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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 06.05.1999
Aktenzeichen: VII ZB 6/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 234 A
ZPO § 236 B
ZPO §§ 234 A, 236 B

Die Beschwerde gegen einen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagenden Beschluß darf auch nach Ablauf der Antragsfrist auf ergänzende Angaben zur Zuverlässigkeit von Büroangestellten gestützt werden, wenn diese Angaben nach § 139 ZPO aufklärungsbedürftig waren.

BGH, Beschluß vom 6. Mai 1999 - VII ZB 6/99 - OLG Karlsruhe LG Freiburg


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VII ZB 6/99

vom

6. Mai 1999

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Mai 1999 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Haß, Dr. Kuffer und Dr. Kniffka

beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird der Beschluß des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - vom 29. Januar 1999 aufgehoben.

Den Klägern wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil des Einzelrichters der 14. Zivilkammer des Landgerichts Freiburg vom 28. Mai 1998 gewährt.

Gründe:

1. Die Kläger haben Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Diese lief am 6. Oktober 1998 ab. Die Berufungsbegründung ging erst am 7. Oktober 1998 beim Oberlandesgericht ein. Die Kläger haben im wesentlichen vorgetragen, ihr Prozeßbevollmächtigter habe die Berufungsbegründung am 6. Oktober 1998 fertiggestellt und sie seiner zuverlässigen Anwaltsgehilfin übergeben mit der ausdrücklichen Weisung dafür Sorge zu tragen, daß der Schriftsatz noch am gleichen Tag wegen des Fristablaufs beim Oberlandesgericht abgegeben werde. Diese habe den Schriftsatz am 6. Oktober 1998 dem langjährigen Boten der Kanzlei mit der ausdrücklichen Weisung übergeben, ihn noch an diesem Tage beim Oberlandesgericht abzugeben.

2. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Es sei davon auszugehen, daß der Bote schon seit Jahren von der Kanzlei regelmäßig zur Einreichung von Schriftsätzen herangezogen werde. Das sei nur dann nicht zu beanstanden, wenn er sich als zuverlässig erwiesen habe. Dies sei nicht dargetan und glaubhaft gemacht.

3. Die sofortige Beschwerde ist begründet. Den Klägern ist unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO zu gewähren, weil die Versäumung der Berufungsfrist nicht auf einem Verschulden der Prozeßbevollmächtigten beruht, das sich die Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müßten.

a) Die Kläger haben mit der sofortigen Beschwerde dargetan, daß der von der Anwaltsgehilfin beauftragte Bote seine Aufgaben stets gewissenhaft und korrekt wahrgenommen hat. Er habe sich insbesondere dann als zuverlässig erwiesen, wenn ihm fristwahrende Schriftstücke übergeben worden seien.

b) Nach dieser Darstellung trifft die Kläger an der Fristversäumung kein Verschulden. Die Überbringung der Berufungsschrift durften ihre Prozeßbevollmächtigten ohne eigenes Verschulden ihrer zuverlässigen Anwaltsgehilfin anvertrauen, mit der Weisung dafür Sorge zu tragen, daß der Schriftsatz am gleichen Tage beim Oberlandesgericht einging. Da der für die Kanzlei tätige Bote als zuverlässig bekannt war, mußten sie keine weiteren Vorsichtsmaßnahmen ergreifen (vgl. BGH, Beschluß vom 13. Juli 1993 - VI ZB 8/93 = NJW-RR 1994, 510). Die entsprechenden Angaben sind durch die eidesstattliche Erklärung ihres Prozeßbevollmächtigten glaubhaft gemacht.

Zu Unrecht vermißt der Beklagte genaue Angaben dazu, wann der Schriftsatz an die Anwaltsgehilfin übergeben und beim Oberlandesgericht abgegeben worden ist. Auf diese Einzelheiten kommt es nicht an. Aus dem Vortrag der Kläger ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, daß der Schriftsatz noch während der üblichen Arbeitszeit übergeben worden ist. Angesichts der örtlichen Verhältnisse in Freiburg kann kein Zweifel daran bestehen, daß der Schriftsatz bei ordnungsgemäßer Ausführung der Weisung noch rechtzeitig beim Oberlandesgericht eingegangen wäre.

c) Der in der Beschwerde nachgeholte Vortrag der Kläger war zu berücksichtigen. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten war, nach Ablauf der Antragsfrist mit der Beschwerde ergänzt werden können (BGH, Beschluß vom 8. April 1997 - VI ZB 8/97 = NJW 1997, 2120; Beschluß vom 10. Februar 1994 - VII ZB 25/93 = VersR 1994, 1368; Beschluß vom 25. Februar 1976 - VIII ZB 3/76 = VersR 1976, 732). Um solche Angaben handelt es sich in der Beschwerdeschrift. Ergänzende Angaben zur Zuverlässigkeit von Büroangestellten sind keine neuen Tatsachen zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags, die nicht mehr nach Ablauf der Antragsfrist nachgeschoben werden können (BGH, Beschluß vom 4. Oktober 1988 - VI ZB 21/88 = NJW-RR 1989, 126). Das Berufungsgericht hätte eine entsprechende Ergänzung herbeiführen müssen, zumal der Hinweis der Kläger auf die langjährige Heranziehung des Boten ohnehin die Vermutung nahelegt, daß auch dessen Zuverlässigkeit behauptet werden sollte.

Ende der Entscheidung

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