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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 25.10.2006
Aktenzeichen: VII ZB 29/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 829 | |
ZPO § 857 | |
BGB § 1066 | |
BGB § 743 | |
BGB § 745 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 25. Oktober 2006
in der Zwangsvollstreckungssache
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Oktober 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Hausmann, Dr. Kuffer, Bauner und die Richterin Safari Chabestari
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Landshut vom 13. Februar 2006 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 4.800 €
Gründe:
I.
Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung. Sie hat einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt, mit dem der angeblich für den Schuldner an dem Grundstück seiner Ehefrau eingetragene Nießbrauch gepfändet und ihr die Befugnis zur Ausübung der aus dem Nießbrauch folgenden Rechte übertragen wurde.
Bei dem Grundstück handelt es sich um ein Hausanwesen, das der Schuldner zusammen mit seiner Ehefrau und zwei Kindern bewohnt. Alleineigentümerin des Grundstücks ist die Ehefrau des Schuldners. Der Nießbrauch besteht an einem hälftigen ideellen Grundstücksteil.
Am 31. März 2004 hat die Gläubigerin eine andere Verwertung des Nießbrauchsrechts durch Anordnung der Verwaltung beantragt. Diesen Antrag hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - abgelehnt. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat das Landgericht als unbegründet zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Gläubigerin weiterhin die Anordnung der Verwaltung zur Verwertung des Nießbrauchs am Eigentum der Drittschuldnerin.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Landgericht führt aus, das Amtsgericht habe die Verwertung des Nießbrauchsrechts durch Anordnung der Zwangsverwaltung zu Recht abgelehnt. Die von dem Schuldner unbestritten vorgetragene Ausstattung des Wohnhauses lasse eine Verteilung der Räumlichkeiten in der Art, dass zwei fremde Parteien gleichzeitig darin wohnen könnten, nicht zu. Unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit komme die Anordnung der Zwangsverwaltung nicht in Betracht, da die Gläubigerin daraus keinen Nutzen zu erwarten habe.
2. Die Rechtsbeschwerde ist der Auffassung, die Anordnung der Verwaltung des hälftigen Miteigentumsanteils zur Ausübung des Nießbrauchs verletze nicht das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Das Vollstreckungsgericht sei für die Frage, welche Ansprüche der Nießbraucher gegen den Alleineigentümer im Rahmen einer zwischen ihnen bestehenden Nutzungs- und Verwaltungsgemeinschaft nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch oder anderen Gesetzen habe, nicht zuständig. Es könne deshalb bei der Anordnung der Verwaltung auch nicht prüfen, welche Maßnahmen der Verwaltung möglich und zulässig seien.
3. Das Beschwerdegericht hat im Ergebnis zu Recht die Anordnung der Verwaltung abgelehnt.
a) Die Rechtsbeschwerde stellt richtig dar, dass der Pfändungsgläubiger des Nießbrauchs vom Schuldner (Nießbraucher) nicht die Herausgabe der dem Nießbrauch unterworfenen und von ihm selbst genutzten Sache verlangen kann. Die Vorschrift des § 1065 BGB ist auf die Rechtsbeziehungen zwischen dem Nießbraucher und demjenigen, der die Ausübung des Nießbrauchs gepfändet hat, nicht anwendbar (BGH, Urteil vom 12. Januar 2006 - IX ZR 131/04, NJW 2006, 1124, 1126).
b) Eine Besitzverschaffung ist lediglich durch Anordnung der Verwaltung gemäß § 857 Abs. 4 ZPO in Anlehnung an die Vorschriften der Zwangsverwaltung gemäß §§ 146 ff. ZVG möglich. Eine solche Anordnung zum Zwecke der Verwertung des Nießbrauchs kommt derzeit nicht in Betracht.
aa) Mit der im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss überwiesenen Befugnis zur Ausübung der aus dem Nießbrauch folgenden Rechte tritt der Gläubiger insoweit in die Rechtstellung des Schuldners ein. Es geht um einen Bruchteilsnießbrauch, da der gepfändete Nießbrauch des Schuldners auf einem ideellen hälftigen Bruchteil des Grundstücks lastet, das in ungeteiltem Eigentum seiner Ehefrau steht. In diesem Fall besteht zwischen dem Nießbraucher und dem Alleineigentümer eine Nutzungs- und Verwaltungsgemeinschaft, auf die §§ 741 ff. BGB entsprechend anwendbar sind. Auch die Regelung in § 1066 Abs. 1 BGB gilt entsprechend. Im Rahmen dieser Nutzungs- und Verwaltungsgemeinschaft übt nach der Pfändung des Nießbrauchs der Gläubiger die dem Nießbraucher zustehenden Rechte und Befugnisse aus.
