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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.08.2005
Aktenzeichen: VII ZB 35/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 494 a
Anträge nach § 494 a ZPO sind unzulässig, wenn und solange im Werklohnprozess des Antragsgegners ein Gewährleistungsanspruch des Antragstellers zur Aufrechnung gestellt ist, der sich auf Mängel bezieht, die Gegenstand des Beweisverfahrens waren.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VII ZB 35/04

vom 25. August 2005

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. August 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Dr. Wiebel, Prof. Dr. Kniffka, Bauner und die Richterin Safari Chabestari

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel der Antragstellerin werden der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 15. November 2004 und der Beschluss des Amtsgerichts Gießen vom 30. September 2004 aufgehoben.

Der Antrag des Antragsgegners, die ihm im selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen, wird verworfen.

Der Antragsgegner hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.

Beschwerdewert: bis 900 €

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich dagegen, dass ihr gemäß § 494 a Abs. 2 ZPO die dem Antragsgegner im selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten auferlegt worden sind.

Der Schlossermeister K., über dessen Vermögen zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, erstellte im Auftrag der Antragstellerin eine Treppenanlage. Da diese nach Ansicht der Antragstellerin Mängel aufwies, leitete sie gegen den Antragsgegner, den Insolvenzverwalter, ein selbständiges Beweisverfahren ein. Dieses ist abgeschlossen.

Auf Antrag des Antragsgegners hat das Amtsgericht zunächst gemäß § 494 a Abs. 1 ZPO angeordnet, dass die Antragstellerin Klage zu erheben habe. Die Antragstellerin ist dem nicht nachgekommen. Das Amtsgericht hat sodann auf weiteren Antrag des Antragsgegners der Antragstellerin gemäß § 494 a Abs. 2 ZPO die dem Antragsgegner erwachsenen Kosten auferlegt. Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt. Sie hat darauf hingewiesen, dass vor dem Landgericht L. ein Rechtsstreit zwischen dem Antragsgegner und ihr anhängig sei, in dem sie gegen die Werklohnforderung des Klägers/Antragsgegners mit ihrem aus der mangelhaften Werkleistung resultierenden Schadensersatzanspruch aufgerechnet habe. Die sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Beschlüsse des Land- und des Amtsgerichts und zur Verwerfung des Kostenantrags.

1. Das Beschwerdegericht führt aus: Mache der Antragsteller das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens nur im Wege der Aufrechnung geltend, fehle es an einem Hauptsacheprozess im Sinne von § 494 a ZPO. Es sei ein prozessualer Angriff des Antragstellers erforderlich, der die im selbständigen Beweisverfahren geprüften Mängel zum Streitgegenstand habe. Über zur Aufrechnung gestellte Gegenansprüche könne zudem nur dann entschieden werden, wenn und soweit die Klageforderung schlüssig sei. Es entstehe dadurch eine Unsicherheit, die mit dem Ziel des § 494 a ZPO, klare Verhältnisse hinsichtlich der Kosten der Beweiserhebung zu schaffen, unvereinbar sei.

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Ob die Aufrechnung mit einem Gewährleistungsanspruch, dessen Verfolgung das selbständige Beweisverfahren gedient hat, durch den Antragsteller im Werklohnprozess des Antragsgegners der Erhebung einer Klage nach § 494 a Abs. 1 ZPO gleichsteht, ist in der Rechtsprechung und Literatur umstritten. Die diese Frage verneinenden Stimmen beziehen sich zur Begründung insbesondere auf den Wortlaut des § 494 a Abs. 1 ZPO und darauf, dass über den zur Aufrechnung gestellten Gegenanspruch nicht immer mit Rechtskraftwirkung entschieden werde (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 25. Juli 2002 - 7 U 330/02, BauR 2003, 761 m.w.N.). Die Gegenmeinung sieht in dem Rechtsstreit über die Werklohnforderung einen Hauptsacheprozess im Sinne von § 494 a Abs. 1 ZPO und verweist auf den Zweck des selbständigen Beweisverfahrens, Prozesse möglichst zu vermeiden (OLG Hamm, Beschluss vom 29. Juli 1997 - 21 W 15/97, OLGR 1997, 299 und OLG Bamberg, Beschluss vom 20. August 2003 - 3 W 47/03, OLGR 2004, 16 je m.w.N.). Andere gehen zwar davon aus, dass die Aufrechnung der Klageerhebung nicht gleichstehe, sehen aber den Zugang zu § 494 a ZPO hierdurch zeitweilig als gesperrt an (Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 494 a, Rdn. 2) oder verneinen ein Rechtsschutzinteresse des Antragsgegners an den Anträgen nach § 494 a ZPO bis zum Abschluss des Werklohnprozesses (OLG Nürnberg, Beschluss vom 8. November 1999 - 13 W 2637/99, BauR 2000, 442 zum Zurückbehaltungsrecht).

