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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.11.1998
Aktenzeichen: VII ZB 16/98
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 418 Abs. 2
ZPO § 234 Abs. 2 ZPO
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VII ZB 16/98

vom

19. November 1998

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. Haß, Hausmann, Dr. Wiebel und Dr. Kuffer

am 19. November 1998

beschlossen:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den berichtigten Beschluß des 15. Zivilsenats des Kammergerichts vom 17. Februar 1998 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 20.148,01 DM

Gründe:

I.

Die Beklagte wurde durch Urteil vom 23. Mai 1997 zur Zahlung restlichen Werklohns verurteilt. Gegen das ihrem Prozeßbevollmächtigten am 14. Juli 1997 zugestellte Urteil hat sie mit Schriftsatz vom 14. August 1997 Berufung eingelegt. Die Berufung trägt den Stempelaufdruck des Berufungsgerichts "Eing. 15.08.97 0-08".

Mit Verfügung vom 18. August 1997, dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten am 25. August 1997 zugestellt, wurde die Beklagte darauf hingewiesen, daß die Berufung am 15. August 1997, "also möglicherweise nicht rechtzeitig", eingelegt worden sei. Den Eingang dieser Verfügung bestätigte der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten erst am 19. September 1997 nach einer am 5. September 1997 zugegangenen Anfrage des Gerichts.

Die Beklagte behauptet, die Berufung sei am 14. August 1997 bei Gericht eingegangen. Ihr Prozeßbevollmächtigter habe seine Sekretärin Petra G. beauftragt, die Berufungsschrift am 14. August 1997 mit einem Taxi zum Kammergericht zu bringen und in den Nachtbriefkasten zu werfen. Dies sei weisungsgemäß um 20.15 Uhr geschehen. Zur Glaubhaftmachung hat die Beklagte vorgelegt: eidesstattliche Versicherungen von Angestellten ihres Prozeßbevollmächtigten, eine Abrechnung der Sekretärin Petra G. über die Taxikosten, nicht näher spezifizierte Taxiquittung, die am 14. August 1997 um 22.25 Uhr ausgestellt ist, Fristenkalender und Postausgangsbuch. Letzteres enthält den Vermerk "per Boten Peti".

Der Eintrag im Posteingangsbuch des Gerichts sei möglicherweise fehlerhaft. Der Nachtbriefkasten arbeite nicht ordnungsgemäß. Für letzteres hat die Beklagte die Vernehmung der Präsidenten des Amtsgerichts Neukölln und des Kammergerichts sowie die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt.

Das Berufungsgericht hat eine dienstliche Stellungnahme des Leiters der Briefannahmestelle sowie der am 15. August 1997 zuständigen Beamten eingeholt.

Mit Beschluß vom 17. Februar 1998 hat das Kammergericht die Berufung der Beklagten und den vorsorglich am 2. Oktober 1997 eingelegten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig verworfen. Der Beschluß wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten am 19. Mai 1998 nach erfolgloser Zustellung gegen Empfangsbekenntnis gegen Postzustellungsurkunde zugestellt. Gegen den Beschluß hat die Beklagte fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt, diese jedoch trotz Ankündigung nicht begründet.

II.

