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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 26.10.2006
Aktenzeichen: VII ZR 194/05
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 203 Satz 1 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 26. Oktober 2006
in dem Rechtsstreit
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka, Bauner und die Richterin Safari Chabestari
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Streithelfers der Kläger wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. Mai 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger verlangen vom Beklagten Schadensersatz wegen mangelhafter Architektenleistungen.
Sie errichteten in den Jahren 1996/97 ein Einfamilienhaus und beauftragten den Beklagten mit sämtlichen in § 15 Abs. 2 HOAI genannten Leistungen. Kurz vor Fertigstellung des Hauses wurde der Vertrag einvernehmlich aufgelöst. Die Kläger leisteten am 6. März 1998 die vereinbarte Schlusszahlung von 4.600 DM.
Im Jahre 2002 traten am Fußboden des Hauses Schäden auf. Die Kläger teilten dies dem Beklagten mit Schreiben ihres Streithelfers vom 16. Januar 2003 mit und machten Schadensersatz geltend. Ferner wurde die Möglichkeit eines selbständigen Beweisverfahrens angesprochen und die Einholung eines Schiedsgutachtens vorgeschlagen. Der Beklagte besichtigte am 25. Januar 2003 nach telefonischer Voranmeldung den Schaden und riet den Klägern zu einer Überprüfung durch einen Sachverständigen. Die Kläger leiteten ein selbständiges Beweisverfahren ein. Der Antrag wurde dem Beklagten am 29. März 2003 zugestellt.
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 24.965,14 € gerichtete Klage wegen Verjährung abgewiesen. Die Berufung des Streithelfers der Kläger ist erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich seine vom Senat zugelassene Revision, mit der er den Anspruch der Kläger weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Für die Beurteilung der Verjährung des Schadensersatzanspruchs, insbesondere der Frage, ob diese im Jahre 2003 gehemmt war, ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung maßgeblich (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Im Übrigen, auch für den Beginn der Verjährung, richtet sich die Beurteilung des Schuldverhältnisses nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1, § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht ist der Meinung, ein Schadensersatzanspruch der Kläger nach § 635 BGB a.F. sei verjährt. Die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 638 Satz 1 BGB a.F. habe am 6. März 1998 begonnen und sei vor der Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens abgelaufen. Die Verjährung sei nicht gemäß § 203 BGB n.F. gehemmt gewesen. Hierfür reiche der Umstand, dass der Beklagte auf das Schreiben vom 16. Januar 2003 das Objekt in Augenschein genommen und den Klägern geraten habe, den Schaden untersuchen zu lassen, nicht aus. Dadurch habe er lediglich zum Ausdruck gebracht, dass Schadensursache und Verantwortlichkeit durch ein Sachverständigengutachten geklärt werden müssten. Wisse der Geschädigte, dass die Einholung eines Gutachtens unumgänglich sei, habe er jederzeit die Möglichkeit, die Verjährung durch Einleitung eines Beweisverfahrens zu hemmen. Die Annahme von Verhandlungen i.S. des § 203 BGB n.F. sei demgegenüber nur dann gerechtfertigt, wenn der Geschädigte aufgrund der Erklärung des Schädigers noch erwarten könne, sich die Kosten eines Beweisverfahrens durch eine Einigung mit dem Schädiger ersparen zu können. Selbst wenn man Verhandlungen annehmen würde, würde die dadurch begründete Hemmung nicht ausreichen, um den Eintritt der Verjährung zu verhindern.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Ein Schadensersatzanspruch der Kläger aus § 635 BGB a.F. ist nicht verjährt. Die Verjährung war gemäß § 203 Satz 1 BGB n.F. durch Verhandlungen gehemmt.
