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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 06.12.2007
Aktenzeichen: VII ZR 125/06
Rechtsgebiete: BGB, VOB/B (1992)
Vorschriften:
BGB § 320 | |
BGB § 641 Abs. 3 | |
VOB/B (1992) § 17 Nr. 8 Satz 2 |
Ist der Auftraggeber nach § 17 Nr. 8 Satz 2 VOB/B berechtigt, einen den noch nicht erfüllten Ansprüchen entsprechenden Teil eines Bareinbehalts zurückzuhalten, bestimmt sich der Teil, den er zurückhalten darf, danach, in welcher Höhe er von seinem Leistungsverweigerungsrecht nach §§ 320, 641 Abs. 3 BGB Gebrauch machen darf.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 6. Dezember 2007
in dem Rechtsstreit
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Dr. Kuffer und Bauner, die Richterin Safari Chabestari und den Richter Halfmeier
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 18. Mai 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht unter Ziffer II. 1. der Gründe ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten wegen Mängeln nicht berücksichtigt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht Zahlung einer Restvergütung, die die Beklagte als Sicherheit einbehalten hat. Die Beklagte macht, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, ein Zurückbehaltungsrecht wegen Rissbildungen im Mauerwerk, unzureichend ausgeführten Mauerwerks, durchfeuchteter Wände und unsauber gearbeiteter Filigrandecken geltend.
Die Beklagte beauftragte mit Verträgen vom 10. August 1994 (I. Bauabschnitt) und 4./12. Mai 1995 (II. Bauabschnitt) die W. GmbH (künftig: Zedentin) mit Beton- und Maurerarbeiten für das Bauvorhaben Kurklinik mit Kurhotel H. Die Geltung der VOB/B war vereinbart. Nach Abschluss der Arbeiten und Erstellung der Schlussrechnungen behielt die Beklagte entsprechend der vertraglichen Vereinbarung 5 % der korrigierten Rechnungsbeträge in Höhe von 97.819,02 DM (50.014,07 €) für den ersten Bauabschnitt und 93.820,42 DM (47.969,62 €) für den zweiten Bauabschnitt als Sicherheit ein. Die Gewährleistungsfristen liefen für den ersten Bauabschnitt im Mai 1997 und für den zweiten Bauabschnitt im Januar 1998 ab.
Vor Ablauf der Gewährleistungsfrist rügte die Beklagte mit Schreiben vom 16. Januar 1996, 5. Februar 1996, 20. Februar 1996, 25. März 1996, 10. Mai 1996 und 16. August 1996 insbesondere Rissbildungen im Mauerwerk, unzureichend ausgeführtes Mauerwerk, durchfeuchtete Wände und unsauber gearbeitete Filigrandecken.
Die Zedentin trat ihre Restwerklohnansprüche aus den Schlussrechnungen an die Klägerin ab.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 97.983,68 € nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag unter Berufung auf ihr wegen der genannten Mängel zustehende Zurückbehaltungsrechte weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit ein Zurückbehaltungsrecht wegen Rissbildungen im Mauerwerk, unzureichend ausgeführten Mauerwerks, durchfeuchteter Wände und unsauber gearbeiteter Filigrandecken nicht berücksichtigt wurde. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Auf das Schuldverhältnis der Parteien finden die bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetze Anwendung (Artikel 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
1. Das Berufungsgericht führt aus, der Beklagten stehe ein Zurückbehaltungsrecht wegen der im Schriftsatz vom 27. September 1999 bezeichneten Mängel nicht zu, weil die Klägerin bestritten habe, dass diese Mängel das Gewerk der Zedentin beträfen, und dem Vorbringen der Beklagten ein substantiiert dargelegter Zusammenhang zwischen den einzelnen Mängeln und den von der Zedentin aufgrund des Leistungsverzeichnisses ausgeführten Arbeiten nicht zu entnehmen sei.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Das Berufungsgericht erachtet zu Unrecht die Darlegungen der Beklagten zur Verantwortlichkeit der Zedentin für die behaupteten Mängel als unsubstantiiert. Der Auftraggeber genügt seiner Darlegungslast, wenn er die Mangelerscheinung hinreichend genau bezeichnet und den Mangel der vom Auftragnehmer geschuldeten Werkleistung zuordnet (BGH, Urteil vom 7. Juli 2005 - VII ZR 59/04, BauR 2005, 1626, 1628 = NZBau 2005, 638 = ZfBR 2005, 785; Urteil vom 8. Mai 2003 - VII ZR 407/01, BauR 2003, 1247 = NZBau 2003, 501 = ZfBR 2003, 559). Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Beklagten gerecht. Wie sich aus den Vertragsinhalt gewordenen Leistungsverzeichnissen ergibt, gehörten zu den von der Zedentin geschuldeten Leistungen Beton- und Maurerarbeiten, das Anbringen einer Horizontalsperre und der Einbau von Filigrandecken. Die gerügten Mangelerscheinungen liegen im Bereich dieser Leistungen. Damit ist ein Zusammenhang zwischen dem Werk der Zedentin und den Mängeln hinreichend dargetan. Die Beklagte war nicht gehalten, zu den Ursachen der festgestellten Mangelerscheinungen an den von der Zedentin hergestellten Bauteilen vorzutragen und darzulegen, dass die Mangelerscheinungen nicht auf der fehlerhaften Ausführung anderer an den betroffenen Bauteilen beteiligter Gewerke beruhen.
II.
Das Berufungsurteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig.
