Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 10.07.2008
Aktenzeichen: VII ZR 16/07
Rechtsgebiete: VOB/B, BGB


Vorschriften:

VOB/B § 13 Nr. 7
BGB § 242 Cd
BGB § 635 a.F.
Ein Bauträger, der vom Erwerber Vorschuss auf Mängelbeseitigungskosten zurückfordern kann, muss sich diesen Anspruch grundsätzlich nicht nach dem Rechtsgedanken der Vorteilsausgleichung auf seinen Schadensersatzanspruch gegen seinen Auftragnehmer wegen dieser Mängel am Werk anrechnen lassen. Eine Anrechnung kommt erst in Betracht, wenn er den Rückzahlungsanspruch realisiert hat und feststeht, dass er vom Erwerber künftig wegen dieser Mängel nicht mehr in Anspruch genommen werden kann (im Anschluss an BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 VII ZR 81/06, BGHZ 173, 83).
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 16/07

Verkündet am: 10. Juli 2008

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Dr. Kuffer, Bauner, die Richterin Safari Chabestari und den Richter Dr. Eick

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 21. Dezember 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als auf die Berufung der Beklagten die Klage in Höhe von 62.812,79 € nebst Zinsen abgewiesen worden ist.

In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen Tatbestand:

Die Klägerin begehrt, soweit in der Revision noch von Interesse, von der Beklagten Schadensersatz wegen mangelhafter Bauleistungen.

Die Klägerin, die sich als Bauträgerin betätigte, schloss im April 1993 mit den Eheleuten A. (im Folgenden: A.) und deren Sohn S. (im Folgenden: S.) jeweils einen notariellen Vertrag über den Verkauf eines Erbbaurechts an einem Grundstück verbunden mit der Verpflichtung zur Errichtung eines Einfamilienhauses auf diesem Grundstück. Die Klägerin beauftragte die Beklagte mit den Erd-, Maurer-, Isolier-, Entwässerungs- und Stahlbetonarbeiten; die Geltung der VOB/B und eine fünfjährige Gewährleistungsfrist wurden vereinbart. Im Februar bzw. Juni 1994 wurden die Häuser bezugsfertig übergeben. In der Folgezeit rügten A. und S. gegenüber der Klägerin zahlreiche Mängel.

Im Juli 1998 erhob die Klägerin gegen die Beklagte Klage auf Zahlung von Vorschuss auf die Mängelbeseitigungskosten. Wegen derselben Mängel erhoben A. und S. im Dezember 1998 gegen die Klägerin ebenfalls jeweils Klage auf Kostenvorschuss. Auf die am 2. bzw. 16. November 1999 bei Gericht eingegangenen Anträge der Parteien ordnete daraufhin das Landgericht im vorliegenden Verfahren mit Beschluss vom 25. November 1999, zugestellt an den Klägervertreter am 3. Dezember 1999, das Ruhen des Verfahrens an. In den von A. und S. betriebenen Prozessen wurde die Klägerin rechtskräftig zur Zahlung von Kostenvorschuss verurteilt. Dementsprechend zahlte sie im Oktober 2001 an A. 20.344,03 € und im Juli 2004 an S. 42.712,57 €. Am 25. November 2004 nahm die Klägerin das Verfahren wieder auf. Sie hat nunmehr, soweit hier von Interesse, die an A. und S. gezahlten Beträge, Gutachter- und Prozesskosten sowie Zinsen in Höhe von insgesamt 69.975,22 € als Schadensersatz geltend gemacht. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie den Zahlungsanspruch in Höhe von 62.812,79 € weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt im Umfang des Begehrens der Klägerin zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Die Beurteilung richtet sich nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen.

I.

Das Berufungsgericht führt aus, der Klägerin stehe nach § 13 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu, der in Höhe von 69.975,22 € unstreitig sei. Dieser Betrag mindere sich jedoch um die von der Klägerin an A. und S. gezahlten Kostenvorschüsse von insgesamt 63.056,60 €. Insoweit stünden der Klägerin gegen A. und S. Rückzahlungsansprüche zu. Die zur Beseitigung von Mängeln gezahlten Kostenvorschüsse müssten innerhalb einer angemessenen Frist, die hier maximal ein Jahr betrage, bestimmungsgemäß verwendet werden. Würden Mängelbeseitigungsarbeiten in dieser Frist nicht durchgeführt, stehe dem Leistenden ein Rückzahlungsanspruch zu. Es stehe nicht fest, dass A. und S. innerhalb eines Jahres Mängelbeseitigungsarbeiten durchgeführt hätten. Die Klägerin sei verpflichtet, diese Ansprüche geltend zu machen und habe ein eventuelles Prozess- und Liquiditätsrisiko selbst zu tragen. Der noch verbleibende Schadensersatzanspruch von 6.918,62 € sei durch eine Aufrechnung der Beklagten mit Gegenforderungen in Höhe von 7.162,43 € erloschen.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand. Die Klägerin muss sich mögliche Ansprüche auf Rückzahlung der an A. und S. geleisteten Kostenvorschüsse nicht auf den Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte anrechnen lassen.

