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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.02.2007
Aktenzeichen: VII ZB 101/06
Rechtsgebiete: RVG VV, ZPO


Vorschriften:

RVG VV Nr. 3104
ZPO § 278
1) Wird über einen rechtshängigen Anspruch ein schriftlicher Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen, entsteht für die Prozessbevollmächtigten auch eine Terminsgebühr (Bestätigung von BGH, Beschluss vom 3. Juli 2006 - II ZB 31/05, NJW-RR 2006, 1507).

2) Eine Einigung der Parteien in dem Vergleich, wonach eine Partei die Kosten des Rechtsstreits, nicht jedoch die Kosten des Vergleichs zu tragen hat, ist regelmäßig dahin auszulegen, dass die Terminsgebühr zu den Kosten des Rechtsstreits gehört.


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VII ZB 101/06

vom 22. Februar 2007

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka, Bauner und die Richterin Safari Chabestari

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 12. Oktober 2006 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Nach Durchführung eines schriftlichen Vorverfahrens und vor der bereits anberaumten Güteverhandlung stellte das Landgericht auf Antrag der Parteien mit Beschluss vom 12. Oktober 2005 gemäß § 278 Abs. 6 ZPO das Zustandekommen eines von ihnen ohne Mitwirkung des Gerichts ausgehandelten Vergleichs fest. In dessen Ziffer 3 ist bestimmt: "Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte mit Ausnahme der Kosten des Vergleichs. Diese werden gegeneinander aufgehoben."

Die Rechtspflegerin bei dem Landgericht hat dem Antrag der Klägerin entsprechend in dem Kostenfestsetzungsbeschluss neben der Verfahrensgebühr eine Terminsgebühr als erstattungsfähig festgesetzt.

Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Beklagte die Absetzung der Terminsgebühr.

II.

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht ist, gestützt auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 27. Oktober 2005 - III ZB 42/05, NJW 2006, 157 = Rpfleger 2006, 38 = JurBüro 2006, 73; Beschluss vom 3. Juli 2006 - II ZB 31/05, Rpfleger 2006, 624 = NJW-RR 2006, 1507), der Auffassung, in dem durch Abschluss des schriftlichen Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO beendeten Rechtsstreit sei den Prozessbevollmächtigten der Parteien neben einer Verfahrensgebühr und einer Einigungsgebühr auch eine Terminsgebühr erwachsen. Die von den Parteien vergleichsweise getroffene Kostenregelung sei dahin auszulegen, dass von den "Kosten des Vergleichs" nur die Einigungsgebühr erfasst sei. Denn diese Gebühr entstehe für die Mitwirkung beim Abschluss des Vergleichs, während die Terminsgebühr aufgrund der Vergleichsverhandlungen der Parteien, nicht aber aufgrund des Vergleichsabschlusses selbst entstanden sei.

2. Die Rechtsbeschwerde meint bezugnehmend auf nicht tragende Erwägungen des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs im Beschluss vom 30. März 2004 - VI ZB 81/03, NJW 2004, 2311 (vgl. auch Beschluss vom 30. Juni 2004, in Juris dokumentiert), die festgesetzte Terminsgebühr sei bereits nicht angefallen. Da der Vergleich vor dem Abschluss der Güteverhandlung geschlossen worden sei, sei der Rechtsstreit noch kein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung gewesen.

Eine eventuell angefallene Terminsgebühr würde im Übrigen von dem Begriff der "Kosten des Vergleichs" im Sinne der getroffenen Vergleichsregelung erfasst. Diese Kostenregelung ziele darauf ab, dass die Kosten, die durch die Einigung der Parteien ausgelöst worden seien, von der Kostenerstattungspflicht ausgenommen blieben. Zu diesen "Einigungskosten" gehöre im Falle des § 278 Abs. 6 ZPO auch die Terminsgebühr, wenn - wie hier - der Vergleich ohne mündliche Verhandlung geschlossen worden sei. Für diese Sichtweise spreche auch die Vorschrift des § 98 Satz 1 ZPO. Entsprechend der darin enthaltenen "Auslegungshilfe" sei in Fällen der vorliegenden Art im Zweifel davon auszugehen, dass die Parteien die nicht bereits durch das Verfahren als solches ausgelöste Terminsgebühr zu den Vergleichskosten und nicht zu den Verfahrenskosten gezählt und deshalb gegeneinander aufgehoben hätten, wenn sie die Regelungsbedürftigkeit dieses Punktes erkannt hätten. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass die Parteien bei Abschluss des Vergleichs in Anbetracht der zu diesem Zeitpunkt allein veröffentlichten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30. März 2004 nicht vom Entstehen einer Terminsgebühr hätten ausgehen können.

