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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.10.2009
Aktenzeichen: VII ZB 1/09
Rechtsgebiete: ZPO, EGGVG, SGG, FGO
Vorschriften:
ZPO § 850 Abs. 2 | |
ZPO § 850e | |
EGGVG § 28 Abs. 1 | |
VwGO § 113 Abs. 1 | |
SGG § 131 Abs. 1 | |
FGO § 100 Abs. 1 |
b) Zur Frage, ob Arbeitnehmerbeiträge zur Pflichtversicherung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder zum pfändbaren Arbeitseinkommen zu rechnen sind.
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 15. Oktober 2009
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka,
den Richter Dr. Kuffer,
den Richter Bauner,
die Richterin Safari Chabestari und
den Richter Dr. Eick
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 16. Dezember 2008 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 13. Juni 2007 als unzulässig verworfen wird.
Die Schuldnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
I.
Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus einem Teilanerkenntnisurteil. Die Schuldnerin ist als Angestellte im öffentlichen Dienst bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) pflichtversichert. Von ihrem Bruttoeinkommen werden u.a. monatliche Beiträge zur VBL in Abzug gebracht. Bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens hat die Drittschuldnerin diese Beträge dem monatlichen Nettoeinkommen hinzugerechnet.
Die hiergegen gerichtete Erinnerung der Schuldnerin und deren Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung hat das Amtsgericht zurückgewiesen.
Dagegen hat die Schuldnerin sofortige Beschwerde eingelegt. Nach Einlegung der sofortigen Beschwerde ist die gesamte Forderung ausgeglichen worden. Die Schuldnerin hat es abgelehnt, die sofortige Beschwerde für erledigt zu erklären. Die Forderung sei nur deswegen ausgeglichen worden, weil ihrem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht stattgegeben worden sei. Es sei nach wie vor für sie von Bedeutung, ob die Drittschuldnerin zum Ausgleich der überhöhten Pfändungsbeträge verpflichtet sei.
Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Schuldnerin die Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und die Feststellung, dass bei der Berechnung des pfändbaren Betrags der Arbeitnehmerbeitrag zur VBL-Pflichtversicherung den Nettobezügen der Schuldnerin nicht hinzuzurechnen ist.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, § 575 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist im Ergebnis unbegründet.
1.
Das Beschwerdegericht lässt es dahinstehen, ob die Schuldnerin ihre Beschwerde nach Ausgleich der gesamten Forderung weiterverfolgen könne oder die Hauptsache für erledigt hätte erklären müssen. Denn die Erinnerung sei zu Recht zurückgewiesen worden.
Zum Arbeitseinkommen im Sinne von § 850 Abs. 2 ZPO gehöre das laufende Arbeitsentgelt, nicht aber die Arbeitgeberleistungen zur betrieblichen Altersversorgung. Die Arbeitnehmerbeiträge zur VBL-Pflichtversicherung seien dem pfändbaren Einkommen zuzurechnen und könnten weder in direkter noch in analoger Anwendung des § 850 e Nr. 1 ZPO unberücksichtigt bleiben. Nicht entscheidend sei, dass es sich um Pflichtbeiträge handele, denen sich die Schuldnerin nicht entziehen könne, weil ihr als vermögenswerte Gegenleistung eine Versorgungsanwartschaft zufließe.
2.
Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde ist nach Ausgleich aller Gläubigerforderungen unzulässig geworden, denn das Rechtsschutzbedürfnis der Schuldnerin ist dadurch entfallen.
a)
Mit dem Ausgleich aller Gläubigerforderungen ist die Zwangsvollstreckung beendet. Nach Beendigung der Zwangsvollstreckung entfällt das Rechtschutzbedürfnis des Schuldners für eine sofortige Beschwerde, die sich gegen einen Beschluss richtet, mit dem Maßnahmen der Zwangsvollstreckung aufrechterhalten werden. Denn der Schuldner kann nach Beendigung der Zwangsvollstreckung das mit der sofortigen Beschwerde verfolgte Ziel, die Zwangsvollstreckung zu verhindern, nicht mehr erreichen. Eine bereits vollzogene Maßnahme kann nicht mehr aufgehoben werden. Sie müsste vielmehr rückgängig gemacht werden, was mit der sofortigen Beschwerde nicht durchgesetzt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2004 - IXa ZB 324/03, MDR 2005, 648). Der Schuldner hat die Möglichkeit, die sofortige Beschwerde für erledigt zu erklären (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 567 Rdn. 12 m.w.N.).
