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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.07.2008
Aktenzeichen: VII ZB 34/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 850 i Abs. 1
Beiträge zum Versorgungswerk der Architektenkammer können bei Ermittlung der pfändbaren Einkünfte eines selbständigen Architekten in der Höhe abzugsfähig sein, in der für einen Arbeitnehmer, bezogen auf ein entsprechendes Einkommen, Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abzuführen wären.
BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

VII ZB 34/08

vom

24. Juli 2008

in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka, die Richterin Safari Chabestari und den Richter Dr. Eick beschlossen:

Tenor:

1. Dem Schuldner wird wegen Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

2. Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14. Dezember 2007 insoweit aufgehoben, als bei der Ermittlung des dem Schuldner zu belassenden Teils seiner Einkünfte Beiträge zum Versorgungswerk der Architektenkammer (Nr. 7 der Freigabe im Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 27. August 2007) nicht berücksichtigt worden sind.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Gläubigerin ist die zum Unterhalt berechtigte minderjährige Tochter des Schuldners. Sie vollstreckt aus dem Endurteil des Amtsgerichts N. Unterhaltsrückstände in Höhe von 12.000 € und hat einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt, in dem angebliche Forderungen des Schuldners, eines selbständigen Architekten, gegen Drittschuldner aus Architektenleistungen gepfändet worden sind.

Der Schuldner hat Pfändungsschutz beantragt, u.a. im Hinblick auf von ihm zu zahlende Beiträge zum Versorgungswerk der Architektenkammer. Das Amtsgericht hat auf diesen Antrag hin den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss teilweise aufgehoben und dabei zugunsten des Schuldners Beiträge von maximal 945 € für das Versorgungswerk der Architektenkammer berücksichtigt. Im Verfahren der sofortigen Beschwerde hat das Landgericht den vom Amtsgericht ausgesprochenen Pfändungsschutz teilweise versagt, darunter die Berücksichtigung der Beiträge zum Versorgungswerk. Das Landgericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Nachdem der erkennende Senat dem Schuldner für die von ihm beabsichtigte Rechtsbeschwerde Prozesskostenhilfe bewilligt hat, soweit er sich gegen die Nichtberücksichtigung von Beiträgen zum Versorgungswerk der Architektenkammer wendet, hat er im Umfang der Bewilligung der Prozesskostenhilfe Rechtsbeschwerde eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde beantragt.

II.

1. Dem fristgerecht gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war gemäß § 233 ZPO zu entsprechen.

2. Die Rechtsbeschwerde führt zur teilweisen Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

a) Das Beschwerdegericht erörtert nicht im Einzelnen, weswegen es den Pfändungsschutz hinsichtlich der Leistungen des Schuldners zum Versorgungswerk der Architektenkammer versagt. Es führt nur in allgemeiner Form aus, dass der Antrag des Schuldners nach § 850 i ZPO zu beurteilen sei. Der Verweis in § 850 i Abs. 1 Satz 3 ZPO sei nicht dergestalt zu verstehen, dass die Regelungen über das pfändbare Arbeitseinkommen entsprechend anzuwenden seien. Vielmehr werde in § 850 i Abs. 1 Satz 3 ZPO allein die Höchstgrenze des dem Schuldner pfandfrei zu belassenden Betrags bestimmt.

Bei Bemessung des pfandfrei zu belassenden Betrags sei gemäß § 850 i Abs. 1 Satz 1 ZPO vom notwendigen Unterhalt auszugehen. Dafür gälten die Sätze des Sozialhilferechts. Zu berücksichtigen seien neben den Wohnkosten die Kosten für die private Kranken- und Pflegeversicherung. Weiterer Pfändungsschutz sei nicht zu gewähren, da der Pfändungsschutz nach § 850 ff. ZPO grundsätzlich nicht dazu diene, dem Schuldner die Fortführung seiner beruflichen Tätigkeiten zu sichern. Anderenfalls werde das Risiko der Selbständigkeit auf den Gläubiger übertragen.

b) Die Rechtsbeschwerde wendet sich zu Recht dagegen, dass bei der Ermittlung des dem Schuldner als nicht pfändbar zu belassenden Einkommens Beiträge zum Versorgungswerk der Architekten unberücksichtigt geblieben sind.