b) Der Senat entscheidet die Streitfrage dahin, dass Anträge nach § 494 a ZPO unzulässig sind, wenn und solange im Werklohnprozess des Antragsgegners ein Gewährleistungsanspruch des Antragstellers zur Aufrechnung gestellt ist, der sich auf Mängel bezieht, die Gegenstand des Beweisverfahrens waren. In diesem Fall fehlt ein berechtigtes Interesse des Antragsgegners für Anträge nach § 494 a ZPO.

aa) Im selbständigen Beweisverfahren ist grundsätzlich kein Raum für eine Kostenentscheidung; über die Kosten ist im Hauptsacheprozess mit zu entscheiden (BGH, Beschlüsse vom 22. Mai 2003 - VII ZB 30/02, BauR 2003, 1255, 1256 = NZBau 2003, 500 = ZfBR 2003, 566 und vom 24. Juni 2004 - VII ZB 11/03, BauR 2004, 1485, 1486 = NZBau 2004, 507 = ZfBR 2004, 785). Das gilt nicht nur dann, wenn der Antragsteller des selbständigen Beweisverfahrens den nachfolgenden Prozess als Kläger betreibt. Ein Hauptsacheverfahren, in dem eine einheitliche Kostenentscheidung zu ergehen hat, liegt nicht nur dann vor, wenn Forderungen wegen Mängeln, die Gegenstand des Beweisverfahrens waren, klageweise geltend gemacht werden, sondern auch dann, wenn sie zur Aufrechnung gestellt werden (Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 91 Rdn. 13 Stichwort "Selbständiges Beweisverfahren"). Es widerspräche dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung, über einen Teil der Kosten vorweg im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens zu entscheiden, obwohl noch eine einheitliche Kostenentscheidung ergehen kann, in die das Obsiegen bzw. Unterliegen des Antragstellers mit seinen Gegenansprüchen einfließt.

bb) § 494 a ZPO soll die Lücke schließen, die entsteht, wenn der Antragsteller des selbständigen Beweisverfahrens aufgrund der für ihn ungünstigen Ergebnisse der Beweisaufnahme auf eine Hauptsacheklage verzichtet. Die Fristsetzung nach § 494 a Abs. 1 ZPO dient dazu, Klarheit darüber zu schaffen, ob eine Hauptsacheklage erhoben wird. Ist das nicht der Fall, soll der Antragsgegner durch die Kostenentscheidung nach § 494 a Abs. 2 ZPO so gestellt werden, als habe er obsiegt. Der Antragsteller soll durch das Unterlassen der Hauptsacheklage nicht der Kostenpflicht entgehen, die sich bei Abweisung einer solchen Klage ergeben würde (BGH, Beschlüsse vom 22. Mai 2003 - VII ZB 30/02 und vom 24. Juni 2004 - VII ZB 11/03 je aaO).

Dieser Sinn und Zweck des § 494 a ZPO greift nicht, wenn über den zur Aufrechnung gestellten Gegenanspruch entschieden wird. Dann ergeht eine entsprechende Kostenentscheidung unter Einschluss der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens. Eine durch § 494 a ZPO zu schließende Lücke besteht nicht.

cc) Das durch § 494 a ZPO geschützte Kosteninteresse des Antragsgegners wird dadurch, dass ihm eine Kostenentscheidung nach dieser Vorschrift verwehrt und er auf die Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren verwiesen wird, nicht unzumutbar beeinträchtigt. Die dadurch bedingte zeitliche Verzögerung, die ohnehin nur die dem Antragsgegner im selbständigen Beweisverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten betrifft, muss er hinnehmen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. Juni 2004 - VII ZR 11/03 aaO). Stellt sich im weiteren Verlauf des Hauptsacheverfahrens heraus, dass die Gegenansprüche des Antragstellers nicht geprüft werden, kann der Antragsgegner auch dann noch den Weg des § 494 a ZPO beschreiten.

c) Danach ist der Antrag des Antragsgegners, der Antragstellerin die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen, unzulässig. Vor dem Landgericht L. ist der Werklohnprozess zwischen den Parteien anhängig. Die Antragstellerin hat dort mit ihrem Gewährleistungsanspruch gegen die Werklohnforderung des Antragsgegners aufgerechnet.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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