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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 20.10.2005
Aktenzeichen: VII ZR 153/04
Rechtsgebiete: AGBG
Vorschriften:
AGBG § 9 Abs. 1 Bf |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 20. Oktober 2005
in dem Rechtsstreit
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Hausmann, Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka und die Richterin Safari Chabestari
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17. Dezember 2003 und das Vorbehaltsurteil der 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20. Februar 2003 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger, ein öffentlich-rechtlicher Auftraggeber, nimmt die Beklagte im Urkundenprozess aus zwei Gewährleistungsbürgschaften in Anspruch.
Der Kläger hat die inzwischen insolvente H. und G.-GmbH 1995 mit der Ausführung von Dacharbeiten beauftragt und diesen Auftrag 1998 erweitert. Die abgenommenen Werkleistungen sind mit Mängeln behaftet, deren Beseitigung einen erheblichen Kostenaufwand erfordert.
Dem Werkvertrag liegen die Besonderen Vertragsbedingungen (BVB) des Klägers und nachrangig die VOB Teil B und C zugrunde.
Gemäß Ziffer 14.2 der BVB werden von der Schlussrechnung 5 % der Bruttoabrechnungssumme für die Dauer der fünfjährigen Gewährleistungszeit einbehalten. In Ziffer 17.3 ist bestimmt, dass der Gewährleistungseinbehalt auf ein eigenes Verwahrgeldkonto genommen und nicht verzinst wird.
Ziffer 14.2 enthält des Weiteren folgende Bestimmung:
"Dem Auftragnehmer steht es frei, die Zahlung des einbehaltenen Betrages gegen Übergabe einer unbefristeten, selbstschuldnerischen Gewährleistungsbürgschaft unter Verzicht auf die Rechte nach § 776 BGB einer leistungsfähigen Bank oder Kautionsversicherung zu erlangen. Die Gewährleistungsbürgschaft muss die Verpflichtung des Bürgen zur Zahlung auf erste Anforderung enthalten."
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat sich für die Auftragnehmerin zur Ablösung der Gewährleistungseinbehalte in zwei Bürgschaften auf erstes Anfordern verbürgt. Die Beklagte hält die vertragliche Vereinbarung, wonach der Sicherheitseinbehalt nur durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst werden kann, für unwirksam und sich selbst deswegen nicht für einstandspflichtig.
Das Landgericht hat der Klage mit Vorbehaltsurteil stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt sie die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet.
Das für das Schuldverhältnis maßgebliche Recht richtet sich nach den bis 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht geht davon aus, dass es sich bei den BVB um Allgemeine Geschäftsbedingungen des Klägers handelt. Es hält die Sicherungsvereinbarung für wirksam. Der Auftragnehmer eines insolvenzfesten öffentlichen Auftraggebers werde nicht unangemessen benachteiligt, wenn ihm neben der Möglichkeit, den Sicherheitseinbehalt durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern abzulösen, auch die Wahl bleibe, entsprechend § 17 Nr. 6 Abs. 4 VOB/B den Sicherheitseinbehalt zinslos auf einem Verwahrgeldkonto des Auftraggebers stehen zu lassen.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Sicherungsvereinbarung ist unwirksam. Die Beklagte kann sich auf die Unwirksamkeit berufen.
1. Das Berufungsgericht legt die Sicherungsvereinbarung zutreffend dahin aus, dass unter Ausschluss weitergehender Regelungen der VOB/B der Kläger berechtigt sein soll, 5 % des Werklohns als Sicherheit einzubehalten, dieser Betrag auf ein unverzinstes Verwahrgeldkonto genommen wird und der Auftragnehmer den Einbehalt lediglich durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern ablösen kann.
2. Diese Sicherungsvereinbarung hält der Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 1 BGB nicht stand.
a) Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Auftraggebers, nach deren Inhalt er einen Einbehalt zur Sicherung der Gewährleistungsansprüche vornehmen darf, der lediglich durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst werden kann, ist unwirksam (st. Rspr., BGH, Urteil vom 5. Juni 1997 - VII ZR 324/95, BGHZ 136, 27). Der Senat hat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden, dass die Bürgschaft auf erstes Anfordern als einziges Austauschmittel auch dann kein angemessener Ausgleich für den Sicherheitseinbehalt ist, wenn die Klausel von einem öffentlichen Auftraggeber gestellt wird, bei dem das Insolvenzrisiko nicht besteht (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2004 - VII ZR 265/03, BauR 2005, 539 = NZBau 2005, 219 = ZfBR 2005, 255). Die Klausel benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen, weil er im Falle einer unberechtigten Inanspruchnahme die damit verbundenen Nachteile, insbesondere das Liquiditätsrisiko, zu tragen hat (BGH, aaO; Urteil vom 25. März 2004 - VII ZR 453/02, BauR 2004, 1143 = NZBau 2004, 322 = ZfBR 2004, 550).
b) An dieser Beurteilung ändert sich nichts, wenn die Klausel vorsieht, dass der Einbehalt auf ein Verwahrgeldkonto genommen wird. Damit wird der Einbehalt lediglich gesondert verwahrt.
3. Die Beklagte kann sich auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede mit der Folge berufen, dass sie keine Zahlungen aus den Bürgschaften zu leisten hat (BGH, Urteil vom 10. Februar 2000 - IX ZR 397/98, BGHZ 143, 381, 384).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Ende der Entscheidung
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