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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.07.2009
Aktenzeichen: VII ZB 65/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 850d Abs. 1 | |
BGB § 367 Abs. 1 |
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 9. Juli 2009
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka,
den Richter Dr. Kuffer,
die Richterin Safari Chabestari,
den Richter Halfmeier und
den Richter Leupertz beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Ellwangen vom 16. Juli 2008 wird auf Kosten des Gläubigers zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Der Gläubiger betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts vom 2. April 2008 (Az.: 2 F 15/07), in dem die Kosten eines zuvor gegen den Schuldner geführten Unterhaltsprozesses tituliert sind. Am 6. Juni 2008 hat das Vollstreckungsgericht (Rechtspfleger) wegen dieser Kostenforderung einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen, den Antrag des Gläubigers auf Herabsetzung der Pfändungsfreigrenzen nach § 850 d Abs. 1 ZPO indes abgelehnt. Seine dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht nach Nichtabhilfe durch das Amtsgericht durch Beschluss vom 16. Juli 2008 zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen Antrag auf bevorrechtigte Pfändung nach § 850 d Abs. 1 ZPO weiter.
II.
Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 793, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt. In der Sache hat sie keinen Erfolg.
1.
Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, das Pfändungsprivileg des § 850 d Abs. 1 ZPO gelte nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nur für gesetzliche Unterhaltsansprüche. Ansprüche auf Erstattung der Kosten eines zur Durchsetzung solcher Unterhaltsansprüche durchgeführten Unterhaltsprozesses gehörten nicht dazu, weil sie einem anderen, selbständigen Rechtsgrund entsprängen. Auch nach Sinn und Zweck des § 850 d Abs. 1 ZPO seien Prozesskosten nicht vom Anwendungsbereich der Vorschrift umfasst. Deren wesentlicher Zweck bestehe darin, den in seiner Existenz von den Zahlungen des Schuldners abhängigen Gläubiger nicht auf die Sozialhilfe zu verweisen. Diese Gefahr bestehe wegen der Prozesskosten allerdings weder bei einer generalisierenden Betrachtungsweise noch konkret im vorliegenden Fall. Dass der im obigen Sinne bedürftige Gläubiger die Prozesskosten aus Mitteln entnehmen müsse, die ihm sonst für seinen Unterhalt zur Verfügung stünden, rechtfertige die bevorrechtigte Vollstreckung daraus resultierender Kostenerstattungsansprüche ebenfalls nicht, weil sonst jede auf Erstattung verauslagter Geldbeträge gerichtete Forderung des Gläubigers gegen den Unterhaltsschuldner als privilegiert gelten müsse.
2.
Das hält der rechtlichen Prüfung im Ergebnis stand. Das Landgericht hat eine bevorrechtigte Vollstreckung des in Rede stehenden Kostenerstattungsanspruchs zu Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 850 d Abs. 1 ZPO liegen nicht vor.
a)
In Rechtsprechung und Literatur wird allerdings die Auffassung vertreten, dass der Anspruch des Unterhaltsgläubigers gegen den Unterhaltsschuldner auf Erstattung der aus einem Unterhaltsrechtsstreit resultierenden Prozesskosten vom Pfändungsprivileg des § 850 d Abs. 1 ZPO umfasst sei (OLG Hamm, Rpfleger 1977, 109, 110; MünchKommZPO/Smid, 3. Aufl., § 850 d Rdn. 3; Musielak/Becker, ZPO, 6. Aufl., § 850 d Rdn. 2; Schuschke/ Walker/Kessal-Wulf, ZPO, 3. Aufl., § 850 d Rdn. 2; Taeger, JR 1964, 348; Behr, Rpfleger 1981, 382, 386; Mümmler, JurBüro 1982, 510, 511 f. - für Beitreibungskosten). Der Unterhaltsgläubiger müsse die von ihm vorgeschossenen Prozesskosten aus Mitteln entnehmen, die ihm sonst für seinen Unterhalt zur Verfügung stünden. Deshalb entspreche es dem in § 850 d Abs. 1 ZPO zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, dem Gläubiger zu einer möglichst ungeschmälerten Durchsetzung seines Unterhaltsanspruchs zu verhelfen, wenn ihm über die Zubilligung eines Pfändungsvorrechts nach § 850 d Abs. 1 ZPO auch die Beitreibung jener, seinen Unterhalt sonst schmälernden Kosten erleichtert werde (so insbesondere: OLG Hamm, aaO; Behr, aaO).
