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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 24.01.2008
Aktenzeichen: VII ZR 17/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 366 Abs. 1
BGB § 121 Abs. 1
Zu den Voraussetzungen der nachträglichen Tilgungsbestimmung bei mehreren Gläubigern (im Anschluss an BGH, Urteil vom 11. Mai 2006 - VII ZR 261/04, BGHZ 167, 337).
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 17/07

Verkündet am: 24. Januar 2008

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2007 durch die Richter Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka, Bauner, Dr. Eick und Halfmeier

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Kammergerichts vom 19. Dezember 2006 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin macht im Revisionsverfahren aus abgetretenem Recht Restwerklohnansprüche der A. GmbH gegen die Beklagte bis zum Betrag von noch 184.000 € geltend.

Die Klägerin lieferte der inzwischen insolvent gewordenen A. GmbH aufgrund eines im Jahr 1993 geschlossenen Warenkreditvertrags unter Eigentumsvorbehalt Material für Heizungs- und Sanitäranlagen. Die von der A. GmbH akzeptierten Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen der Klägerin (künftig: AVL) enthalten unter "VII. Eigentumsvorbehalt" u.a. eine Regelung über einen verlängerten Eigentumsvorbehalt mit einer Vorausabtretung der Werklohnforderung, sofern der Käufer das von der Verkäuferin gelieferte Material aufgrund eines Werkvertrages mit einem Dritten verwendet.

Die Beklagte beauftragte die A. GmbH zwischen Februar 1994 und März 1996 mit der Ausführung der Gewerke Sanitär und Heizung für die Bauvorhaben K. und K.-N. in P. Die Klägerin zeigte der Beklagten die Abtretung mit Schreiben vom 23. August 1996 an. Die Beklagte bestimmte am 27. Mai 2002 nachträglich, dass ihre an die A. GmbH geleisteten Abschlagszahlungen vorrangig auf die an die Klägerin abgetretenen Teile der Werklohnforderungen der A. GmbH aus den näher bezeichneten Bauverträgen anzurechnen seien.

Die Klägerin hat zunächst behauptet, sie habe gegen die A. GmbH noch Forderungen aus Lieferungen für die Bauvorhaben K.-N. in Höhe von 565.161,12 DM und K. in Höhe von 962.330,29 DM. Sie ist der Ansicht gewesen, dass ihr unter Berücksichtigung geleisteter Abschlagszahlungen aus den Bauaufträgen für die Blöcke 10/11, 13/15, 33 und 35/52 (Bauvorhaben K.) sowie für die Blöcke 8 und 14 (Bauvorhaben K.-N.) Werklohnansprüche gegen die Beklagte wirksam abgetreten worden seien, die die Höhe ihrer gegen die A. GmbH gerichteten Forderungen überstiegen.

Das Landgericht hat angenommen, dass der Klägerin Werklohnforderungen der A. GmbH für das Bauvorhaben K.-N. in Höhe von 367.771,35 DM und für das Bauvorhaben K. in Höhe von 613.755,29 DM wirksam abgetreten worden seien. Es hat die Klage jedoch im Hinblick auf die nachträgliche Tilgungsbestimmung der Beklagten und deren Abschlagszahlungen an die A. GmbH in den Jahren 1994 bis 1996 abgewiesen.

Die Berufung der Klägerin, mit der diese bis zur Höhe eines Betrages von 184.000 € jeweils einen erststelligen Teilbetrag der an sie abgetretenen Werklohnforderungen aus den Bauaufträgen entsprechend der erstinstanzlich bestimmten Reihenfolge geltend gemacht hat, ist ohne Erfolg geblieben.

Mit Urteil vom 11. Mai 2006 (VII ZR 261/04, BGHZ 167, 337) hat der Senat auf die Revision der Klägerin das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Er hat die Berechtigung des Schuldners anerkannt, nach Offenlegung einer aufgrund eines verlängerten Eigentumsvorbehalts erfolgten Teilabtretung der gegen ihn gerichteten Forderung an den Vorbehaltslieferanten in entsprechender Anwendung des § 366 Abs. 1 BGB nachträglich zu bestimmen, dass seine an den bisherigen Gläubiger erbrachten Abschlagszahlungen vorrangig auf die dem Vorbehaltslieferanten zustehende Teilforderung anzurechnen seien. Allerdings müsse der Schuldner entsprechend dem § 121 Abs. 1 BGB zugrunde liegenden Rechtsgedanken die Leistungsbestimmung unverzüglich vornehmen, nachdem er von der Teilabtretung Kenntnis erhalten habe. Hierzu hatte das Berufungsgericht keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen.

