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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.11.2005
Aktenzeichen: VII ZB 76/05
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 24. November 2005
in der Rechtsbeschwerdesache
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. November 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Dr. Haß, Hausmann, Dr. Wiebel und Dr. Kuffer
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde der Kläger gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 9. Mai 2005 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 1.126,87 €
Gründe:
I.
Die Parteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Erstattungsfähigkeit der Kosten für ein von den Klägern vorprozessual in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten.
Die Kläger schlossen im Jahr 1999 mit M. einen notariellen Vertrag über den Erwerb einer noch zu errichtenden Doppelhaushälfte. In § 6 Nr. 2. c) des Vertrages war u.a. vereinbart, dass bei Meinungsverschiedenheiten über Mängel ein unabhängiger vereidigter Sachverständiger, der von beiden Vertragsparteien übereinstimmend und im Streitfall von der örtlich zuständigen Industrie- und Handelskammer zu benennen war, Art und Ausmaß der streitigen Mängel feststellen sowie den Inhalt und die Art und Weise der Erfüllung des Gewährleistungsanspruchs des Erwerbers bestimmen sollte. Die Kosten der Begutachtung sollten nach der Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien nach Maßgabe ihres Obsiegens bzw. Unterliegens verteilt werden.
Nach Abnahme traten im Keller des Hauses Feuchtigkeitsschäden auf. Nachdem die Kläger M. erfolglos zur Beseitigung der Mängel aufgefordert hatten, beauftragten sie im Jahr 2001 entsprechend dem in § 6 Nr. 2. c) vereinbarten Verfahren einen Sachverständigen mit der Prüfung der beanstandeten Mängel. Dieser bestätigte das Vorhandensein von Feuchtigkeit im Kellergeschoss, ohne die Ursache hierfür abschließend klären zu können. Unter Bezugnahme auf das Sachverständigengutachten erhoben die Kläger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des M. gegen den zum Insolvenzverwalter bestellten Beklagten Klage auf Freigabe der von den Klägern einvernehmlich bei ihrem Prozessbevollmächtigten hinterlegten Restvergütung über 11.072,02 € mit der Begründung, ihnen stehe in dieser Höhe ein Anspruch auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten zu. Nachdem das Gericht einen Sachverständigen mit der Begutachtung der Mängel beauftragt und dieser vorhandene Feuchtigkeit festgestellt hatte, erkannte der Beklagte die Klageforderung an. Mit Anerkenntnisurteil wurde er unter Auferlegung der Kosten antragsgemäß verurteilt.
Das Landgericht hat die Kosten für das vorprozessual eingeholte Sachverständigengutachten in Höhe von 1.126,87 € gegen den Beklagten festgesetzt. Das Beschwerdegericht hat den Kostenfestsetzungsbeschluss aufgehoben und den Antrag der Kläger zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Kläger ihren Kostenfestsetzungsantrag weiter.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Die Kläger können die Kosten für das von ihnen vorprozessual eingeholte Sachverständigengutachten im Kostenfestsetzungsverfahren nicht erstattet verlangen.
1. Das Beschwerdegericht ist der Ansicht, dass eine Erstattung der Kosten für das vorprozessual eingeholte Sachverständigengutachten ausscheide, da es sich um ein Schiedsgutachten im Sinne des § 317 BGB handele. Die Kosten eines Schiedsgutachtens seien nicht als notwendige Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91 ZPO anzusehen. Die Kläger hätten mit der Einholung des Gutachtens der in § 6 Nr. 2. c) des Vertrags vereinbarten Schiedsgutachterabrede Rechnung tragen wollen. Damit habe das Gutachten nicht dazu gedient, den Sachvortrag im vorliegenden Prozess zu ermöglichen oder zu erleichtern. Es habe die außergerichtliche Erledigung von Meinungsverschiedenheiten fördern sollen. Der Erstattungsfähigkeit stehe zudem entgegen, dass der im Vertrag vereinbarte Verteilungsmaßstab für die Kosten des Schiedsgutachtens im Kostenfestsetzungsverfahren keine Berücksichtigung finden könne.
2. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
a) Rechtsfehlerfrei geht das Beschwerdegericht davon aus, dass das von den Klägern eingeholte Gutachten als Schiedsgutachten zu beurteilen ist.
Die Parteien haben mit der Vereinbarung in § 6 Nr. 2. c) des Vertrags eine Schiedsgutachterabrede getroffen. Dies ist anzunehmen, wenn ein Sachverständiger die im Verhältnis der Parteien bestehenden Ansprüche und Verbindlichkeiten rechtsgestaltend festlegen oder Tatbestandselemente solcher Ansprüche für die Parteien vorbehaltlich einer gerichtlichen Nachprüfung verbindlich feststellen soll (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 1952 - II ZR 104/51, BGHZ 6, 335, 339). Der Sachverständige ist nach der Vertragsklausel ermächtigt, Art und Ausmaß der streitigen Mängel festzustellen sowie den Inhalt des Gewährleistungsanspruchs des Erwerbers und die Art und Weise seiner Erfüllung verbindlich festzulegen. Die Vertragsparteien haben sich zudem die Möglichkeit zur gerichtlichen Überprüfung des Gutachtens ausdrücklich vorbehalten.
Für die Frage, ob ein Schiedsgutachten vorliegt, kommt es nicht darauf an, ob der Sachverständige zu Art und Umfang der bestehenden Mängel sowie zu Inhalt und Erfüllung des Gewährleistungsanspruchs konkrete Feststellungen getroffen hat. Zwischen den Parteien bestand bei Einschaltung des Sachverständigen Streit über die Ursache der im Keller des Hauses aufgetretenen Feuchtigkeit. Die Kläger haben nach ihrem Vorbringen mit der Einholung des Gutachtens dem in § 6 Nr. 2. c) des Vertrages vereinbarten Verfahren ausdrücklich Rechnung tragen wollen.
b) Die Festsetzung der Gutachterkosten ist nicht bereits deswegen ausgeschlossen, weil es sich um eine Insolvenzforderung im Sinne des § 38 InsO handelt, die nach § 28 InsO zur Insolvenztabelle anzumelden ist. Die Kläger beanspruchen die Festsetzung der Kosten des Sachverständigengutachtens als Teil der außergerichtlichen Kosten, die ihnen in einem nach Insolvenzeröffnung gegen den Insolvenzverwalter geführten Rechtsstreit entstanden sind. Die Kosten eines solchen Rechtsstreits fallen, sofern der Insolvenzverwalter unterliegt, der Insolvenzmasse zur Last (vgl. Uhlenbruck-Uhlenbruck/Berscheid, Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 55 Rn. 15 m. Nachw.).
c) Die Kosten eines Schiedsgutachtens gehören grundsätzlich nicht zu den nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu erstattenden Kosten des Rechtsstreits. Sie sind in der Regel nicht als notwendige Kosten des Rechtsstreits anzusehen, weil die Einholung des Schiedsgutachtens mit der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs nicht in unmittelbarem Zusammenhang steht (vgl. OLG München, JurBüro 1989, 1123, 1124; OLG Düsseldorf, JurBüro 1999, 367, 368; OLG Koblenz, JurBüro 2003, 210; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 91 Rn. 13 Schiedsgutachten; Musielak/Wolst, ZPO, 4. Aufl., § 91 Rn. 60; MünchKommZPO-Belz, 2. Aufl., § 91 Rn. 85; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 91 Rn. 79 m. w. Nachw.).
