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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 28.09.2006
Aktenzeichen: VII ZR 103/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 139
ZPO § 278 Abs. 3
ZPO § 544 Abs. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VII ZR 103/05

vom 28. September 2006

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. September 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Dr. Haß, Dr. Kuffer, Bauner und die Richterin Safari Chabestari

beschlossen:

Tenor:

Der Beschwerde der Klägerin wird stattgegeben.

Das Urteil des 12. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 17. März 2005 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gegenstandswert: 39.785,67€

Gründe:

Das Berufungsurteil ist aufzuheben, da es auf einer Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör beruht.

Das Berufungsgericht meint, die von der Klägerin zur Erläuterung ihrer Schlussrechnung mit Schriftsatz vom 11. März 2005 vorgelegte Kalkulation sei nicht mehr zu berücksichtigen. Eines weiteren Hinweises gemäß § 139 ZPO - über den in der mündlichen Berufungsverhandlung erteilten hinaus - bedürfe es genauso wenig wie der Gewährung einer Schriftsatzfrist. Die Beklagte habe schon früh auf die fehlende Prüffähigkeit der Schlussrechnung hingewiesen. Nach alledem sei eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht veranlasst.

Die auf diese Überlegungen gestützte Zurückweisung des Vorbringens der Klägerin in dem genannten Schriftsatz ist nicht durch das Prozessrecht gerechtfertigt, sondern verletzt die Klägerin in ihrem Verfahrensgrundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG.

Eine in erster Instanz siegreiche Partei darf darauf vertrauen, dass das Berufungsgericht ihr rechtzeitig einen Hinweis nach §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO gibt, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und insbesondere aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (BGH, Urteil vom 27. April 1994 - XII ZR 16/93, BGHR ZPO § 139 Hinweispflicht 3). Das Landgericht hatte die Prüfbarkeit der Schlussrechnung bejaht und der Klage auf dieser Grundlage im Wesentlichen stattgegeben. Das Berufungsgericht musste daher auf seine abweichende Ansicht hinweisen und der Klägerin Gelegenheit geben, insoweit ergänzend vorzutragen. Diese Hinweispflicht besteht grundsätzlich auch in Prozessen, in denen die Partei durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wird, jedenfalls dann, wenn dieser die Rechtslage falsch beurteilt (BGH, Urteil vom 27. Oktober 1994 - VII ZR 217/93, BGHZ 127, 254, 260; Beschluss vom 8. Dezember 2005 - VII ZR 67/05, BauR 2006, 558 = NZBau 2006, 240). Ein solcher Hinweis erfüllt seinen Zweck jedoch nur dann, wenn der Partei anschließend die Möglichkeit gegeben wird, ihren Sachvortrag unter Berücksichtigung des Hinweises zu ergänzen. Die Sitzungsniederschrift und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils lassen nicht erkennen, dass der Klägerin die hinreichende Möglichkeit zur sachdienlichen Ergänzung ihres Vortrages eröffnet worden wäre. Nach Aktenlage ist vielmehr davon auszugehen, dass das Berufungsgericht der Klägerin verfahrenswidrig diese Möglichkeit verwehrt hat, indem es unmittelbar nach Erteilung des Hinweises die mündliche Verhandlung geschlossen, einen Verkündungstermin bestimmt und schließlich die von der Klägerin beantragte Wiedereröffnung der Verhandlung abgelehnt hat. Bei einer solchen Verfahrensweise war der Hinweis sinnlos und verfehlte den mit der gerichtlichen Hinweispflicht und dem Verbot von Überraschungsentscheidungen verfolgten Zweck.

Auf der verfahrensrechtswidrigen und gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßenden Zurückweisung des Vorbringens der Klägerin im Schriftsatz vom 11. März 2005 beruht das Berufungsurteil, da jedenfalls auf der Grundlage dieses Vorbringens die Schlussrechnung als prüfbar zu erachten ist. Auf die vom Berufungsgericht weiter angestellten, von fehlender Prüfbarkeit ausgehenden rechtlichen Überlegungen kommt es daher nicht an. Insoweit wird insbesondere darauf hingewiesen, dass der Auffassung des Berufungsgerichts nicht gefolgt werden kann, der Auftraggeber sei nur bei einem VOB/B-Vertrag mit dem Einwand fehlender Prüfbarkeit ausgeschlossen, wenn er nicht binnen zwei Monaten nach Zugang der Schlussrechnung diesen Einwand erhoben hat.

Ende der Entscheidung

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