1. Im Revisionsrechtszug ist davon auszugehen, dass der Klägerin gemäß § 13 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B wegen mangelhafter Bauleistungen gegen die Beklagte ursprünglich ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 69.975,22 € zustand. Die Revision nimmt die Ansicht des Berufungsgerichts hin, dass diesem Anspruch zur Aufrechnung gestellte Forderungen in Höhe von 7.162,43 € gegenüberstehen, so dass er nur noch in Höhe von 62.812,79 € geltend gemacht wird.

2. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dieser Schadensersatzanspruch nicht verjährt.

Die Verjährung wurde zunächst durch die Klageerhebung im Juli 1998 unterbrochen, § 209 Abs. 1 BGB. Diese Unterbrechung endete dadurch, dass der Prozess in Folge des Ruhens des Verfahrens nicht mehr betrieben wurde und in Stillstand geriet, § 211 Abs. 2 BGB. Nunmehr lief erneut eine fünfjährige Verjährungsfrist. Der Senat muss nicht abschließend entscheiden, ob für den Beginn des Stillstands des Verfahrens der Eingang des das Ruhen des Verfahrens beantragenden Schriftsatzes der Klägerin am 2. November 1999 maßgeblich ist, wie die Beklagte meint, oder ob mit dem Berufungsgericht im Anschluss an das Landgericht auf die Zustellung des das Ruhen des Verfahrens anordnenden Beschlusses am 3. Dezember 1999 abzustellen ist (vgl. hierzu allerdings BGH, Urteile vom 20. Februar 1997 - VII ZR 227/96, BGHZ 134, 387 und vom 5. Februar 1998 - VII ZR 279/96, BauR 1998, 613 = ZfBR 1998, 185). Denn die Verjährung war, nachdem das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden war, zunächst drei Monate gehemmt, da das Verfahren vor Ablauf dieser Zeitspanne nur mit Zustimmung des Gerichts aufgenommen werden konnte, § 251 Abs. 2 ZPO (vgl. BGH, Urteile vom 17. Januar 1968 - VIII ZR 207/65, NJW 1968, 692 und vom 18. Oktober 2000 - XII ZR 85/98, NJW 2001, 218). Bei Berücksichtigung dieser drei Monate war die Verjährungsfrist am 25. November 2004, als die Klägerin das Verfahren weiter betrieb, auch dann nicht abgelaufen, wenn man der Meinung der Beklagten zum Stillstand des Verfahrens folgen wollte.

Fehl geht der Hinweis der Beklagten, der das Verfahren wieder aufnehmende Schriftsatz der Klägerin sei nicht zum ruhenden, sondern zu einem anderen Verfahren eingereicht worden und sei daher nicht geeignet gewesen, die Verjährung erneut zu hemmen. Die Beklagte übersieht, dass das Verfahren, dessen Ruhen angeordnet worden war, später mit einem neuen Aktenzeichen weitergeführt wurde.

3. Auf die Frage, ob der Klägerin einredefreie Ansprüche gegen A. und S. auf Rückzahlung der geleisteten Kostenvorschüsse zustehen, kommt es im vorliegenden Verfahren nicht an. Diese Frage, die im Rechtsstreit der Klägerin gegen A. und S. im ersten Rechtszug bejaht, im zweiten Rechtszug verneint worden und derzeit Gegenstand des beim Senat anhängigen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens VII ZR 213/07 ist, kann hier offenbleiben.

4. Denn der Ansicht des Berufungsgerichts, der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte mindere sich um den Betrag solcher möglicher Rückzahlungsansprüche, da insoweit der Klägerin kein Schaden entstanden sei, kann nicht gefolgt werden.

a) Die von der Beklagten in ihrem Vertragsverhältnis zur Klägerin schuldhaft verursachten Mängel selbst sind bereits der bei der Klägerin eingetretene Schaden. Abweichend von § 249 Satz 1 BGB wird dieser Schaden durch den zur Mängelbeseitigung erforderlichen Betrag abgegolten (BGH, Urteile vom 28. Juni 2007 - VII ZR 81/06, BGHZ 173, 83 und VII ZR 8/06, BauR 2007, 1567, 1568 = NZBau 2007, 580 = ZfBR 2007, 677).

Ob die Klägerin die Mängel tatsächlich beseitigen lässt oder den Betrag anderweitig verwendet, ist für die Entstehung des in vollem Umfang zu ersetzenden Schadens im Hinblick auf die Dispositionsfreiheit des geschädigten Bestellers ohne Bedeutung. Sein Schadensersatzanspruch wird in der Regel auch nicht dadurch berührt, dass er das mangelhafte Werk veräußert, unabhängig davon, ob er seinerseits an den Erwerber einen Ausgleich für die Mängel leistet oder nicht. Dementsprechend beeinflusst es den entstandenen Schaden grundsätzlich auch nicht, wenn der Besteller eine Leistung, die er wegen des Mangels an den Erwerber erbracht hat, von diesem aus Rechtsgründen zurückfordern kann.

