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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.10.2006
Aktenzeichen: VII ZB 39/06
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 148 | |
ZPO § 485 | |
ZPO § 493 |
b) Bei der Ermessensentscheidung über die Aussetzung muss das Gericht der Hauptsache auch berücksichtigen, ob die gebotene Förderung und Beschleunigung des Prozesses auf andere Weise besser zu erreichen ist.
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 26. Oktober 2006
in dem Rechtsstreit
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Oktober 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Dr. Haß, Hausmann, Dr. Wiebel und Prof. Dr. Kniffka beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 29. März 2006 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 2.160 €
Gründe:
I.
Die Beklagte wendet sich gegen die Aussetzung eines Verfahrens.
Die Beklagte führte für die Klägerin aufgrund eines Rahmen-Bauvertrages Putzarbeiten an mehreren Bauvorhaben durch. Im November 2004 beantragte die Klägerin, im selbständigen Beweisverfahren Beweis über Putzrisse an den Außenwänden von mehreren, näher bezeichneten Bauvorhaben, deren Ursache sowie zur Schadenshöhe zu erheben. Das für das selbständige Beweisverfahren zuständige Gericht hat im Januar 2005 einen Sachverständigen beauftragt, der bislang noch kein Gutachten vorgelegt hat.
Die Klägerin hat im Juni 2005 Klage erhoben und Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung verlangt. Die Klage ist bei derselben landgerichtlichen Kammer anhängig wie das selbständige Beweisverfahren. Diese hat den Hauptsacheprozess im Hinblick auf das selbständige Beweisverfahren in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO ausgesetzt. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser begehrt die Beklagte die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie die Abänderung des landgerichtlichen Beschlusses.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht führt aus, die Aussetzung des Hauptsacheverfahrens sei in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO ermessensfehlerfrei. Die Feststellung von Tatsachen im selbständigen Beweisverfahren sei vorgreiflich im Sinne des § 148 ZPO, weil die Mängel, über deren Vorliegen und deren Ursache die Klägerin eine Beweisaufnahme im selbständigen Beweisverfahren begehrt habe, im Hauptsacheverfahren streitig und beweiserheblich seien. Da die im selbständigen Beweisverfahren durchzuführende Beweisaufnahme nach § 493 ZPO für das Hauptsacheverfahren verbindlich sei, entspreche es der Prozessökonomie und dem wirtschaftlichen Interesse der Parteien, den Ausgang des selbständigen Beweisverfahrens abzuwarten.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Landgericht hat ermessensfehlerfrei das Hauptsacheverfahren entsprechend dem in § 148 ZPO enthaltenen Rechtsgedanken ausgesetzt.
a) Die Befugnis des Gerichts der Hauptsache, den Rechtsstreit auszusetzen, ist für die Fälle streitig, in denen zwischen denselben Parteien zu einem behaupteten Baumangel bereits vor Prozessbeginn ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet worden ist. Teilweise wird eine unmittelbare oder analoge Anwendung des § 148 ZPO abgelehnt (vgl. z. B. OLG Düsseldorf, BauR 2004, 1033; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 148 Rdn. 24 f). Nach dieser Auffassung steht der Aussetzung der Zweck der Vorschrift entgegen, weil die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen nicht gegeben sei und weil die Aussetzung des Hauptsacheverfahrens im Hinblick auf das selbständige Beweisverfahren dessen Sinn und Zweck widerspreche. Demgegenüber halten andere eine Aussetzung im Hinblick auf § 493 ZPO für zulässig (KG, KGR 2000, 266 = BauR 2000, 1232; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Aufl., Rdn. 6).
b) Letztere Auffassung trifft zu. Der Bundesgerichtshof hat in seinen Beschlüssen vom 29. April 2004 - VII ZB 39/03, BauR 2004, 1484 = ZfBR 2004, 677 und vom 10. Juli 2003 - VII ZB 32/02 = BauR 2003, 1607 = ZfBR 2003, 765 = NZBau 2003, 563 bereits erkennen lassen, dass er zur Möglichkeit einer Aussetzung in diesen Fällen neige und dass dem Gedanken der Prozessökonomie Bedeutung zukomme. Dieser Gedanken gebietet es, mehrfache Beweiserhebungen wegen desselben Gegenstandes mit möglicherweise unterschiedlichen Ergebnissen zu vermeiden. Dies kann erreicht werden, wenn die bereits angeordnete Beweiserhebung im selbständigen Beweisverfahren fortgesetzt wird und eine parallele Beweiserhebung im Hauptsacheverfahren wegen dessen Aussetzung ausscheidet.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde wäre das Gericht der Hauptsache ohne Aussetzung nicht bereits im Hinblick auf die §§ 485 Abs. 3, 412 ZPO gehindert, eine weitere Beweisaufnahme zu derselben streitigen Tatsache, auf die sich das selbständige Beweisverfahren bezieht, anzuordnen. Die genannten Regelungen beziehen sich jeweils ausschließlich auf das Verfahren, in dem die Beweisaufnahme bereits angeordnet ist.
c) Die Anordnung einer Aussetzung setzt eine fehlerfrei Ermessensausübung voraus, von der hier ausgegangen werden kann.
Bei der Ermessensentscheidung muss das Gericht der Hauptsache auch berücksichtigen, ob die gebotene Förderung und Beschleunigung des Prozesses auf andere Weise besser zu erreichen ist. Es hat in seine Erwägungen die Möglichkeit einzubeziehen, die Zuständigkeit für das Beweisverfahren auf sich überzuleiten, indem es die Akten des selbständigen Beweisverfahrens zum Zwecke der Beweiserhebung beizieht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2004 - VII ZB 3/03, BauR 2004, 1656 = ZfBR 2005, 52 = NZBau 2004, 550). Ein solches Vorgehen kann insbesondere dann nahe liegen, wenn das selbständige Beweisverfahren zwischen denselben Parteien bei einem anderen Gericht anhängig ist und die erforderliche Beweiserhebung denselben Gegenstand betrifft. Auch unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts ist die getroffene Aussetzungsentscheidung nicht zu beanstanden. Der Gedanke der Prozessökonomie wird hier dadurch ausreichend gewahrt, dass das selbständige Beweisverfahren und das Hauptsacheverfahren von vornherein bei derselben Kammer anhängig gemacht worden sind.
Entgegen der Rüge der Rechtsbeschwerde stand der Aussetzung hier auch nicht entgegen, dass im Hauptsacheverfahren nur die Schadenshöhe, nicht aber die Mängel selbst und ihre Verursachung bestritten worden seien. Eine derartige Beschränkung des Beklagtenvortrags musste das Landgericht seinem bisherigen Vorbringen nicht entnehmen.
Ende der Entscheidung
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