Das Berufungsgericht ist zu der Überzeugung gelangt, ein Eingang der Berufungsschrift am 14. August 1997 sei "mit Gewißheit auszuschließen". Die Überzeugung fuße auf den dienstlichen Äußerungen des Leiters der Briefannahmestelle und der zuständigen Dienstkräfte. Demnach sei es zu einer Funktionsstörung des Nachtbriefkastens noch nicht gekommen, auch sei auszuschließen, daß etwa durch große Briefe Probleme mit der Klappe und Trennvorrichtung auftreten könnten. Sollte es zu einer Störung kommen, so würde das betreffende Schriftstück mit dem Datum des Vortages gestempelt. Diese Darstellung decke sich mit den Erkenntnissen, die der Senat durch eigene Anschauung im Zusammenhang eines anderen Verfahrens gemacht habe. Der Vorgang der Erfassung des Eingangs von in den Nachtbriefkasten eingeworfenen Briefen sei von der technischen Seite wie auch von der Handhabung durch Mitarbeiter der Briefannahmestelle so gestaltet, daß es jedenfalls zu unbemerkt bleibenden Fehlfunktionen nicht kommen könne. Die dem Senat seit langem als ausgesprochen zuverlässig bekannten Dienstkräfte hätten angegeben, daß es bisher zu keiner Fehlfunktion gekommen sei und sich am Morgen des 15. August keine Besonderheiten ergeben hätten.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung vom 2. Oktober 1997 sei ebenfalls verspätet. Bereits in der am 25. August 1997 zugestellten Mitteilung vom 18. August 1997 sei der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten darüber unterrichtet worden, daß die Berufung möglicherweise nicht rechtzeitig eingelegt worden sei. Auch wenn eine Fristversäumung nach dieser Mitteilung mit einem Fehlverhalten der Bürovorsteherin des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten entschuldigt werde, habe der Senat durchgreifende Zweifel, daß die Fristüberwachung im vorliegend interessierenden Zeitpunkt den gebotenen Anforderungen in personeller und organisatorischer Hinsicht entsprochen habe. Denn spätestens bei der am 5. September dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten zugegangenen Anfrage hätte bei entsprechender Organisation der Fristablauf erkannt werden müssen.

III.

Die zulässige sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Berufung und den Antrag auf Wiedereinsetzung nach Versäumung der Berufungsfrist zu Recht als unzulässig verworfen.

1. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung gelangt, die Beklagte habe den ihr gemäß § 418 Abs. 2 ZPO obliegenden Gegenbeweis nicht geführt, daß die Berufung entgegen dem durch Eingangsstempel bewiesenen Eingangsdatum vom 15. August 1997 fristgerecht am 14. August 1997 eingegangen ist (zu den Anforderungen vgl. zuletzt Senatsbeschluß vom 30. Oktober 1997 - VII ZB 19/97 = MDR 1998, 57 = NJW 1998, 491 = EBE 1997, 394 m.w.Nachw.). Das Berufungsgericht hat sich verfahrensfehlerfrei im Wege des Freibeweises mit den zur Rechtzeitigkeit der Berufung vorgetragenen Gründen umfassend und widerspruchsfrei befaßt. Die Würdigung der eidesstattlichen Versicherungen, der vorgelegten Urkunden und der dienstlichen Äußerungen ist vollständig und rechtlich möglich, sie verstößt nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze. Im Rahmen des Freibeweisverfahrens bedurfte es nicht des beantragten Zeugnisses der Präsidenten des Amtsgerichts Neukölln und des Kammergerichts sowie der Einholung eines Sachverständigengutachtens, weil die unmittelbar befaßten Amtspersonen eine dienstliche Stellungnahme abgegeben haben und das Berufungsgericht sich durch eigene Anschauung sachkundig gemacht hat.

2. Das Berufungsgericht hat zu Recht auch den Antrag auf Wiedereinsetzung als verspätet verworfen.

Die zweiwöchige Frist zur Stellung des Antrags auf Wiedereinsetzung beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis rechtzeitiger Prozeßhandlung behoben ist (§ 234 Abs. 2 ZPO). Das ist hier, wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, der 5. September 1997. An diesem Tag hätte der Proveßbevollmächtigte der Beklagten aufgrund des Hinweises des Gerichts bei der gebotenen Sorgfalt (vgl. hierzu BGH, Beschluß vom 25. Mai 1994 - XII ZB 31/94 = VersR 1995, 112) erkennen müssen, daß die Berufungsschrift verspätet eingegangen ist. Der Antrag auf Wiedereinsetzung vom 2. Oktober 1997 ist daher verspätet.



Ende der Entscheidung

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