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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 28.09.2006
Aktenzeichen: VII ZB 32/06
Rechtsgebiete: BRAGO
Vorschriften:
BRAGO § 13 Abs. 2 |
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 28. September 2006
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. September 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Hausmann, Dr. Wiebel, Bauner und die Richterin Safari Chabestari beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 2. Dezember 2005 aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ratingen vom 14. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittel.
Wert: 784,40 €.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Kostenfestsetzung weiterer Rechtsanwaltsgebühren.
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft nach belgischem Recht, die ihren Hauptsitz in Brüssel hat und in Deutschland lediglich über eine Niederlassung verfügt. Das Amtsgericht hat ihrer auf Zahlung von 4735,90 € gerichteten Klage mit Urteil vom 23. Juli 2003 zum überwiegenden Teil stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte fristgerecht am 25. August 2003 Berufung zum Landgericht eingelegt. Mit Verfügung vom 13. Juli 2004 hat der Vorsitzende der Berufungskammer die Beklagte darauf hingewiesen, dass gemäß § 119 Abs.1 Nr. 1a (gemeint war Nr. 1b) GVG für die Durchführung des Berufungsverfahrens das Oberlandesgericht zuständig sein könne. Die Beklagte hat daraufhin am 19. Juli 2004 auch beim Oberlandesgericht Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil eingelegt, verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Mit Urteil vom 25. August 2004 hat das Landgericht die Berufung der Beklagten auf ihre Kosten als unzulässig verworfen. Das Oberlandesgericht hat mit Urteil vom 14. April 2005 und Ergänzungsurteil vom 19. Mai 2005 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung ebenfalls kostenpflichtig als unzulässig verworfen.
Die Klägerin hat die Festsetzung einer Verfahrens- und einer Terminsgebühr für das Verfahren vor dem Landgericht sowie in Höhe von insgesamt 784,40 € für das Verfahren vor dem Oberlandesgericht beantragt. Das Amtsgericht hat den zweiten Antrag zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Beschwerdegericht den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und die beantragte Festsetzung vorgenommen.
Die Beklagte möchte mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde die Aufhebung des Beschlusses des Beschwerdegerichts und die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts erreichen.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Einlegung der Berufung beim Landgericht einerseits sowie der Antrag auf Wiedereinsetzung und die Einlegung der Berufung beim Oberlandesgericht andererseits würden sich nicht als dieselbe Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG darstellen. Die Beklagte habe das Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht D. nicht mit dem Willen fortgeführt, die Änderung des Urteils statt vor dem zunächst falsch angerufenen Landgericht D. vor dem Oberlandesgericht D. in einem einheitlichen Verfahren zu erreichen. Vielmehr habe sie beide Berufungen nebeneinander durchgeführt und es in beiden Verfahren zur Entscheidung kommen lassen. Damit aber lägen zwei Angelegenheiten im gebührenrechtlichen Sinne vor.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Gemäß § 61 Abs. 1 RVG ist nicht § 15 Abs. 2 RVG einschlägig, sondern der inhaltsgleiche § 13 Abs. 2 BRAGO. Der Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit (hierzu unter b) ist vor dem 1. Juli 2004 erteilt worden.
b) Für die Durchführung des Berufungsverfahrens vor dem Oberlandesgericht kann die Klägerin keine gesonderten Gebühren geltend machen. Bei der zunächst zum Landgericht und sodann zum Oberlandesgericht eingelegten Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts handelt es sich um dieselbe Angelegenheit im Sinne von § 13 Abs. 2 BRAGO.
aa) Gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 BRAGO kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Die Beurteilung richtet sich nach den jeweiligen Lebensverhältnissen im Einzelfall. Maßgebend ist insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags (BGH, Urteil vom 9. Februar 1995 - IX ZR 207/94, NJW 1995, 1431). Für das gerichtliche Verfahren wird der Be-griff der Angelegenheit durch § 13 Abs. 2 Satz 2 BRAGO konkretisiert. Danach gilt jeder Rechtszug als eine besondere Angelegenheit.
Nach einhelliger Auffassung liegt eine Angelegenheit auch dann vor, wenn gegen dasselbe Urteil vor Ablauf der Rechtsmittelfrist von einer Partei mehrere gleichartige Rechtsmittel bei demselben Gericht eingelegt werden, etwa weil Zweifel an der Zulässigkeit des zunächst eingelegten bestehen (vgl. OLG Frankfurt/M., MDR 1957, 305; OLG München, JurBüro 1978, 532; HansOLG Hamburg, MDR 1994, 948; Riedel/Sußbauer-Keller, BRAGO, 8. Aufl., § 38 Rdn. 45). Gleiches gilt regelmäßig dann, wenn das erste Rechtsmittel zurückgenommen worden ist, bevor dass zweite eingelegt wird (KG, JurBüro 1987, 541, 542 mwN), oder wenn das weitere Rechtsmittel zwar erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingelegt, jedoch mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbunden wird (vgl. KG, JurBüro 1989, 1542, 1543). Die Prozessbevollmächtigten der Parteien werden in diesen Fällen regelmäßig im Rahmen des ihnen erteilten einheitlichen Auftrags tätig.
bb) Der Umstand, dass im Streitfall die Berufungen bei verschiedenen Gerichten eingelegt worden sind und darüber entschieden worden ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung (vgl. KG JurBüro 1989, 1542, 1543 f.). Maßgeblich ist auch hier der einheitliche Auftrag der Partei an ihren Rechtsanwalt, das Urteil mit der Berufung anzugreifen. Dadurch dass der Rechtsanwalt des Berufungsklägers nicht von sich aus die Konsequenz aus der Unzulässigkeit der ersten Berufung zieht und sie zurücknimmt, sondern das Gericht entscheiden lässt, wird der Zusammenhang zwischen dem erteilten Auftrag und der späteren Berufung nicht unterbrochen. Das Geschäft, das der Rechtsanwalt für seinen Auftraggeber besorgen soll, wird dadurch nicht in zwei selbständige gebührenrechtliche Angelegenheiten aufgespalten. Ob anderes zu gelten hätte, wenn das erneute Rechtsmittel erst eingelegt wird, nachdem das frühere bereits rechtskräftig verworfen worden ist (vgl. HansOLG Hamburg, MDR 1994, 948 f.; OLG Bamberg, JurBüro 1989, 1544, 1545), braucht der Senat nicht zu entscheiden.
cc) Das Amtsgericht hat somit die Rechtsanwaltsgebühren für die Berufungsinstanz zu Recht nur einmal festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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