Das Berufungsgericht hat nunmehr die Berufung der Klägerin erneut zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren im gleichen Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung (Artikel 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die im Schriftsatz vom 27. Mai 2002 erklärte nachträgliche Tilgungsbestimmung der Beklagten sei unverzüglich vorgenommen worden, nachdem sie von der Teilabtretung Kenntnis erlangt habe. Es stellt dabei nicht auf den Zugang der Abtretungsanzeige vom 23. August 1996 oder der Klagebegründung vom 28. Dezember 2001 nebst Anlagen ab, sondern auf die erstinstanzliche mündliche Verhandlung vor dem Landgericht am 21. März 2002 und billigt der Beklagten eine Überlegungszeit zur Prüfung der an diesem Tag übergebenen umfangreichen Unterlagen in sieben Aktenordnern von zwei Monaten zu.

Durch die wirksam ausgeübte nachträgliche Tilgungsbestimmung sei die an die Klägerin abgetretene Werklohnforderung in voller Höhe durch die sie übersteigenden Abschlagszahlungen der Beklagten an die A. GmbH erloschen.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung teilweise nicht stand.

1. Nach § 366 Abs. 1 BGB wird, wenn der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet ist und das von ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden ausreicht, diejenige Schuld getilgt, die der Schuldner bei der Leistung bestimmt. Dem Schuldner steht ein Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 366 Abs. 1 BGB darüber hinaus für den Fall zu, dass eine einheitliche Forderung zwischen mehreren Gläubigern aufgeteilt ist (BGH, Urteile vom 7. Mai 1991 - XII ZR 44/90, NJW 1991, 2629, 2630 und vom 27. Februar 1967 - VII ZR 221/64, BGHZ 47, 168, 171 m.w.N.). Wenn der Schuldner bei der Leistung infolge einer ihm nicht offengelegten Teilabtretung von dem Bestehen eines Tilgungsbestimmungsrechts nach § 366 Abs. 1 BGB keine Kenntnis hat und es folglich auch nicht ausüben kann, ist es ihm gestattet, dieses Recht zur Tilgungsbestimmung unverzüglich nachträglich wahrzunehmen (BGH, Urteil vom 11. Mai 2006 - VII ZR 261/04, BGHZ 167, 337, 342).

2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die tatrichterliche Würdigung, die nachträgliche Tilgungsbestimmung durch die Beklagte am 27. Mai 2002 sei unverzüglich im Sinne des § 121 Abs. 1 BGB erfolgt.

a) Die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Kenntniserlangung von der Aufspaltung der Werklohnforderung auf mehrere Teilgläubiger sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Auf die Offenlegung der Abtretung im Schreiben der Klägerin vom 23. August 1996 kann nicht abgestellt werden, weil sich aus dessen Wortlaut eine Teilabtretung bis zur Höhe der Werklieferungen nicht ergab, sondern die Klägerin vielmehr die gesamte Werklohnforderung der A. GmbH für sich reklamierte. Aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, dass sich aus der Zustellung der Klageschrift mit den maßgeblichen Vertragsbedingungen als Anlage diese Kenntnis ebenfalls noch nicht mit hinreichender Sicherheit ergab. Einerseits hatte die Klägerin auch in der Klageschrift noch sämtliche Werklohnforderungen der A. GmbH gegen die Beklagte für sich beansprucht. Andererseits war den mit der Klageschrift übergebenen Unterlagen weder zu entnehmen, inwieweit tatsächlich von der Klägerin gelieferte Waren bei der Ausführung der Bauleistungen durch die A. GmbH in den einzelnen Bauvorhaben der Beklagten Verwendung gefunden hatten, noch welche Forderungsteile der A. GmbH gegen die Beklagte aus welchen Bauvorhaben in welcher Höhe wegen des verlängerten Eigentumsvorbehalts teilweise an die Klägerin abgetreten waren. Die zu dieser Beurteilung notwendigen Unterlagen hat die Klägerin erst im Termin vom 21. März 2002 übergeben. Das Berufungsgericht war durch das Senatsurteil vom 11. Mai 2006 nicht gehindert, auf diesen Termin als Zeitpunkt der Kenntniserlangung abzustellen. Insoweit konnte das Senatsurteil keine bindende Wirkung entfalten.

b) Auch die Würdigung des Berufungsgerichts, die nachträgliche Tilgungsbestimmung im Schriftsatz vom 27. Mai 2002 sei unverzüglich erfolgt, begegnet keinen durchgreifenden revisionsrechtlichen Bedenken.

