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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 19.03.1998
Aktenzeichen: VII ZR 172/97
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 183 Abs. 1 |
ZPO § 183 Abs. 1
Hat ein Gewerbetreibender ein besonderes Geschäftslokal in X und wird auf seinen Antrag dorthin adressierte Post an eine Anschrift in Y nachgesandt, so begründet dies nicht den Rechtsschein, er unterhalte in Y ein weiteres besonderes Geschäftslokal, in dem eine Ersatzzustellung an einen Gewerbegehilfen bewirkt werden kann.
BGH, Urteil Vom 19. März 1998 - VII ZR 172/97 - OLG Oldenburg LG Oldenburg
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL
Verkündet am: 19. März 1998
Seelinger-Schardt Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. März 1998 durch die Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Haß, Hausmann, Dr. Wiebel und Dr. Kuffer
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 23. April 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger fordert Vergütung für erbrachte und nicht erbrachte Architektenleistungen.
Er führte für die Beklagte Architektenleistungen aus, deren Umfang und Berechnung bestritten ist. Nach Kündigung des Vertrages im Februar 1993 erteilte er im April 1993 für seine bisherige Tätigkeit Schlußrechnung über 956.631,15 DM.
Im August 1995 hat der Kläger Klage auf Zahlung eines Teilbetrages von 1.000.000 DM für erbrachte und nicht erbrachte Architektenleistungen eingereicht; davon entfielen nach seiner im Laufe des Rechtsstreits korrigierten Schlußrechnung 823.464,05 DM auf erbrachte Leistungen. In der Klageschrift sind Name und Anschrift der Beklagten mit "... GmbH, L.-Straße 5 in W., vertreten durch ihren Geschäftsführer, Herrn W.B., M.-Weg 42 in C." angegeben. Nach Zahlung des Gerichtskostenvorschusses im Dezember 1995 ist die Klage am 25. Januar 1996 im Wege der Ersatzzustellung unter der angegebenen Anschrift in C. zugestellt worden. Die Beklagte unterhielt zwar in der F.-M.- Straße in C. ein Geschäftslokal im Sinne von § 183 ZPO, nicht aber, wovon in der Revision auszugehen ist, unter der in der Klageschrift angegebenen Anschrift. Nachdem W.B. dem Kläger mitgeteilt hatte, niemals Geschäftsführer der Beklagten gewesen zu sein, wurde die Klage im März 1996 in W, erneut zugestellt.
Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr dem Grunde nach stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, die ihr Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Diese Entscheidung beruht nicht auf der Säumnis des Klägers.
I.
Das Berufungsgericht führt aus, dem Kläger stehe dem Grunde nach ein Vergütungsanspruch jedenfalls für erbrachte Leistungen zu. Dieser Anspruch sei nicht verjährt. Die Verjährung, die mit Ablauf des Jahres 1993 begonnen habe, sei mit der Zustellung der Klageschrift am 25. Januar 1996 wirksam unterbrochen worden. Es komme nicht darauf an, ob die Beklagte zu diesem Zeitpunkt ein besonderes Geschäftslokal im M.-Weg in C. gehabt habe. Sie müsse sich jedenfalls nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als ob die Zustellung in einem von ihr geführten besonderen Geschäftslokal bewirkt worden wäre. Unstreitig habe sie seinerzeit in der F.-M.-Straße in C. ein besonderes Geschäftslokal unterhalten, so daß eine Zustellung der Klageschrift dort wirksam gewesen wäre. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe sie für die damals an die F.-M.-Straße gerichtete Post einen Nachsendeantrag zur Anschrift im M.-Weg gestellt, so daß die an das Geschäftslokal adressierte Post nicht dort, sondern an einem Ort zugestellt worden sei, an dem sie kein Geschäftslokal unterhalten habe.
Schließlich sei unerheblich, ob der Zeuge St., der die Zustellung entgegengenommen habe, Gewerbegehilfe der Beklagten gewesen sei. Da die Beklagte bewußt Vorkehrungen dafür getroffen habe, daß regelmäßig an sie gerichtete Zustellungen von Personen empfangen worden seien, die möglicherweise keine Gewerbegehilfen seien, könne sie sich nach Treu und Glauben nicht darauf berufen.
II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung im wesentlichen nicht stand. Der Lauf der Verjährung des Honoraranspruchs des Klägers für erbrachte Leistungen begann mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§§ 198, 201 Satz 1 BGB). Die Verjährung dieses Anspruchs, der spätestens mit Erteilung der Schlußrechnung im April 1993 entstanden ist, wäre mit Ablauf des Jahres 1995 eingetreten. Sie ist nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichtes durch die am 25. Januar 1996 bewirkte Ersatzzustellung nicht wirksam unterbrochen worden (§ 209 Abs. 1 BGB; §§ 183 Abs. 1, 270 Abs. 3 ZPO).