3. Das Beschwerdegericht hat das Rechtsmittel der Beklagten zu Recht zurückgewiesen.

a) Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 10. Juli 2006 (II ZB 28/05, FamRZ 2006, 1441) im Anschluss an die von dem Beschwerdegericht zitierten Entscheidungen vom 27. Oktober 2005 und 3. Juli 2006 entschieden, dass ein Rechtsanwalt die Terminsgebühr nach Nr. 3104 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (im Folgenden: RVG VV Nr. 3104) immer dann verdient, wenn ein schriftlicher Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen wird, unabhängig davon, ob dies im Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO oder § 495 a ZPO geschieht oder die Parteien in einem Verfahren, in dem zunächst die mündliche Verhandlung vorgesehen war, durch Abschluss eines schriftlichen Vergleichs auf die mündliche Verhandlung verzichten. Von dieser Rechtsprechung abzuweichen, besteht keine Veranlassung. Der Anfall der Terminsgebühr scheitert entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht daran, dass zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses noch die Durchführung einer Güteverhandlung vorgesehen war. Entscheidend ist gemäß RVG VV Nr. 3104 nicht, in welchem Stadium sich der Rechtsstreit bei Abschluss des Vergleichs befunden hat, sondern ob es sich um ein Verfahren handelt, für das eine mündliche Verhandlung vorgesehen ist.

b) Die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin erwachsene Terminsgebühr zählt zu den Kosten des Rechtsstreits und ist daher von der Beklagten aufgrund der Regelung im Vergleich zu erstatten.

aa) Welche Kosten die Parteien in dem Vergleich von der Kostentragungspflicht der Beklagten ausgenommen haben, ist durch Auslegung zu ermitteln. Ein Rückgriff auf § 98 ZPO scheidet im Hinblick auf die getroffene Kostenvereinbarung aus. Dies gilt auch, wenn entsprechend dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde die Parteien den Anfall der Terminsgebühr bei Abschluss des Vergleichs nicht bedacht haben sollten. Auch in diesem Fall hätten sie die Kostentragung abschließend geregelt und nicht etwa - wie dies § 98 ZPO voraussetzt - einen Gebührentatbestand ausgenommen.

bb) Das Landgericht hat die von den Parteien getroffene Vereinbarung, nach der die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits tragen sollte, rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, dass lediglich die durch den Abschluss des Vergleichs entstandenen Mehrkosten den hiervon ausgenommenen Kosten des Vergleichs unterfallen. Zu diesen Kosten gehört die unabhängig von dem Vergleichsabschluss angefallene Terminsgebühr nicht.

Die Terminsgebühr ersetzt nach dem Willen des Gesetzgebers sowohl die frühere Verhandlungs- als auch die frühere Erörterungsgebühr (BT-Drucks. 15/1971 S. 209). Sie entsteht auch bei einer auf Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts. Nach RVG VV Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 setzt der Gebührentatbestand nicht voraus, dass diese auf Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung erfolgreich ist (BGH, Beschluss vom 20. November 2006 - II ZB 9/06, in Juris dokumentiert). Die Terminsgebühr fällt also bei entsprechenden Verhandlungen der Parteien unabhängig von einem Vergleichsabschluss an.

Dieses Verständnis der Rechtslage nach dem RVG entspricht demjenigen auf der Grundlage der früheren Regelung der BRAGO. Zu den Kosten des Vergleichs zählte unter Geltung der BRAGO lediglich die Vergleichsgebühr. Die bei einer im Rahmen des Versuchs zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits erfolgten Erörterung der Sache angefallene Gebühr des § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO wurde, auch wenn die Erörterung zum Abschluss eines Vergleichs führte, nicht zu den Kosten des Vergleichs gerechnet. Mit der Ausweitung des Gebührentatbestandes der Terminsgebühr gegenüber der Erörterungsgebühr wollte der Gesetzgeber - auch im Interesse der Entlastung der Gerichte - die nach früherem Recht geübte Praxis vermeiden, einen von den Parteien bereits ausgehandelten Vergleich in einem gerichtlichen Verhandlungstermin erst nach "Erörterung der Sach- und Rechtslage" protokollieren zu lassen, um eine Erörterungsgebühr auszulösen (vgl. BT-Drucks. 15/1971 S. 209). Es entspricht daher auch der Intention des Gesetzgebers, für die Frage, welche Gebühren zu den Kosten des Vergleichs zählen, die Terminsgebühr gemäß RVG VV Nr. 3104 und die Erörterungsgebühr des § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO gleich zu behandeln.

Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen begegnet die Auslegung der im Vergleich enthaltenen Kostenregelung keinen Bedenken.

Ende der Entscheidung

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