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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.03.2009
Aktenzeichen: VII ZR 139/08
Rechtsgebiete: HOAI, GG, ZPO
Vorschriften:
HOAI § 15 | |
GG Art. 103 Abs. 1 | |
ZPO § 544 Abs. 7 |
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 24. März 2009
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka,
den Richter Dr. Kuffer,
den Richter Bauner,
die Richterin Safari Chabestari und
den Richter Dr. Eick
beschlossen:
Tenor:
Der Beschwerde der Kläger wird stattgeben.
Das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. Juni 2008 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 50.000 EUR
Gründe:
I.
Die Kläger nehmen den beklagten Architekten wegen einer verspätet vorgelegten Kostenberechnung auf Schadensersatz in Höhe von 50.000 EUR in Anspruch.
Die Kläger erwarben im Januar 2000 ein Grundstück in V. und ließen darauf ein Haus mit 6 Eigentumswohnungen errichten. Den Entschluss zu dieser Investition fassten sie, nachdem ihnen der Beklagte im Herbst 1999 anhand einer Wirtschaftlichkeitsberechnung einen zu erwartenden Gewinn von 26 % vor Steuern errechnet hatte. Diesen ermittelte er, indem er einer angenommenen Gesamtinvestition von 2.173.846 DM (einschließlich Finanzierungsaufwand von 80.484 DM) einen Verkaufserlös von 2.743.620 DM gegenüberstellte.
Der Beklagte war gemäß Architektenvertrag von November 1999 mit den Leistungen entsprechend den Leistungsphasen 1 bis 7 des § 15 HOAI beauftragt.
Die Kläger behaupten, die tatsächlich aufgewandten Kosten ohne Finanzierungskosten hätten sich auf 2.947.000 DM belaufen, während der Erlös aus dem Verkauf der Eigentumswohnungen in etwa der Schätzung des Beklagten entsprochen habe. Statt eines Gewinns hätten sie einen Verlust erlitten, der deutlich über dem geltend gemachten Betrag von 50.000 EUR liege. Der Beklagte habe ihnen entgegen seiner Behauptung im April 2000 keine Kostenberechnung mit dem ausgewiesenen Aufwand von 2.625.452 DM übermittelt. Wäre dies geschehen, hätten sie das Bauvorhaben nicht durchgeführt und keinen Verlust erlitten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Die Kläger wollen mit der Revision, deren Zulassung sie begehren, ihren Klageantrag weiterverfolgen.
II.
Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung des Rechts der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
1.
Das Berufungsgericht nimmt an, dem Beklagten sei eine grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichtende Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Architektenvertrag anzulasten. Wie sich aus dem vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachten, gegen das die Parteien keine Bedenken erhoben hätten, ergebe, habe der Beklagte im Frühjahr 2000 Gesamtkosten des Projekts von 2.572.925 DM vorhersehen können. Er habe über die Kostensteigerung nicht durch die von ihm im Prozess vorgelegte Kostenschätzung vom April 2000 aufgeklärt. Diese sei den Klägern nicht zugegangen.
Die Pflichtverletzung sei jedoch für den Schaden der Kläger nicht kausal geworden. Im Vergleich zu der in der Wirtschaftlichkeitsberechnung angegebenen Erlöserwartung von 2.743.620 DM hätten die Kläger auch nach pflichtgemäßer Aufklärung immer noch einen Gewinn von rund 170.000 DM realistisch erwarten können. Dass sie ihr Vorhaben unter diesen Bedingungen abgebrochen und versucht hätten, das bereits erworbene Grundstück wieder zu veräußern, sei weder dargelegt noch ersichtlich, denn auch eine Gewinnerwartung von 170.000 DM stelle eine bedeutsame Größenordnung dar.
2.
Das Berufungsgericht hat gegen den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG, verstoßen. Es hat entscheidungserheblichen Vortrag der Kläger übergangen. Diese haben sich mit Schriftsätzen vom 20. März 2008 und 10. April 2008 dagegen gewandt, dass der Sachverständige in seinem Gutachten vom 14. Februar 2008 einzelne Kosten bei dem für den Beklagten vorhersehbaren Aufwand unberücksichtigt gelassen hat.
Das Berufungsgericht hat sich mit diesem Vorbringen der Kläger nicht befasst. Darin liegt ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG. Ein solcher Verstoß liegt bei einem Umstand vor, aus dem sich klar ergibt, dass das Gericht nicht seiner Pflicht nachgekommen ist, entscheidungserhebliche Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Ein solcher Umstand ist gegeben, wenn das Gericht zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, trotz entsprechenden Parteivortrags in den Entscheidungsgründen nicht Stellung nimmt (vgl. BVerfG, NJW-RR 1995, 1033). Er ist erst recht gegeben, wenn das Gericht in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck bringt, solcher Parteivortrag sei nicht gehalten worden. So liegt es hier. Die Bemerkung des Berufungsgerichts, die Parteien hätten keine Bedenken gegenüber der Feststellung des Sachverständigen vorgetragen, verdeutlicht, dass das Berufungsgericht die Einwendungen der Kläger überhaupt nicht zur Kenntnis genommen hat. Das Berufungsgericht hätte sich mit den Einwendungen der Kläger befassen müssen, denn sie waren für den Ausgang des Rechtsstreits von zentraler Bedeutung. Wären die von den Klägern vorgebrachten Rechnungsposten zu berücksichtigen, so wäre der Entscheidung des Berufungsgerichts die Grundlage entzogen. Das Berufungsgericht hätte sich insbesondere mit denjenigen Positionen auseinandersetzen müssen, deren Beurteilung der Sachverständige in seinem Gutachten ausdrücklich von der Klärung einer Rechtsfrage abhängig gemacht hat.
Der Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht die Pflichtverletzung des Beklagten als ursächlich für den von den Klägern geltend gemachten Schaden angesehen hätte, wenn es deren Vorbringen in den Schriftsätzen vom 20. März und 10. April 2008 berücksichtigt hätte. Das Berufungsurteil war daher gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
III.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Nach dem eigenen Vortrag des Beklagten waren ihm im April 2000 mögliche Kosten des Bauvorhabens von 2.625.452 DM bekannt. Addiert man zu diesem Betrag die in der Wirtschaftlichkeitsberechnung vom Herbst 1999 enthaltenen Finanzierungskosten von 80.484 DM hinzu - wie es jedenfalls in diesem Umfang geboten ist - so ergibt sich unabhängig von den Feststellungen des Sachverständigen eine im Frühjahr 2000 erkennbare Gesamtinvestitionssumme von bereits 2.705.936 DM.
Ende der Entscheidung
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