Die Gegenmeinung geht demgegenüber auf der Grundlage einer am Wortlaut orientierten, engen Auslegung des § 850 d Abs. 1 ZPO davon aus, dass Kostenerstattungsansprüche des Gläubigers den nach dieser Vorschrift allein bevorrechtigten Unterhaltsansprüchen selbst dann nicht gleichstehen, wenn sie die Kosten eines vorausgegangen Unterhaltsprozesses betreffen (LG München I, Rpfleger 1965, 278; LG Berlin, Rpfleger 1967, 223; LG Offenburg, JR 1964, 347; LG Essen, MDR 1960, 680 ; OLG Celle, JW 1931, 2178; Büttner, FamRZ 1994, 1433, 1434; Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rdn. 1085; Zöller/Stöber, ZPO, 27. Aufl., § 850 d Rdn. 3; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 850 d Rdn. 10; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl., § 850 d Rdn. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 850 d Rdn. 3; Zimmermann, ZPO, 8. Aufl., § 850 d Rdn. 2).
b)
Die letztgenannte, auch vom Landgericht vertretene Auffassung ist richtig.
aa)
Die Vollstreckungsprivilegierung nach § 850 d Abs. 1 Satz 1 ZPO umfasst nur gesetzliche Unterhaltsansprüche des Gläubigers (BGH, Beschluss vom 5. Juli 2005 - VII ZB 11/05, FamRZ 2005, 1564, 1565; Beschluss vom 10. Oktober 2003 - IXa ZB 170/03, FamRZ 2004, 185 = Rpfleger 2004, 111). Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch des im Unterhaltsprozess obsiegenden Unterhaltsgläubigers ist kein solcher Anspruch. Er entsteht vielmehr eigenständig nach Maßgabe der §§ 91 ff. ZPO (allg. Meinung, vgl. Musielak/Wolst, ZPO, 6. Aufl., vor § 91 Rdn. 14 m.w.N.) und unabhängig vom Gegenstand der dem jeweiligen Verfahren zugrunde liegenden Klageforderung, der nur im Rahmen der §§ 93 a bis 93 d ZPO als Anknüpfungspunkt für die dort normierten Sondertatbestände der Kostenverteilung Bedeutung erlangt. Gegenteiliges ergibt sich nicht aus § 367 Abs. 1 BGB, wonach Zahlungen des Schuldners vorrangig auf Zinsen und (Prozess-) Kosten anzurechnen sind. Der Kostenerstattungsanspruch des Unterhaltsgläubigers wird nicht dadurch zu einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch, dass er kraft gesetzlicher Anordnung vor diesem getilgt wird, wenn der Unterhaltsschuldner unterscheidungslos auf beide Forderungen zahlt. Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur abgesonderten Befriedigung wegen nach Insolvenzeröffnung fällig gewordener Ansprüche auf Kosten und Zinsen (BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 - IX ZR 132/07, WM 2008, 1660) folgt nichts anderes.
bb)
Es besteht auch keine Veranlassung, das Pfändungsprivileg des § 850 d Abs. 1 ZPO auf einen in der soeben beschriebenen Weise mit Unterhaltsforderungen verknüpften Kostenerstattungsanspruch zu erstrecken. Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht vom Regelungsgehalt des § 850 d Abs. 1 ZPO umfasst.
Hinter der durch § 850 d Abs. 1 ZPO für gesetzliche Unterhaltsansprüche angeordneten Herabsetzung der Pfändungsfreigrenzen steht das gesetzgeberische Anliegen, den Gläubiger, der seinen Unterhalt nicht selbst bestreiten kann, nicht auf die staatliche Sozialfürsorge zu verweisen. Stattdessen soll er privilegiert Zugriff auf das Arbeitseinkommen des ihm gegenüber unterhaltspflichtigen Schuldners nehmen dürfen (BGH, Beschluss vom 5. Juli 2005 - VII ZB 11/05, FamRZ 2005, 1564, 1565). Allerdings ist die vollstreckungsrechtliche Bevorzugung des Unterhaltsgläubigers gemäß § 850 d Abs. 1 Satz 4 ZPO zeitlich auf solche Unterhaltsforderungen beschränkt, die nicht länger als ein Jahr vor dem Antrag auf Erlass des Pfändungsbeschlusses fällig geworden sind, und sonst nur für die Fälle zugelassen, in denen sich der Unterhaltsschuldner seiner Zahlungsverpflichtung absichtlich entzogen hat. Auch das entspricht dem gesetzgeberischen Zweck der Vorschrift. Denn für rückständigen Unterhalt, der wegen des Zeitablaufs nicht mehr dazu dienen kann, seinen aktuellen Unterhaltsbedarf zu befriedigen, bedarf der Unterhaltsgläubiger keiner vollstreckungsrechtlichen Privilegierung, weil dann die Gefahr nicht besteht, dass er wegen ausbleibender Zahlungen des Schuldners auf Sozialleistungen angewiesen ist (BGH, Beschluss vom 5. Juli 2005 - VII ZB 11/05, FamRZ 2005, 1564, 1565). Aus alledem ergibt sich, dass nur der im obigen Sinne unterhaltsbedürftige Gläubiger bevorzugt Zugriff auf das Arbeitseinkommen des Unterhaltsschuldners nehmen können soll.
