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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.11.2009
Aktenzeichen: VII ZB 42/08
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 750 Abs. 1 Satz 1 | |
ZPO § 1082 |
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 26. November 2009
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und
die Richter Bauner, Dr. Eick, Halfmeier und Leupertz
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bayreuth vom 17. April 2008 wird zurückgewiesen.
Die Gläubigerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Beschwerdewert: 940.719 EUR
Gründe:
I.
Der Schuldner betreibt in B. als Einzelkaufmann eine Firma mit der Bezeichnung "Rohrpost-Technik, Fernmelde- und Uhrenanlagen B. H.", die in das Handelsregister eingetragen ist. Im Geschäftsverkehr verwendet er unter anderem die Kurzbezeichnung "H. Rohrpost". Die Parteien standen in vertraglichen Beziehungen.
Die in den Niederlanden ansässige Gläubigerin berühmt sich zweier Ansprüche über 436.919 EUR und 503.800 EUR gegen den Schuldner. Sie hat über diese Beträge ein Versäumnisurteil eines niederländischen Gerichts erlangt. In diesem ist der Klageschrift entsprechend auf der Beklagtenseite nicht der Schuldner als natürliche Person genannt, sondern eine "Gesellschaft mit beschränkter Haftung H. Rohrpost GmbH, mit Sitz in B. (Deutschland)". Dieses Versäumnisurteil hat das Amtsgericht B. an den Schuldner zugestellt; die niederländischen Zustellungsersuchen hatten die "H. Rohrpost" als Zustellungsadressaten bezeichnet.
Auf Antrag der Gläubigerin hat das niederländische Gericht das Versäumnisurteil als Europäischen Vollstreckungstitel im Sinne von Art. 5 ff. der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (EuVTVO) bestätigt. Die Schuldnerbezeichnung in der Bestätigung lautet "H. Rohrpost GmbH".
Unter Bezugnahme auf das Urteil samt Bestätigung hat die Gläubigerin bei dem Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - gegen den Schuldner unter der Bezeichnung "Rohrpost-Technik, Fernmelde- und Uhrenanlagen B. H., Herrn Dipl.-Ing. M. H., S.-Straße, B.", den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses für verschiedene Konten des Schuldners beantragt. Das Amtsgericht hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Schuldnerbezeichnung stimme nicht mit der im Schuldtitel überein. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist erfolglos geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses weiter.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, § 575 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht führt aus, das Amtsgericht habe den Erlass des begehrten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zu Recht abgelehnt. Für die richtige Bezeichnung des Schuldners komme es auf den Wortlaut der Bezeichnung in der Bestätigung nach Art. 5 EuVTVO an, die der für die Bestimmung des Schuldners maßgeblichen Vollstreckungsklausel entspreche. Diese Bezeichnung, die mit derjenigen in dem niederländischen Urteil identisch sei, reiche nicht aus. Die Zwangsvollstreckung setze voraus, dass der Schuldner in dem Titel so genau bezeichnet werde, dass er sicher festgestellt werden könne, um einerseits die Inanspruchnahme Unbeteiligter auszuschließen und um andererseits gegenüber dem Schuldner zweifelsfrei klarzustellen, dass sich die gerichtliche Anordnung gegen ihn richte. Dabei genüge es, wenn durch eine Auslegung anhand des Titels ohne weiteres festgestellt werden könne, gegen wen sich die Vollstreckungsmaßnahme richten solle. Ob auch Umstände außerhalb des Titels berücksichtigt werden könnten, sei streitig. Vorliegend handele es sich um einen die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen betreffenden Titel, der auch dann, wenn er von einem deutschen Gericht stammen würde, nicht von dem Prozessgericht, sondern von dem Vollstreckungsgericht ausgelegt werden müsse. Dieses kenne regelmäßig außerhalb des Titels bestehende Umstände nicht und könne diese auch nicht berücksichtigen. Allenfalls könne das Vollstreckungsgericht den positiven und negativen Inhalt des Handelsregisters heranziehen. Entgegen der Ansicht der Gläubigerin ergebe sich daraus aber noch keine im Sinne von § 750 Abs. 1 ZPO eindeutige Bezeichnung des Schuldners. Auch wenn eine "Rohrpost H. GmbH" im Handelsregister nicht eingetragen sei, sei - aus Sicht des weitere Fakten nicht heranziehenden Vollstreckungsgerichts - nicht auszuschließen, dass eine solche Gesellschaft etwa fehlerhaft nicht oder noch nicht eingetragen sei bzw. dass jemand anders als der hier in Anspruch genommene Schuldner unter dieser Bezeichnung auftrete. Die Grenze der zulässigen Auslegung der Schuldnerbezeichnung sei dort überschritten, wo als Schuldner ein anderes Rechtssubjekt als das von dem Gericht bestimmte in Anspruch genommen werden solle. Um einen solchen Fall handele es sich hier. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der Beklagte unter seiner vollständigen und korrekten Firmenbezeichnung (§ 17 Abs. 2 HGB) in Anspruch genommen worden wäre.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des niederländischen Gerichts kann nicht gegen den Schuldner durchgeführt werden, da das Urteil als beklagte, zur Zahlung verurteilte Partei nicht den Schuldner, sondern eine GmbH und damit ein anderes Rechtssubjekt bezeichnet.