1. Der Geltendmachung des Leistungsverweigerungsrechts aus § 320 BGB steht nicht entgegen, dass sich die Beklagte nunmehr auf die Verjährung der behaupteten Mängelbeseitigungsansprüche beruft.
a) Gemäß § 639 Abs. 1, § 478 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Besteller die Zahlung des Werklohns auch wegen verjährter Mängelbeseitigungsansprüche verweigern, wenn er dem Unternehmer die Mängel in unverjährter Zeit angezeigt hat (BGH, Urteil vom 15. Dezember 1969 - VII ZR 148/67, BGHZ 53, 123, 125).
b) Ohne Erfolg wendet die Revisionsbeklagte ein, das Berufungsgericht habe davon ausgehen müssen, dass rechtserhaltende Mängeleinreden hinsichtlich der in der Revisionsinstanz noch interessierenden Mängel nicht erfolgt seien, weil Absendung und Zugang der Mängelanzeigeschreiben der Beklagten bestritten und nicht unter Beweis gestellt seien.
Das Berufungsgericht hat auf die Feststellungen im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Dieses hat als unstreitig festgestellt, dass die noch streitgegenständlichen Mängel mit Schreiben vom 16. Januar 1996, 5. Februar 1996, 20. Februar 1996, 25. März 1996, 10. Mai 1996 und 16. August 1996 gerügt worden seien. Dieser Feststellung kommt nach § 314 ZPO Beweis für das mündliche Parteivorbringen zu. Eine Berichtigung ist nicht erfolgt.
c) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung genügt der Inhalt des Schreibens vom 16. Januar 1996 den Anforderungen an eine Mängelrüge zur Erhaltung der Rechte aus § 320 BGB. Aus ihm geht mit hinreichender Klarheit hervor, dass die Beklagte Nachbesserung begehrt.
2. Die Beklagte ist auch nicht - wie die Revisionserwiderung meint - gehalten, zur Höhe der Beseitigungskosten für die Mängel vorzutragen, auf die sie ihr Leistungsverweigerungsrecht stützt (BGH, Urteil vom 4. Juli 1996 - VII ZR 125/95, BauR 1997, 133, 134 = ZfBR 1997, 31).
a) Nach § 320 Abs. 1 BGB kann ein Besteller wegen eines Mangels die Zahlung des noch offenen Werklohns verweigern. Dabei sieht das Gesetz grundsätzlich keine Beschränkung des Leistungsverweigerungsrechts auf einen dem noch ausstehenden Teil der geschuldeten Gegenleistung entsprechenden Teil vor. Daran hat sich durch die Fassung des neuen § 641 Abs. 3 BGB, der auch auf vor dem 1. Mai 2000 abgeschlossene Verträge anzuwenden ist (Art. 229 § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB), nichts geändert (Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 13. November 2007, § 641 Rdn. 82; zweifelnd Palandt/Sprau, BGB, 67. Auflage, § 641 Rdn. 14). Die Einführung von § 641 Abs. 3 BGB, der als Untergrenze des zurückzubehaltenden Betrags grundsätzlich das Dreifache der für die Beseitigung der Mängel erforderlichen Kosten vorschreibt, sollte nach dem Willen des Gesetzgebers die Bemessung des Druckzuschlages vereinheitlichen, im Übrigen aber an der bestehenden Rechtslage nichts verändern (BT-Drucks. 14/1246, S. 7; vgl. auch Biebelheimer, NZBau 2004, 124). Daher ist es Sache des Unternehmers darzutun, dass der einbehaltene Betrag auch bei Berücksichtigung des Durchsetzungsinteresses des Bestellers unbillig hoch ist (BGH, Urteil vom 4. Juli 1996 - VII ZR 125/95, BauR 1997, 133, 134 = ZfBR 1997, 31). Nicht der Besteller, sondern der Unternehmer ist dementsprechend für die Höhe der Kosten der Mängelbeseitigung darlegungs- und beweispflichtig.
b) § 17 Nr. 8 VOB/B steht dem Leistungsverweigerungsrecht nicht entgegen. Danach hat der Auftraggeber eine nicht verwertete Sicherheit zum vereinbarten Zeitpunkt, spätestens nach Ablauf der Verjährungsfrist für die Gewährleistung zurückzugeben, § 17 Nr. 8 Satz 1 VOB/B. Soweit jedoch zu dieser Zeit seine Ansprüche noch nicht erfüllt sind, darf er einen entsprechenden Teil der Sicherheit zurückhalten, § 17 Nr. 8 Satz 2 VOB/B. Dieses Recht steht dem Auftraggeber allerdings nur zu, wenn er die Mängel, auf die er sein Leistungsverweigerungsrecht stützt, in unverjährter Zeit gerügt hat (BGH, Urteile vom 21. Januar 1993 - VII ZR 127/91, BGHZ 121, 168, 171 und VII ZR 221/91, BGHZ 121, 173, 175). Dies ist hier - wie bereits ausgeführt - der Fall. Da der Bareinbehalt ein Teil der Vergütung ist, deren Fälligkeit unter gleichzeitiger Vereinbarung eines Zurückbehaltungsrechts hinausgeschoben wurde (BGH, Urteil vom 12. Juli 1979 - VII ZR 174/78, BauR 1979, 525, 526), bestimmt sich der Teil, den der Auftraggeber zurückhalten darf, danach, in welcher Höhe er von seinem Leistungsverweigerungsrecht nach §§ 320, 641 Abs. 3 BGB Gebrauch machen darf (vgl. Ingenstau/Korbion/Joussen, VOB/B, 16. Aufl., § 17 Nr. 8 Rdn. 10; Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10. Aufl., B § 17 Rdn. 90).
III.
Für die neue Verhandlung weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
Das Berufungsgericht wird zu beachten haben, dass die Klägerin aus zwei voneinander unabhängigen Verträgen Zahlung begehrt und für jeden Vertrag gesondert festzustellen ist, ob und inwieweit die Auszahlung des jeweiligen Einbehalts wegen Mängeln verweigert werden darf.
Ende der Entscheidung
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