aa) Unverzüglich im Sinne des § 121 Abs. 1 BGB, also ohne schuldhaftes Zögern, erfolgt eine Rechtshandlung nur, wenn sie innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalles zu bemessenden Prüfungs- und Überlegenszeit vorgenommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 2003 - X ZR 209/00, BGH-Report 2003, 908; Urteil vom 23. Juni 1994 - VII ZR 163/93, BauR 1994, 625 = ZfBR 1994, 222). Der Schuldner muss sich daher so bald, wie es ihm nach den Umständen möglich und zumutbar ist, erklären. Soweit erforderlich, darf er zuvor den Rat eines Rechtskundigen einholen oder anderweitige Erkundigungen vornehmen.

bb) Ob die Erklärung unverzüglich erfolgt ist, unterliegt im Revisionsverfahren nur eingeschränkter Nachprüfung. Das Revisionsgericht kann die Entscheidung des Berufungsgerichts regelmäßig nur darauf überprüfen, ob das Gericht den Rechtsbegriff verkannt hat, ob ihm von der Revision gerügte Verfahrensfehler unterlaufen sind und ob es etwa wesentliche Tatumstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt oder Erfahrungssätze verletzt hat (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2003 - VIII ZR 244/02, NJW 2003, 1246; Urteil vom 1. Dezember 1993 - VIII ZR 129/92, NJW 1994, 443). Derartige Rechtsfehler lässt das Berufungsurteil nicht erkennen. Das Berufungsgericht hat den Begriff der Unverzüglichkeit rechtsfehlerfrei ausgelegt. Es hat eine eingehende Würdigung aller Umstände des Falles vorgenommen und dabei die beiderseitigen Interessen der Parteien angemessen berücksichtigt.

3. Das Berufungsurteil kann gleichwohl nicht aufrechterhalten bleiben. Die Feststellungen des Berufungsgerichts belegen nicht, dass die nachträgliche Tilgungsbestimmung zum Erlöschen der Forderung geführt hat.

Das Recht einer (nachträglichen) Tilgungsbestimmung kann dem Schuldner nur dann zustehen, wenn in dem Zeitpunkt, in dem er seine Leistung erbringt, die Voraussetzungen des § 366 Abs. 1 BGB vorliegen. Er muss dem Gläubiger demnach im Zeitpunkt der Leistung aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet sein oder eine einheitliche Forderung muss zwischen mehreren Gläubigern aufgeteilt sein und das von ihm Geleistete darf nicht zur Tilgung sämtlicher Forderungen ausreichen.

Die Werklohnforderung der A. GmbH gegen die Beklagte war im Wege der Vereinbarung eines verlängerten Eigentumsvorbehaltes teilweise in Höhe des Rechnungsbetrages der gelieferten Waren als künftige Forderung im Voraus an die Klägerin abgetreten. Diese Vorausabtretung erlangte erst mit Einbau der Materialien durch die A. GmbH in den Bauvorhaben der Beklagten Wirksamkeit, wenn die Klägerin durch die Verbindung ihr vorbehaltenes Eigentum nach § 946 BGB verliert. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte sich die Werklohnforderung, die bislang nur der A. GmbH (auch in Form von Abschlagsforderungen) zustand, auf mehrere Gläubiger aufspalten. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte ein Tilgungsbestimmungsrecht nach § 366 Abs. 1 BGB bestehen, wenn die Zahlungen nicht zur Tilgung sämtlicher Forderungen ausreichten.

Zu Recht macht die Revision geltend, dass sich aus den von der Klägerin übergebenen Lieferscheinen und Rechnungen Bedenken gegen die Annahme ergeben, dass sämtliche Zahlungen der Beklagten an die A. GmbH erst nach dem Einbau der jeweils gelieferten Waren erfolgt sind. Hierzu haben die Tatsacheninstanzen bislang keine ausreichenden Feststellungen getroffen, obwohl es sich um Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes der Tilgungsbestimmung und damit der Erfüllung handelt. Für das Revisionsverfahren ist zu unterstellen, dass die Beklagte im Zeitpunkt der Zahlungen nicht aus zwei Teilforderungen zwei Gläubigern gegenüber verpflichtet war, ihr kein nachträgliches Tilgungsbestimmungsrecht zustand und daher keine vollständige Erfüllungswirkung eingetreten ist.

III.

Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben. Für die neue Verhandlung weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

Das Berufungsgericht wird, nachdem es den Parteien Gelegenheit zu ergänzender Stellungnahme gegeben hat, die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben, ob die Beklagte im Zeitpunkt ihrer vom Landgericht festgestellten Zahlungen ein Tilgungsbestimmungsrecht hatte, weil der Einbau der von der Klägerin gelieferten Materialien jeweils vor dem Zahlungstermin stattgefunden hatte. Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Tilgungsbestimmung und damit der Erfüllung trifft grundsätzlich die Beklagte, die Klägerin allenfalls eine sekundäre Behauptungslast.

Ende der Entscheidung

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