a) Bei dem niederländischen Versäumnisurteil handelt es sich um einen nach deutschem Recht vollstreckbaren Titel. Gemäß § 1082 ZPO findet im Inland die Zwangsvollstreckung aus Titeln statt, die im Ursprungsmitgliedstaat als Europäischer Vollstreckungstitel nach der EuVTVO bestätigt worden sind, ohne dass es einer Vollstreckungsklausel bedarf. Gemäß Art. 20 Abs. 1 EuVTVO richtet sich das Verfahren der Zwangsvollstreckung grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 704 ff. ZPO; die bestätigte Entscheidung wird unter den gleichen Bedingungen vollstreckt wie eine im Inland ergangene Entscheidung.
b) Nach § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn die Person, gegen die sie stattfinden soll, in dem Urteil namentlich bezeichnet ist. Damit wird für das Vollstreckungsorgan die Prüfung, dass Gläubiger und Schuldner als Parteien des Zwangsvollstreckungsverfahrens mit den Personen identisch sind, für und gegen die der durch den Titel vollstreckbar gestellte Anspruch durchzusetzen ist, zuverlässig ermöglicht. Es geht dabei nicht nur darum, die Inanspruchnahme Unbeteiligter auszuschließen, sondern gegenüber dem Vollstreckungsschuldner zweifelsfrei klarzustellen, dass sich die Vollstreckung gegen ihn richtet (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - I ZB 45/02, BGHZ 156, 335, 339; Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 750 Rdn. 1).
c) Bei dieser rein formalen Prüfung hat das Vollstreckungsorgan die namentliche Bezeichnung des Schuldners im Titel nach allgemeinen Regeln auszulegen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - I ZB 45/02, a.a.O.; MünchKommZPO/Heßler, 3. Aufl., § 750 Rdn. 24). Dabei sind Umstände, die außerhalb des Titels liegen, wegen der Formalisierung des Vollstreckungsverfahrens grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Das gilt insbesondere für solche Umstände, die das materielle Rechtsverhältnis der Parteien betreffen. Für das Vollstreckungsorgan ist es ohne Bedeutung, welche sachlich-rechtlichen Ansprüche dem Gläubiger zustehen. Es ist nicht seine Aufgabe, im Vollstreckungsverfahren das materielle Recht zur Grundlage seiner Maßnahmen zu machen und einem Gläubiger ohne entsprechenden Schuldtitel einen Zugriff in Vermögen Dritter zu gestatten (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 1957 - III ZR 67/56, NJW 1957, 1877, 1878).
Allerdings kann das Prozessgericht, das als zuständiges Vollstreckungsorgan über eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme aus einem Titel entscheidet, den es selbst erlassen hat, sein Wissen aus dem Erkenntnisverfahren bei der Auslegung des Titels mit heranziehen und damit auch Umstände berücksichtigen, die außerhalb des Titels liegen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - I ZB 45/02, a.a.O.). Eine Übertragung dieses Grundsatzes auf die Fälle, in denen das Vollstreckungsorgan einen nicht von ihm selbst erlassenen Titel voll-streckt, kommt nicht in Betracht. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde folgt aus § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht, dass für beide Fallgestaltungen derselbe Auslegungsmaßstab gelten müsste.
Die so verstandene Möglichkeit der Auslegung dient dazu, die wahre Bedeutung einer unklaren Bezeichnung im Titel zu klären. Darüber hinausgehende Korrekturen darf das Vollstreckungsorgan nicht vornehmen. Es darf insbesondere nicht einem anderen als dem vom Gericht bestimmten Rechtssubjekt die Schuldnerrolle zuordnen; maßgebend ist der Vollstreckungstitel, nicht die materielle Rechtslage (vgl. MünchKommZPO/Heßler, a.a.O., Rdn. 29).
d) Diese Auslegungsgrundsätze sind auch hier anwendbar. Nach Art. 20 Abs. 1 Satz 1 EuVTVO gilt für die Zwangsvollstreckung und damit auch für die Art und Weise, wie die Identität der im Titel bezeichneten Person mit dem Vollstreckungsschuldner festgestellt wird, das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats.
e) Die dagegen gerichteten Einwände der Rechtsbeschwerde sind nicht stichhaltig.
aa) Ohne Bedeutung ist, dass der Schuldner und nicht eine ausweislich des Handelsregisters nicht einmal existierende GmbH mit der Gläubigerin in Geschäftsverbindung stand. Ebenso ist ohne Bedeutung, ob der Schuldner durch Irreführung der Bezeichnung Anlass zur Klage gegen eine GmbH gegeben hatte. Denn auf diese materiellen Einwendungen gegen die Richtigkeit des Titels kommt es nicht an.
bb) Der Schuldner ist im Rechtsverkehr auch nicht als GmbH aufgetreten, so dass dahinstehen kann, ob der Titel andernfalls als gegen ihn persönlich ergangener Titel verstanden werden könnte.
