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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 04.10.2005
Aktenzeichen: VII ZB 46/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 1
Der in einem Prozessvergleich ausgewiesene bezifferte Zahlungsbetrag ist vollstreckungsrechtlich bestimmt.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VII ZB 46/05

vom 4. Oktober 2005

in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Dr. Kuffer, Bauner, die Richterinnen Dr. Kessal-Wulf und Safari Chabestari

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 19. Januar 2005 aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 19. November 2004 wird zurückgewiesen.

Der Schuldner trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren.

Wert: 5.578,68 €

Gründe:

I.

Die Gläubigerin betreibt aus einem Vergleich im Scheidungsverfahren wegen eines Unterhaltsrückstands für die Monate Februar und März 2004 von je 28,69 € sowie wegen des laufenden Unterhalts ab April 2004 in Höhe von monatlich 464,89 € die Zwangsvollstreckung.

Der Vergleich lautet unter anderem:

"Der Ehemann (= Schuldner) zahlt an die Ehefrau (= Gläubigerin) ab 01.05.1997 eine lebenslängliche Leibrente von monatlich 1.250 DM. Diese monatliche Leibrente ändert sich in dem Verhältnis, wie sich die Bezüge eines Professors der Vergütungsgruppe C 4 der H. -Universität in B. verändern. Der Ehemann verpflichtet sich, der Ehefrau unverzüglich entsprechende Änderungen mitzuteilen und die Leibrente entsprechend der Änderung zu zahlen ...

Die Rechte aus § 323 ZPO behält der Ehemann sich bezüglich der Leibrente (Ehegattenunterhalt) insoweit vor, als sein Nettoeinkommen aus Erwerbstätigkeit das der Ehefrau um weniger als 10 % übersteigt ..."

Das Amtsgericht P. erließ auf Antrag der Gläubigerin am 29. April 2004 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss in der beantragten Höhe.

Die hiergegen gerichtete Erinnerung des Schuldners, in der er die Bestimmtheit des Titels beanstandete, hat das Amtsgericht P. mit Beschluss vom 19. November 2004 zurückgewiesen.

Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht P. den Beschluss des Amtsgerichts P. vom 19. November 2004 und den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts P. vom 29. April 2004 aufgehoben. Es hat die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich für den Zeitraum, in dem im Rahmen der Bezüge eines Professors der Vergütungsgruppe C 4 der H. -Universität in B. Sonderzahlungen nach dem Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung des Landes B. zu berücksichtigen sind, für unzulässig erklärt.

Mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin die Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und Wiederherstellung des Beschlusses des Amtsgerichts.

II.

Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, 575 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Amtsgerichts P. vom 19. November 2004.

1. Das Landgericht ist der Ansicht, der Schuldner könne sich mit Erfolg darauf berufen, dass die Zwangsvollstreckung aus dem vor dem Familiengericht geschlossenen Vergleich mangels hinreichender Bestimmbarkeit des Zahlungstitels zurzeit unzulässig sei.

Die Berechnung eines Zahlungsanspruchs im Vollstreckungstitel könne offen bleiben, wenn sie ohne weiteres dadurch möglich sei, dass auf außerhalb des Titels liegende Bemessungsmaßstäbe Bezug genommen werde, welche eindeutig und allgemein zugänglich seien. Dies sei im Hinblick auf die Gewährung einer jährlichen Sonderzulage (Weihnachtsgeld), das nicht mehr prozentual, sondern in einem Betrag von 640 € geleistet werde, ab dem Jahre 2003 nicht mehr der Fall. Da die Addition des Betrages von 640 € zu den jeweiligen Altersstufen der Gehaltsgruppe C 4 zu unterschiedlichen prozentualen Verschiebungen führe, könne eine Berechnung anhand der Besoldungstabelle nicht mehr erfolgen, sondern nur durch Auskunft des Schuldners bzw. der zuständigen Besoldungsbehörde. Der Titel sei daher nicht vollstreckungsfähig (Bezug auf BGH, Urteil vom 24. Oktober 1956 - V ZR 127/55, BGHZ 22, 54, 57).

2. Die dagegen gerichtete Rüge der Gläubigerin hat Erfolg.

Sie beanstandet zu Recht, dass das Beschwerdegericht bei seiner Beurteilung maßgebend auf Satz 2 des Vergleichs abstellt und den für die Auslegung des Titels entscheidenden Satz 1 nicht in rechtlich gebotener Weise berücksichtigt. Nach Satz 1 des Vergleichs zahlt der Ehemann (= Schuldner) an die Ehefrau (= Gläubigerin) eine lebenslängliche Leibrente von monatlich 1.250 DM. Dieser Betrag ist bestimmt. Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung wegen Unterhaltsrückstandes aus einem Teil dieses Betrags. Hinsichtlich dieses Betrages ist und bleibt der Vergleich, ungeachtet der Regelung in Satz 2, vollstreckbar. Soweit der Schuldner die Ansicht vertritt, es sei wegen der veränderten Sonderzahlung zu seinen Ungunsten eine Änderung eingetreten, die zur Reduzierung seiner Zahlungsverpflichtung führe, handelt es sich um eine materiell-rechtliche Einwendung, die nichts an der Bestimmtheit des Titels ändert (BGH, Urteil vom 16. April 1997 - VIII ZR 239/96, NJW 1997, 2887 m.w.N.) und die im vorliegenden Verfahren nicht erhoben werden kann, vielmehr im Rahmen der für eine derartige Änderung eröffneten prozessualen Vorgehensweisen verfolgt werden muss.

Das Landgericht stützt seine abweichende Ansicht zu Unrecht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24. Oktober 1956 (V ZR 127/55, BGHZ 22, 54, 57). Dort war die Unterhaltsrente nicht in einem bestimmten Betrag bezeichnet, sondern mit 50 % der monatlichen Höchstpension eines Bayerischen Notars. Hier hingegen ist die Leibrente mit 1.250 DM monatlich bestimmt.

Ende der Entscheidung

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