Gemäß § 743 Abs. 2 BGB ist jeder Teilhaber zum Gebrauch des gemeinschaftlichen Gegenstandes insoweit befugt, als nicht der Mitgebrauch der übrigen Teilhaber beeinträchtigt wird. Nach § 745 Abs. 1 BGB kann durch Mehrheitsbeschluss eine ordnungsgemäße Verwaltung und Benutzung beschlossen werden.
bb) Der Schuldner und seine Ehefrau nutzen nach den getroffenen Feststellungen das auf dem Grundstück befindliche Haus gemeinsam als Ehewohnung. Sie haben damit stillschweigend eine Vereinbarung über die Nutzung des Grundstücks im Sinne des § 745 Abs. 1 BGB getroffen. Diesen dem Schuldner vereinbarungsgemäß zukommenden Gebrauch des Grundstücks kann die Gläubigerin in Ausübung der aus der Pfändung folgenden Befugnisse nicht ohne Beeinträchtigung der Ehefrau des Schuldners fortsetzen. Eine Einweisung in den Besitz, wie er dem Schuldner eingeräumt wurde, kommt daher im Rahmen der Verwaltung nicht in Betracht.
cc) Nach § 745 Abs. 2 BGB kann jeder Teilhaber, sofern nicht die Benutzung durch Vereinbarung oder Mehrheitsbeschluss geregelt ist, eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Benutzung verlangen und notfalls gerichtlich durchsetzen. Dem Fehlen einer Vereinbarung oder eines Mehrheitsbeschlusses über die Benutzung steht es gleich, wenn - wie hier - nach erfolgter Regelung des Gebrauchs tatsächliche Veränderungen eintreten, die ein Festhalten an der bisherigen Verwaltungsvereinbarung unerträglich erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 4. Februar 1982 - IX ZR 88/80, NJW 1982, 1753, 1754). In einem solchen Fall ist jeder Teilhaber berechtigt, eine Änderung der bisherigen Verwaltungsregelung zu fordern (BGH, Urteil vom 16. März 1961 - II ZR 190/59, BGHZ 34, 367, 370; MünchKommBGB/Schmidt, 4. Aufl., §§ 744, 745, Rdn. 35; Erman/Aderhold, BGB, 11. Aufl., § 745, Rdn. 6; BGB-RGRK/v. Gamm, 12. Aufl., § 746, Rdn. 12; Staudinger/Langhein (2002), § 745, Rdn. 50). Kommt der andere Teil diesem Verlangen nicht nach, kann Klage auf Neuregelung der Benutzung erhoben werden. Diese Klage ist auf Zustimmung zu einer bestimmt zu bezeichnenden Art der Benutzung zu richten (BGH, Urteil vom 16. März 1961 - II ZR 190/59, aaO). Über sie entscheidet das Prozessgericht.
dd) Nach Pfändung des Nießbrauchs steht dem Gläubiger dieser Weg offen, über eine Leistungsklage eine andere Art der ordnungsgemäßen Nutzung des Grundstücks zu erreichen, wenn diese der Billigkeit entspricht und sich im Rahmen des § 743 Abs. 2 BGB hält. Solange eine solche auch für die Ehefrau des Schuldners verbindliche Entscheidung nicht vorliegt, kann das Vollstreckungsgericht die Verwaltung zur Verwertung des Nießbrauchs im Sinne des § 857 Abs. 4 ZPO nicht anordnen, die sich grundsätzlich an §§ 146 ff ZVG auszurichten hätte.
Ende der Entscheidung
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