aa) Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass der Pfändungsschutz für das Einkommen des Schuldners, der als freier Architekt tätig ist, nach § 850 i ZPO zu beurteilen ist. Danach ist dem Schuldner auf Antrag so viel zu belassen, als er während eines angemessenen Zeitraums für seinen notwendigen Unterhalt und den seines Ehegatten oder weiterer in der Vorschrift genannter Unterhaltsberechtigter bedarf. Bei der Entscheidung sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners, insbesondere seine sonstigen Verdienstmöglichkeiten, frei zu würdigen. Dem Schuldner ist nicht mehr zu belassen, als ihm nach freier Schätzung des Gerichts verbleiben würde, wenn sein Arbeitseinkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestände. Auch wenn daher der Pfändungsschutz der Einkünfte der von § 850 i ZPO erfassten Personen nicht ohne weiteres demjenigen der abhängig Beschäftigten gleichgestellt ist, ist doch nach Sinn und Zweck der Regelung der Freibetrag in Anlehnung an §§ 850 a, c, d, e und f ZPO zu bemessen (vgl. Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rdn. 1239); er wird durch die nach diesen Vorschriften unpfändbaren Einkommensteile begrenzt, kann allerdings im Hinblick auf die sonst zu berücksichtigenden Verhältnisse im Einzelfall auch geringer sein.

bb) Gemäß § 850 e Nr. 1 ZPO sind bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens die den Arbeitnehmer treffenden Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht mitzurechnen. Dieser Rechtsgedanke ist auch bei der Pfändung der unter § 850 i ZPO fallenden Vergütungen heranzuziehen. Er führt dazu, dass vom Schuldner geleistete Pflichtbeiträge zum Versorgungswerk der Architekten jedenfalls in der Höhe zu berücksichtigen sind, in der für einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer bezogen auf ein entsprechendes Einkommen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten wären.

Denn Pflichtbeiträge zum Versorgungswerk der Architekten können insoweit den aufgrund sozialrechtlicher Vorschriften abzuführenden Beiträgen im Sinne des § 850 e Nr. 1 ZPO gleichgestellt werden.

Nach § 13 Abs. 1 Architektengesetz Baden-Württemberg - von diesem Landesrecht ist auszugehen, da der Schuldner einen Beitragsbescheid des Versorgungswerks der Architektenkammer Baden-Württemberg vorgelegt hat - kann die zuständige Architektenkammer, deren Pflichtmitglied der Schuldner ist, durch Satzung für ihre Mitglieder und deren Familienangehörige ein Versorgungswerk einrichten und ihre Mitglieder verpflichten, Mitglied des Versorgungswerks zu werden. Die Architektenkammer Baden-Württemberg hat ein solches Versorgungswerk errichtet. Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist davon auszugehen, dass der Schuldner Pflichtmitglied dieses Versorgungswerks ist und Pflichtbeiträge zu entrichten hat.

cc) Auf dieser Grundlage und in diesem Rahmen hätte das Beschwerdegericht Beiträge des Schuldners zum Versorgungswerk berücksichtigen müssen. Es wird nach der insoweit gebotenen Zurückverweisung der Sache nunmehr Feststellungen dazu zu treffen haben, in welcher Höhe der Schuldner im Hinblick auf seine Einkünfte aus Architektentätigkeit nach Gesetz und Satzung des Versorgungswerks verpflichtet ist, solche Beiträge zu leisten. Dem Schuldner ist Gelegenheit zu geben, insoweit ergänzend vorzutragen; der bisherige Hinweis auf einen Beitragsbescheid, der nur zu einem Regelbeitrag auf der Grundlage eines der Beitragsbemessungsgrenze entsprechenden Einkommens Stellung nimmt, einen Ermäßigungsantrag aber anheim stellt, kann entsprechende Feststellungen nicht ausreichend tragen.

Bei der Ermittlung der berücksichtigungsfähigen Beiträge wird auch zu prüfen sein, ob der Schuldner aufgrund der Satzung des Versorgungswerks eine Herabsetzung oder sogar Befreiung von der Beitragsleistung erreichen kann. Da die Gläubigerin vorliegend wegen durch § 850 d ZPO privilegierter Unterhaltsansprüche vollstreckt, kann der Schuldner, dem nur sein notwendiger Unterhalt zu belassen ist, gehalten sein, gegebenenfalls derartige Anträge beim Versorgungswerk zu stellen.



Ende der Entscheidung

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