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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.12.2007
Aktenzeichen: VII ZB 38/07
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 829 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 12. Dezember 2007
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Dezember 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Dr. Kuffer und Bauner, die Richterin Safari Chabestari und den Richter Dr. Eick
beschlossen:
Tenor:
Dem Gläubiger wird wegen Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 16. Oktober 2006 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen rückständigen Unterhalts. Er hat beim Amtsgericht beantragt, "die Forderung des Schuldners auf Zahlung von Arbeitslosengeld" zu pfänden und ihm zur Einziehung zu überweisen. Als Drittschuldner hat er die Agentur für Arbeit P. angegeben. Außerdem hat der Gläubiger beantragt, den pfandfreien Betrag für den notwendigen Unterhalt des Schuldners auf 331 € festzusetzen.
Das Amtsgericht hat den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen, jedoch den pfandfreien Betrag auf 600 € festgesetzt. Mit der sofortigen Beschwerde hat der Gläubiger seinen Antrag weiterverfolgt. Er hat hierzu vorgetragen, der Schuldner lebe im Haushalt seiner Mutter, so dass davon auszugehen sei, dass er keine eigenen Wohnkosten zu tragen habe. Außerdem hat der Gläubiger beantragt klarzustellen, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auch den Anspruch des Schuldners auf Zahlung von Arbeitslosengeld II gemäß § 19 SGB II erfasst habe.
Der Schuldner hat eine Bescheinigung der M. Arbeitsgemeinschaft zur Integration in Arbeit (im Folgenden: Arbeitsgemeinschaft M.) vorgelegt, nach der er für Juni 2006 Leistungen in Höhe von 491 € und ab dem 1. Juli 2006 in Höhe von 505 € erhält. Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde teilweise abgeholfen und den pfandfreien Betrag des Schuldners ab Juni 2006 auf 491 € und ab dem 1. Juli 2006 auf 505 € festgesetzt.
Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde des Gläubigers zurückgewiesen. Der Senat hat dem Gläubiger für die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde mit Beschluss vom 28. März 2007 Prozesskostenhilfe gewährt und ihm am 4. Mai 2007 Rechtsanwalt Dr. K. zu seiner Vertretung beigeordnet. Mit der daraufhin am 8. Mai 2007 eingelegten und am 16. Mai 2007 begründeten Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger unter Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages wegen Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde sein Begehren weiter.
II.
1. Dem fristgerecht gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war gemäß § 233 ZPO zu entsprechen. Der Gläubiger war aus finanziellen Gründen erst nach Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde in der Lage. Die Versäumung der Fristen war damit unverschuldet.
2. Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
a) Das Beschwerdegericht führt aus, die sofortige Beschwerde sei unbegründet, weil die begehrte Pfändung ins Leere gegangen sei. Im Zeitpunkt des Erlasses des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses habe keine Forderung des Schuldners gegen die Agentur für Arbeit P. bestanden. Der Schuldner beziehe Arbeitslosengeld II. Leistungsträger hierfür sei gemäß § 44 b Abs. 2 SGB II die Arbeitsgemeinschaft M.
b) Das hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Beschwerdegericht hätte die Beschwerde des Gläubigers nicht mit der Begründung zurückweisen dürfen, die Pfändung sei ins Leere gegangen. Nach den für eine solche Prüfung im Zwangsvollstreckungsverfahren geltenden Maßstäben kann nicht ausgeschlossen werden, dass die verfahrensgegenständliche Forderung besteht; daher kann sie zum Gegenstand eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gemacht werden.
aa) Ob eine zu pfändende Forderung besteht, wird im Zwangsvollstreckungsverfahren nur in engem Maße überprüft. Eine Pfändung muss immer dann erfolgen, wenn dem Schuldner die Forderung nach irgendeiner vertretbaren Rechtsansicht zustehen kann (Stöber, Forderungspfändung, 14. Auflage, Rdn. 485 a m.w.N). Der Pfändungsantrag darf nur ausnahmsweise abgelehnt werden, wenn dem Schuldner der Anspruch aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen offenbar nicht zustehen kann oder ersichtlich unpfändbar ist (BGH, Beschluss vom 19. März 2004 - IXa ZB 229/03, NJW 2004, 2096, 2097).