Eine solche Bedürftigkeit besteht nicht für Ansprüche des Unterhaltsgläubigers auf Erstattung der Kosten eines Unterhaltsprozesses. Die hiergegen vorgebrachte Erwägung, der Gläubiger habe die Prozesskosten aus Mitteln entnehmen müssen, die ihm sonst für seinen Unterhalt zur Verfügung gestanden hätten (OLG Hamm, Rpfleger 1977, 109, 110; Behr, Rpfleger 1981, 382, 386; Mümmler, JurBüro 1982, 510, 511 f. - für Beitreibungskosten), geht fehl. Sie beruht auf der Annahme, dass der gerichtlich erst noch durchzusetzende Unterhalt des Gläubigers geschmälert wird, weil er die Prozesskosten auslegen muss. Das trifft nicht zu. Der unbemittelte Unterhaltsgläubiger muss die Kosten der gerichtlichen Durchsetzung seiner Unterhaltsansprüche nicht aus eigenen Mitteln aufbringen. Er kann vom Unterhaltsschuldner Prozesskostenvorschuss verlangen (§§ 1360 a Abs. 4, 1610 BGB), und soweit ein solcher Vorschussanspruch mangels Leistungsfähigkeit des Schuldners oder aus sonstigen Gründen nicht besteht, Prozesskostenhilfe nach Maßgabe der §§ 114 ff. ZPO beanspruchen. Dabei übersieht der Senat nicht, dass die sich aus § 115 ZPO ergebenden Kriterien für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht deckungsgleich denjenigen entsprechen, nach denen der Unterhaltsbedarf des Gläubigers zu bemessen ist. Gleichwohl stellt ihre Anwendung hinreichend sicher, dass dem Unterhaltsgläubiger durch die Finanzierung des Unterhaltsprozesses nicht zusätzlich Mittel entzogen werden, die er für seinen angemessenen laufenden Unterhalt benötigt. Dann aber besteht mit Rücksicht auf den Regelungszweck des § 850 d Abs. 1 ZPO kein Anlass, ihn wegen seines Kostenerstattungsanspruchs bei der Vollstreckung zu bevorzugen.
Das steht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht im Widerspruch dazu, dass der Prozesskostenvorschussanspruch des Unterhaltsgläubigers dem vollstreckungsrechtlichen Privileg des § 850 d Abs. 1 ZPO unterliegt (vgl. MünchKommZPO/Smid, 3. Aufl., § 850 d Rdn. 3, m.w.N.). Bei dem Prozesskostenvorschussanspruch handelt es sich im Gegensatz zum prozessualen Kostenerstattungsanspruch um einen Unterhaltsanspruch (BGH, Urteil vom 14. Februar 1990 - XII ZR 39/89, FamRZ 1990, 491), der demnach unmittelbar vom Regelungsgehalt des § 850 d Abs. 1 ZPO umfasst ist. Seine Entstehung setzt die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners voraus, die im Unterhaltsprozess einschließlich eines eventuellen Abänderungsverfahrens geprüft wird und in die Bemessung des Selbstbehalts des Schuldners einfließt (Büttner, FamRZ 1994, 1433, 1434). Deshalb ist es gerechtfertigt, dem Gläubiger auch wegen dieses Unterhaltsanspruches den bevorzugten Zugriff auf das Arbeitseinkommen des Unterhaltsschuldners zu gestatten. Bei einem prozessualen Kostenerstattungsanspruch liegen diese Voraussetzungen demgegenüber nicht vor.
Soweit die Rechtsbeschwerde meint, die vollstreckungsrechtliche Bevorrechtigung des Prozesskostenerstattungsanspruchs sei zu bejahen, weil auch der Anspruch des Unterhaltsgläubigers auf Erstattung der Kosten der Vollstreckung seines Unterhaltsanspruches nach § 850 d Abs. 1 ZPO privilegiert sei, kann sie hieraus nichts zu ihren Gunsten herleiten. Ob wegen der Beitreibungskosten bevorzugt vollstreckt werden kann, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (dafür bspw.: OLG Hamm, Rpfleger 1977, 109, 110; MünchKomm ZPO/Smid, 3. Aufl., § 850 d Rdn. 3; Musielak/Becker, ZPO, 6. Aufl., § 850 d Rdn. 2; Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, ZPO, 3. Aufl., § 850 d Rdn. 2; dagegen: LG Offenburg, JR 1964, 347; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 850 d Rdn. 3; Büttner, FamRZ 1994, 1433, 1434). Diesen Streit braucht der Senat hier nicht zu entscheiden. Denn eine bevorzugte Vollstreckung der Beitreibungskosten könnte sich allenfalls unter Heranziehung des § 788 ZPO ergeben, der hier keine Anwendung findet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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