der Schlüsselgewalt zusammenhängen, sondern alle Verpflichtungen, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben (zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift vgl. BGHZ 53, 352, 353) . Gleichwohl handelt es sich gegenüber dem allgemeinen Haftungsmaßstab des § 276 BGB um eine Ausnahmevorschrift, die schon nach allgemeinen Grundsätzen eng auszulegen ist.
Zudem entspricht es für Schadensfälle aus dem Straßenverkehr der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass sich ein Kraftfahrer, der unter Verstoß gegen die Verkehrsvorschriften seinen Ehegatten an der Gesundheit oder im Eigentum schädigt, nicht auf den Sorgfaltsmaßstab des § 1359 BGB wie in eigenen Angelegenheiten berufen, also nicht geltend machen kann, dass er gewöhnlich in dieser Weise zu fahren bzw. Verkehrsvorschriften zu missachten pflege (BGHZ 53, 352, 355 f. ; 61, 101, 104 f. ; 63, 51, 57 f. ). Schon zuvor hatte der erkennende Senat zu dem zwischen Gesellschaftern geltenden und ebenfalls auf die Sorgfalt wie in eigenen Angelegenheiten beschränkten Haftungsmaßstab des § 708 BGB ausgeführt, dass dieser für das Straßenverkehrsrecht allgemein ungeeignet sei, weil dieses Gebiet keinen Spielraum für individuelle Sorgfalt erlaube und die Gesellschafter sich deshalb als Fahrgäste eines Mitgesellschafters nicht mit geringerer Sorgfalt behandeln lassen müssten, als dies nach dem allgemein gültigen objektiven Maßstab erforderlich wäre (BGHZ 46, 313, 317 f.) .
Diese Erwägungen gelten auch im Streitfall, in dem ebenfalls ein Unfall mit einem motorgetriebenen Fahrzeug von vergleichbarer Gefährlichkeit, dessen Betrieb eine Lizenz erfordert, geschehen ist. Der Ministerialerlass Nr. 550 vom 20. Juli 1994 enthält entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hinreichend detaillierte Regelungen, die den Schutz der Wasserskiläufer und unbeteiligter Dritter bezwecken und keinen Raum für einen individuellen Sorgfaltsmaßstab lassen. Insbesondere ist in Art. 1 des Erlasses detailliert geregelt, unter welchen Bedingungen das Betreiben von Wasserski in Binnengewässern tagsüber bei günstigen Witterungsbedingungen gestattet ist und welcher Abstand dabei zum Wasserskifahrer und anderen Wasserfahrzeugen einzuhalten ist.
Auch wenn es sich um die gemeinsame Ausübung von Freizeitsport im Rahmen der ehelichen Lebensgestaltung handelte, kommt mithin im Streitfall eine Haftungsmilderung nach § 1359 BGB nicht in Betracht. Demgemäß ist die Verantwortlichkeit des Beklagten nach dem strengeren Haftungsmaßstab des § 276 BGB zu beurteilen mit der Folge, dass eine Mithaftung des Beklagten neben dem bereits rechtskräftig verurteilten Kläger besteht.
2.
Nach allem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die notwendigen Feststellungen zum jeweiligen Haftungsanteil der Parteien treffen und die bisher offen gelassene Prüfung nachholen kann, ob Verjährung eingetreten ist.
Ende der Entscheidung
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