cc) Die Rechtsbeschwerde meint, das Beschwerdegericht beachte nicht, dass die Zwangsvollstreckung nicht aus einem deutschen, sondern aus einem niederländischen Titel erfolgen solle und dass für die Konkretisierung ausländischer Titel Besonderheiten gälten. Der Bundesgerichtshof habe insoweit ausgeführt, dass das deutsche Vollstreckungsorgan unter bestimmten Bedingungen berechtigt sei, durch Auslegung Unklarheiten im Vollstreckungstitel auszuräumen und künftig eintretende Veränderungen selbst zu berücksichtigen; damit solle das Erfordernis eines neuen Erkenntnisverfahrens tunlichst vermieden werden (BGH, Beschluss vom 4. März 1993 - IX ZB 55/92, BGHZ 122, 16, 17, 18 und Urteil vom 6. November 1985 - IVb ZR 73/84, NJW 1986, 1440).
Damit dringt die Rechtsbeschwerde nicht durch. In erster Linie obliegt es dem erkennenden Gericht oder derjenigen Stelle, die den Vollstreckungstitel geschaffen hat, dessen Inhalt und Grenzen eindeutig zu bezeichnen. Nur wo das versehentlich unterblieben oder in Hinblick auf künftige Entwicklungen nicht in vollem Umfang durchzuführen ist, kann das Vollstreckungsorgan die nötige Bestimmung selbst vornehmen, soweit dies aus dem Titel einschließlich etwaiger Entscheidungsgründe selbst oder aufgrund allgemein zugänglicher, leicht und sicher feststellbarer anderer Urkunden, auf die der Titel verweist, möglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 1993 - IX ZB 55/92, a.a.O.). Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Auch rechtfertigt der Umstand, dass möglicherweise ein neues Erkenntnisverfahren durchgeführt werden muss, nicht eine Auslegung eines Urteils eines niederländischen Gerichts, die über die allgemein anerkannten Grundsätze für die Auslegung von Vollstreckungstiteln hinausgeht und zu einer Auswechslung des zur Zahlung verurteilten Rechtssubjektes führen würde.
dd) Die Rechtsbeschwerde meint weiter, es müsse derjenige als Schuldner im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. c EuVTVO angesehen werden, dem das verfahrenseinleitende Schriftstück ordnungsgemäß zugestellt worden sei und für den kein Zweifel bestehen könne, dass der im Ausland eingeleitete Rechtsstreit sich gegen ihn richten solle. Einer anderen Auslegung stünden die Zielsetzung der Verordnung, nämlich die weitgehende Erlangung der Freizügigkeit von gerichtlichen Entscheidungen, sowie der Grundsatz der Prozessökonomie und der Gleichklang mit der Auslegung des Begriffs "Partei" in der Parallelverordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) entgegen.
Das trifft nicht zu. Der von der Rechtsbeschwerde aufgestellte AuslegungsgrundSatz lässt sich den beiden Verordnungen nicht entnehmen. Gemäß Art. 20 Abs. 1 EuVTVO richtet sich die Zwangsvollstreckung und damit auch die Art und Weise, wie die Identität der im Titel bezeichneten Person mit dem Vollstreckungsschuldner festgestellt wird, nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats, hier also nach deutschem Zwangsvollstreckungsrecht. Die von der Rechtsbeschwerde für ihr Verständnis der EuGVVO herangezogene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Mai 1998 (C-351/96, VersR 1999, 594) betrifft einen anders gelagerten, in keiner Weise vergleichbaren Fall.
Unbegründet ist die Rüge, das Beschwerdegericht hätte darauf hinwirken müssen, dass das niederländische Urteil hinsichtlich der Person des Schuldners konkretisiert wird. Es ist Sache der Gläubigerin, einen Titel vorzulegen, der sich gegen den Schuldner richtet. Dazu hatte sie ausreichend Gelegenheit. Bereits das Amtsgericht hat in seinem Beschluss auf diesen Mangel hingewiesen und ihm gangbar erscheinende Wege zu seiner Korrektur aufgezeigt. Zu einer Rechtsberatung, dass möglicherweise ein Antrag der Gläubigerin nach §§ 3, 7 AVAG erfolgversprechend sein könnte, war das Beschwerdegericht nicht verpflichtet.
f) Danach hat das Beschwerdegericht zu Recht den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gegen den Schuldner abgelehnt. Das Urteil des niederländischen Gerichts richtet sich gegen die H. Rohrpost GmbH und damit gegen eine körperschaftlich verfasste juristische Person. Eine unklare Bezeichnung, die durch Auslegung geklärt werden müsste, liegt nicht vor. Die Vollstreckung dagegen soll gegen den Schuldner als natürliche Person durchgeführt werden. Zwischen ihm und der genannten GmbH besteht keine Identität; es handelt sich um zwei verschiedene Rechtssubjekte. Gegen ihn kann aus dem Titel nicht vollstreckt werden.
g) Es besteht kein Anlass, die Sache dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. An der richtigen Anwendung des Gemeinschaftsrechts bestehen keine vernünftigen Zweifel (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs 283/81, NJW 1983, 1257).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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