1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts führt die fehlerhafte Bezeichnung des gesetzlichen Vertreters der Beklagten als Zustellungsadressat nicht dazu, daß die Zustellung der Klageschrift unwirksam ist. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und wird von der Revision auch nicht angegriffen.
2. Die am 25. Januar 1996 bewirkte Ersatzzustellung nach § 183 Abs. 1 ZPO ist nach den bisherigen Feststellungen nicht wirksam. Nach dieser Vorschrift kann für Gewerbetreibende, die ein besonderes Geschäftslokal haben und dort nicht angetroffen werden, die Zustellung an einen darin anwesenden Gewerbegehilfen erfolgen. Die Voraussetzungen hierfür hat das Berufungsgericht nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.
a) Geschäftslokal im Sinne der genannten Vorschrift sind diejenigen Räumlichkeiten, in denen der Gewerbetreibende zur Zeit der Zustellung regelmäßig seinen Erwerbsgeschäften nachgeht. Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichtes führte die Beklagte in C. lediglich ein besonderes Geschäftslokal in der F.-M.-Straße, nicht aber unter der Anschrift im M.-Weg, in dem die Klageschrift zugestellt werden sollte.
b) Der vom Berufungsgericht angeführte Gesichtspunkt, die Beklagte habe durch ihren Postnachsendeantrag zum M.-Weg den Anschein erweckt, sie unterhalte dort als Gewerbetreibende ein besonderes Geschäftslokal, begründet nicht die Wirksamkeit der Zustellung. Zwar wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum die Ansicht vertreten, daß derjenige, der sich nach außen als Gewerbetreibender ausgibt und den Rechtsschein hervorruft, er unterhalte als solcher ein besonderes Geschäftslokal, auch dorthin gerichtete Zustellungen gegen sich gelten lassen muß (BGH, Beschluß vom 16. Juni 1993 - VIII ZB 39/92, MDR 1993, 900 f; MünchKomm zur ZPO/v. Feldmann, § 183 Rdn. 2). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Der Auftrag der Beklagten an die Post, die an das Geschäftslokal in der F.-M.-Straße gerichteten Schriftstücke an die Anschrift im M.-Weg nachzusenden, begründet nicht den Rechtsschein, die Beklagte habe dort ein weiteres Geschäftslokal gehabt. Die Beklagte hat mit ihrem Nachsendeantrag lediglich erklärt, an sie gerichtete Schriftstücke unter der neuen Anschrift entgegennehmen zu wollen; einen darüber hinausgehenden Erklärungswert enthält der Antrag nicht. Die weitere Frage, inwieweit die Tatsachen, die einen Rechtsschein begründen können, der Allgemeinheit oder demjenigen, der sich auf diesen Rechtsschein beruft, bekannt sein müssen, kann danach offenbleiben.
c) Zu Recht rügt die Revision auch die Annahme des Berufungsgerichts, der Zeuge St. habe die Klageschrift entgegennehmen dürfen. Selbst wenn die Beklagte unter der Anschrift im M.-Weg ein besonderes Geschäftslokal unterhalten hätte, so fehlt die Feststellung, der Zeuge St. sei ihr Gewerbegehilfe gewesen, § 551 Nr. 7 ZPO. Gewerbegehilfe im Sinne des § 183 Abs. 1 ZPO ist, wer im Geschäftsbetrieb des Zustellungsadressaten zur Leistung von Diensten angestellt ist; eine Ersatzzustellung an andere im Geschäftslokal anwesende Personen scheidet nach dieser Vorschrift aus. Dazu hat das Berufungsgericht nichts ausgeführt.
3. Die am 5. März 1996 erneut bewirkte Zustellung der Klageschrift am Firmensitz der Beklagten in W. hat die Verjährung nicht unterbrochen. Sie war zwar wirksam, aber nicht mehr demnächst i.S.v. § 270 Abs. 3 ZPO. Die eingetretene Verzögerung der Zustellung beruhte allein auf den fehlerhaften Angaben des Klägers. Ihm war der Firmensitz der Beklagten seit Beginn seiner Geschäftsbeziehung zu ihr bekannt gewesen.
III.
Nach alledem kann das angefochtene Urteil nicht bestehenbleiben. Da das Berufungsgericht sich von seinem Standpunkt aus folgerichtig nicht mit der Frage befaßt hat, ob und inwieweit dem Kläger ein Anspruch für nicht erbrachte Leistungen nach § 649 Satz 2 BGB zusteht, ist das Urteil in vollem Umfang aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Ende der Entscheidung
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