b) Mögliche Ansprüche der Klägerin gegen A. und S. sind auch nicht im Wege der Vorteilsausgleichung auf den Schaden der Klägerin anzurechnen. Deren Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

aa) Der Senat hat sich in zwei nach Verkündung des Berufungsurteils ergangenen Entscheidungen (Urteile vom 28. Juni 2007 - VII ZR 81/06, BGHZ 173, 83 und VII ZR 8/06, BauR 2007, 1567= NZBau 2007, 580 = ZfBR 2007, 677) mit der Frage befasst, welche Bedeutung im Rahmen einer werkvertraglichen Leistungskette bei mangelhaften Bauleistungen des Nachunternehmers dem Umstand zukommt, dass der Hauptunternehmer von seinem Auftraggeber nicht oder nur in beschränktem Umfang in Anspruch genommen wird. Er hat ausgeführt: Ob eine auf diese Weise bewirkte spätere Verminderung der Vermögenseinbuße beim Hauptunternehmer zu berücksichtigen sei, sei nach dem Rechtsgedanken der Vorteilsausgleichung zu beurteilen. Wirtschaftlich betrachtet sei der Hauptunternehmer nur Zwischenstation innerhalb der mehrgliedrigen werkvertraglichen Leistungskette. Im wirtschaftlichen Ergebnis komme regelmäßig dem Bauherren die Leistung des Nachunternehmers zugute, er sei von dem Mangel des Werks des Nachunternehmers betroffen. Der Hauptunternehmer sei dagegen nur Zwischenstation. Erlange er durch den ihm gegen den Nachunternehmer zustehenden Schadensersatzanspruch einen Vorteil, weil trotz Mängeln am Werk sein Auftraggeber keine Ansprüche gegen ihn erhebe, erscheine es nach Treu und Glauben angemessen, den Rechtsgedanken der Vorteilsausgleichung heranzuziehen und zu überprüfen, ob er diesen Vorteil an den Nachunternehmer weitergeben müsse. Für eine Vorteilsausgleichung spreche es insbesondere, wenn feststehe, dass eine Inanspruchnahme des Auftraggebers durch den Erwerber auch künftig nicht mehr erfolgen könne.

bb) Eine Prüfung anhand dieser Grundsätze hat auch im vorliegenden Fall zu erfolgen. Dass die Klägerin als Bauträgerin tätig war und die Bauleistungen der Beklagten auf ihren Grundstücken erbracht wurden, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Klägerin erfüllte mit diesen Bauleistungen die den Erwerbern A. und S. gegenüber eingegangene Bauverpflichtung. Wirtschaftlich gesehen war auch sie nur Zwischenstation.

cc) Eine Vorteilsausgleichung kommt hier jedoch nicht in Betracht.

(1) Durch die auf dem Grundsatz von Treu und Glauben beruhende Vorteilsausgleichung soll ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden. Der Geschädigte darf nicht besser gestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind nicht alle durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, sondern nur solche, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, das heißt, dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet. Vor- und Nachteile müssen bei wertender Betrachtungsweise gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden sein (BGH, Urteile vom 28. Juni 2007 - VII ZR 81/06, BGHZ 173, 83 und VII ZR 8/06, BauR 2007, 1567, 1568 = NZBau 2007, 580 = ZfBR 2007, 677).

(2) Danach muss sich die Klägerin eine Vorteilsausgleichung nicht gefallen lassen. Für eine Vorteilsausgleichung wäre allenfalls dann Raum, wenn die Klägerin die hier geltend gemachten Rückzahlungsansprüche bereits realisiert hätte, die geleistete Zahlung also an sie zurückgeflossen wäre. Nur dann könnte eine Lage entstehen, die derjenigen gleichzusetzen wäre, dass die Erwerber gegenüber der Klägerin keine Ansprüche erheben. Steht darüber hinaus fest, dass auch eine künftige Inanspruchnahme ausgeschlossen ist, müsste die Klägerin diesen tatsächlich erzielten Vorteil an die Beklagte weitergeben.

Es wäre hingegen mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren, wenn sich die Klägerin auf ihren Schaden, der sich durch die Zahlung der Kostenvorschüsse auch tatsächlich als Vermögenseinbuße realisiert hat, Ansprüche anrechnen lassen müsste, deren Durchsetzung völlig offen ist. Dadurch würde der Klägerin das gesamte Prozess- und Liquiditätsrisiko aufgebürdet. Dies würde die Beklagte unbillig entlasten und die Klägerin unzumutbar belasten.

c) Die Gefahr, dass die Klägerin einen nicht gerechtfertigten Vorteil erzielt, wenn sie von der Beklagten Schadensersatz erhält und auch Ansprüche gegen A. und S. durchsetzen kann, besteht nicht. Die Beklagte muss in analoger Anwendung von § 255 BGB Schadensersatz nur gegen Abtretung möglicher Ansprüche der Klägerin gegen A. und S. leisten. Sie hat einen Anspruch auf diese Abtretung und kann ihn mit Hilfe eines Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB durchsetzen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1990 - IX ZR 65/89, NJW-RR 1990, 407).

Ende der Entscheidung

Zurück