Ein Schiedsgutachten dient nicht unmittelbar der gerichtlichen Rechtsverfolgung eines bestehenden Anspruchs, sondern dazu, den Inhalt eines vertraglichen Anspruchs oder einzelner Anspruchsvoraussetzungen zwischen den Parteien verbindlich festzulegen, um nach Möglichkeit einen Rechtsstreit zu vermeiden. Mit der Einholung des Schiedsgutachtens erfüllt die Vertragspartei eine nach dem Vertrag notwendige Voraussetzung, um den Anspruch gegenüber der anderen Vertragspartei wirksam begründen zu können. Sofern die Vertragsparteien hinsichtlich eines Anspruchs oder einzelner Anspruchsvoraussetzungen eine Schiedsgutachterabrede getroffen haben, ist regelmäßig anzunehmen, dass die Einholung des Schiedsgutachtens in den im Vertrag bestimmten Fällen Anspruchsvoraussetzung ist. Daher ist eine vor Einholung des Schiedsgutachtens erhobene Klage, die auf den Anspruch gestützt wird, dessen Inhalt oder dessen Voraussetzungen durch ein Schiedsgutachten festgestellt werden sollen, als derzeit unbegründet abzuweisen (vgl. BGH, Urteil 8. Juni 1988 - VIII ZR 105/87, NJW-RR 1988, 1405 m. w. Nachw.).
d) Das Rechtsbeschwerdevorbringen veranlasst keine abweichende Beurteilung.
aa) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, die Kosten eines Schiedsgutachtens gehörten wie diejenigen eines selbständigen Beweisverfahrens zu den Kosten des Rechtsstreits. Die Einholung des Schiedsgutachtens stellt sich nicht als vorgezogener Teil einer gerichtlichen Beweisaufnahme dar. Die Feststellung eines Anspruchs oder einzelner Anspruchsvoraussetzungen durch den Schiedsgutachter beruht auf einer entsprechenden vertraglichen Abrede der Parteien. Die Verfahrensgarantien einer gerichtlichen Beweisaufnahme gelten für die Erstattung eines Schiedsgutachtens nicht (BGH, Urteil vom 25. Juni 1952 - II ZR 104/51, BGHZ 6, 335, 340 f.). Eine erneute Beweisaufnahme über die vom Schiedsgutachter getroffenen Feststellungen ist im Prozess nur insoweit ausgeschlossen, als diese Feststellungen für die Parteien nach den §§ 317, 319 BGB bindend sind.
bb) Die Kosten für die Einholung eines Schiedsgutachtens sind ferner nicht als notwendige Kosten des Rechtsstreits anzusehen, weil dem Schiedsgutachten gegenüber einem Privatgutachten, dessen Kosten unter bestimmten Voraussetzungen von der unterliegenden Partei nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu erstatten sind, ein höherer Beweiswert zukommt. Grundlage der Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens ist seine unmittelbare Prozessbezogenheit. Der Beweiswert eines Schiedsgutachtens ist dagegen für die Frage, ob die hierfür aufgewendeten Kosten notwendige Kosten des Rechtsstreits darstellen, ohne Bedeutung.
cc) Die für das Sachverständigengutachten angefallenen Kosten wären entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde vom Beklagten als notwendige Kosten des Rechtsstreits auch dann nicht zu erstatten, wenn die Grundsätze Anwendung finden, die für die Erstattung der Kosten eines vorprozessual eingeholten Privatgutachtens gelten. Die Kosten eines Privatgutachtens wären danach nur erstattungsfähig, wenn die Partei infolge fehlender Sachkenntnisse ohne Inanspruchnahme eines Sachverständigen zu einem sachgerechtem Vortrag nicht in der Lage wäre (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2002 - VI ZB 56/02, BGHZ 153, 235, 238 m. Nachw.).
Die Kläger waren hier ohne weiteres imstande, zu den Mängeln vorzutragen, die den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten rechtfertigten. Zur Darlegung eines Mangels reicht es aus, die Mangelerscheinungen objektiv zu bezeichnen. Die Darlegung der Ursachen der Mangelerscheinung ist dagegen für den schlüssigen Vortrag einer auf Ersatz von Mangelbeseitigungskosten gerichteten Klage nicht erforderlich (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 17. Januar 2002 - VII ZR 488/00, BauR 2002, 784, 785 = ZfBR 2002, 357 f. = NZBau 2002, 335, 336 und vom 6. Dezember 2001 - VII ZR 241/00, BauR 2002, 613, 617 = ZfBR 2002, 345, 347 = NZBau 2002, 338, 340). Dass die Kläger zur Darlegung der beanstandeten Mangelerscheinungen einen Sachverständigen benötigten, macht die Rechtsbeschwerde nicht geltend.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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