Diese Maßstäbe gelten auch hinsichtlich der Frage, ob eine Forderung des Schuldners sich gegen den in dem Pfändungsantrag bezeichneten Drittschuldner richtet. Die Frage, gegen welchen von mehreren in Betracht kommenden Drittschuldnern sich ein zu pfändender Anspruch richtet, ist grundsätzlich nicht Gegenstand des Vollstreckungsverfahrens. Eine Entscheidung dieser Frage im Vollstreckungsverfahren würde die möglichen Drittschuldner nicht binden; eine solche Wirkung kann erst im Rahmen der Einziehungsklage herbeigeführt werden. Daher muss es dem Gläubiger möglich sein, einen Anspruch gegen sämtliche in Betracht kommende Drittschuldner zum Gegenstand eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zu machen. Eine Einschränkung kann nur insoweit erfolgen, als ein Anspruch sich offenbar, das heißt nach keiner vertretbaren Rechtsauffassung, nicht gegen den angeblichen Drittschuldner richten kann.
bb) Nach diesen Maßstäben kann die verfahrensgegenständliche Forderung zum Gegenstand eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gemacht werden. Es ist jedenfalls rechtlich nicht unvertretbar anzunehmen, dass die Agentur für Arbeit P. Schuldner der im Pfändungsantrag bezeichneten Forderung ist. Die Rechtslage ist bisher nicht hinreichend geklärt (vgl. zu den rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Errichtung von Arbeitsgemeinschaften gemäß § 44 b SGB II u.a. Berlit in LPK-SGB II, 2. Auflage, § 44 b Rn. 5; Quaas, SGb 2004, 723 ff.; Strobel, NVwZ 2004, 1195 ff.). Daher kommen als Drittschuldner neben der Arbeitsgemeinschaft gemäß § 44 b SGB II sowohl die Bundesagentur für Arbeit als auch die örtlichen Agenturen für Arbeit in Betracht. Eine Klärung dieser Frage kann im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht erfolgen. Vielmehr kann eine Pfändung des angeblichen Anspruchs gegenüber jedem dieser in Frage kommenden Drittschuldner erfolgen, da gegenüber keinem von ihnen eine Pfändung als rechtlich unvertretbar zu erachten ist.
c) Bei seiner erneuten Entscheidung wird das Beschwerdegericht folgendes zu berücksichtigen haben:
aa) Der unpfändbare notwendige Unterhalt gemäß § 850 d Abs. 1 Satz 2 ZPO entspricht grundsätzlich dem notwendigen Lebensunterhalt im Sinne der Kapitel 3 und 11 des Zwölften Buchs des Sozialgesetzbuches (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juli 2003 - IXa ZB 151/03, BGHZ 156, 30, 34). Für eine Änderung dieser Rechtsprechung besteht auch im Hinblick auf die Änderung des § 850 f Abs. 1 a) ZPO durch das nach dieser Entscheidung in Kraft getretene Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BGBl. I 2003, 2954) kein Anlass. Den Regelungen des 2. Abschnitts des 3. Kapitels des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuches kommt im Hinblick auf § 850 d Abs. 1 Satz 2 ZPO keine Bedeutung zu (ebenso Zöller/Stöber, ZPO, 26. Auflage, § 850 d Rn. 7; a.A. Neugebauer, MDR 2005, 911, 912).
bb) Das Beschwerdegericht wird schließlich über den Antrag des Gläubigers auf Klarstellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zu entscheiden haben. Dabei wird es davon auszugehen haben, dass die Pfändung von "Arbeitslosengeld" die Pfändung von "Arbeitslosengeld II" umfasst.
Ende der Entscheidung
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