b)
Der bereits in der Instanz sinngemäß gestellte Antrag, die Rechtswidrigkeit der Vollstreckung festzustellen, ist im Ergebnis ebenfalls zu Recht zurückgewiesen worden. Denn dieser Antrag war unzulässig. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer bereits beendeten hoheitlichen Maßnahme sieht die Zivilprozessordnung im Gegensatz zu anderen Verfahrensvorschriften (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 4 EGGVG, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO bzw. § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG und § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO) nicht vor. Besondere Umstände, die ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ausnahmsweise rechtfertigen könnten, sind nicht dargelegt. Der Umstand, dass die Schuldnerin meint, Ansprüche gegen die Drittschuldnerin erheben zu können, rechtfertigt das Feststellungsinteresse nicht. Sofern es darauf ankäme, könnte in dem Verfahren gegen die Drittschuldnerin die Rechtmäßigkeit der Pfändung überprüft werden. Die Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Schuldnerin war auch nicht mit einem tiefgreifenden Grundrechtseingriff verbunden (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2004 - IXa ZB 324/03, a.a.O.).
3.
In der Sache selbst ist nicht zu entscheiden, da die Erinnerung unzulässig geworden ist. Der Senat weist jedoch auf Folgendes hin:
Entgegen der Meinung des LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 8. Oktober 2008, Az. 22 Sa 63/07, Tz. 23, 26, dokumentiert bei [...]; nicht rechtskräftig; gegen das Urteil wurde Revision zum Bundesarbeitsgericht eingelegt, Az. 10 AZR 866/08) ist nach Auffassung des Senats die Pfändbarkeit der VBL-Pflichtbeiträge bereits durch § 850 e Nr. 1 Satz 1 ZPO ausgeschlossen. Es handelt sich um Beiträge, die denjenigen gleichzustellen sind, die unmittelbar auf Grund sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Schuldners abzuführen sind. In dem Gesetzgebungsverfahren zur Änderung von Vorschriften über den Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen (Gesetz vom 22. April 1952, BGBl. I 1952, 247), das die Vorgängerregelung zu § 850 e Nr. 1 Satz 1 ZPO, nämlich § 7 Nr. 1 Satz 1 der Verordnung zur einheitlichen Regelung des Pfändungsschutzes für Arbeitseinkommen (Lohnpfändungsverordnung) vom 30. Oktober 1940 (RGBl. I S. 1451), zum Gegenstand hatte, hat der Bundesrat zu Art. 1 Ziff. 7 Nr. 1 a des Gesetzes beschlossen, dass nur die zur Weiterversicherung, nicht aber die zur freiwilligen Höherversicherung aufgewandten Beiträge bei der Berechnung des pfändungsfreien Arbeitseinkommens unberücksichtigt bleiben sollen (BR-Drucks. Nr. 662/51; 69. Sitzung vom 5. Oktober 1951, Sitzungsbericht S. 667, 668). Bei der zweiten und dritten Beratung im Deutschen Bundestag hat dieser darauf hingewiesen, dass durch § 7 Nr. 1 a des Gesetzes die Beiträge, die für die freiwillige Weiterversicherung in der Sozialversicherung geleistet würden, nunmehr für abzugsfähig erklärt würden (BT-Drucks. 2917; 201. Sitzung vom 26. März 1952, Stenographischer Bericht S. 8665).
Aus den Materialien lässt sich damit ableiten, dass im Gesetzgebungsverfahren die Abzugsfähigkeit von freiwilligen Beiträgen als problematisch angesehen wurde. Pflichtbeiträge, wie sie auch seiner Zeit schon an die Zusatzversorgungskasse zu zahlen waren, wurden in diesem Zusammenhang nicht erörtert. Dies kann sich nur in der Weise erklären, dass der Gesetzgeber von vornherein davon ausgegangen ist, dass für diese Beiträge bereits eine Regelung, und zwar durch § 850 e Nr. 1 Satz 1 ZPO, getroffen worden ist.
Es ist auch sachgerecht, die Pflichtbeiträge des Arbeitnehmers zu der VBL denjenigen Beiträgen gleichzustellen, die unmittelbar auf Grund sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Schuldners abzuführen sind. Zwar handelt es sich insoweit nicht um eine gesetzlich, sondern um eine tarifvertraglich statuierte Verpflichtung des Schuldners. Dieser kann sich jedoch wie bei einer gesetzlichen Beitragsverpflichtung auf Grund einer sozialrechtlichen Vorschrift der Abführung der Beiträge nicht entziehen, so dass ihm in der Höhe der Pflichtbeiträge zur VBL sein Nettoverdienst nicht zur Verfügung steht.
Auch der Zweck der Zusatzversorgung, die Versorgungsbezüge der im öffentlichen Dienst angestellten Arbeitnehmer entsprechend der Versorgung der Beamten auszugestalten (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 1988 - IV ZR 154/87, BGHZ 103, 370, 371 ff.), erfordert die Gleichstellung der Pflichtbeiträge mit denjenigen Beiträgen, die unmittelbar auf Grund sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Schuldners abzuführen sind.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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