1. Nach § 203 Satz 1 BGB n.F. ist die Verjährung gehemmt, solange zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben.
a) Der Begriff "Verhandlungen" ist weit auszulegen. Da § 203 Satz 1 BGB n.F. sich in seinem Wortlaut eng an § 852 Abs. 2 BGB a.F. anlehnt, kann auf die zu dieser Vorschrift ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden (MünchKommBGB/Grothe, 4. Aufl. Bd. 1a, § 203 Rdn. 5). Danach genügt für ein Verhandeln jeder Meinungsaustausch über den Schadensfall zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten, sofern nicht sofort und eindeutig jeder Ersatz abgelehnt wird. Verhandlungen schweben schon dann, wenn der in Anspruch Genommene Erklärungen abgibt, die dem Geschädigten die Annahme gestatten, der Verpflichtete lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen ein. Nicht erforderlich ist, dass dabei eine Vergleichsbereitschaft oder eine Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird (BGH, Urteil vom 17. Februar 2004 - VI ZR 429/02, NJW 2004, 1654 m.w.N.).
b) Dieses Verständnis von Verhandlungen umfasst regelmäßig auch die bisher in § 639 Abs. 2 BGB a.F. geregelten Sachverhalte. Die zu dieser Vorschrift ergangene Rechtsprechung kann zur Ausfüllung des Begriffs herangezogen werden.
aa) Nach § 639 Abs. 2 BGB a.F. ist die Verjährung gehemmt, wenn sich der Unternehmer im Einverständnis mit dem Besteller der Prüfung des Vorhandenseins eines Mangels oder seiner Beseitigung unterzieht. Die Hemmung setzt voraus, dass der Unternehmer bei dem Besteller den Eindruck erweckt, er werde den Mangel prüfen bzw. sich um ihn kümmern, und der Besteller hiermit einverstanden ist (BGH, Urteile vom 27. Januar 2005 - VII ZR 158/03, BGHZ 162, 86 und vom 27. September 2001 - VII ZR 320/00, BauR 2002, 108 = NZBau 2002, 42 = ZfBR 2002, 61). Abgesehen von dem Fall, dass der Unternehmer von vornherein jede Verantwortung für den Mangel ablehnt (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2001 - VII ZR 320/00, aaO), treffen die Vertragsparteien durch ihren Meinungsaustausch regelmäßig eine "Überprüfungsvereinbarung" (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 1999 - VII ZR 415/97, BauR 1999, 1019, 1021 = ZfBR 1999, 269) bzw. eine entsprechende Abrede über einen Nachbesserungsversuch. Sie verhandeln im Sinne von § 203 Abs. 1 BGB n.F.
bb) Das entspricht, wie die Gesetzesmaterialien bestätigen, dem Willen des Gesetzgebers. Die Verjährungshemmung durch Verhandlungen war bisher in § 639 Abs. 2, § 651 g Abs. 2 Satz 3, § 852 Abs. 2 BGB a.F. in unterschiedlicher Weise geregelt. Durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts sollte die Verjährungshemmung durch Verhandlungen über den Anwendungsbereich dieser Vorschriften hinaus zu einem allgemeinen Rechtsinstitut ausgebaut werden (BT-Drucks. 14/7052, S. 178, 180). Die spezielle Vorschrift des § 639 Abs. 2 BGB a.F. wurde von der allgemeinen Vorschrift des § 203 Satz 1 BGB n.F. abgelöst (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 267) und ist in dieser aufgegangen (vgl. Weyer, NZBau 2002, 366; Staudinger/Frank Peters (2004), § 203 Rdn. 4; MünchKommBGB/Grothe, 4. Aufl. Bd. 1a, § 203 Rdn. 4;Ingenstau/Korbion/Wirth, 15. Aufl., § 13 Nr. 4 VOB/B Rdn. 214, 215; Kapellmann/Messerschmidt-Weyer, § 13 VOB/B Rdn. 142; a.A. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Aufl. Rdn. 2417; Lenkeit, BauR 2002, 196, 219; Heiermann/Riedl/Rusam, 10. Aufl., § 13 VOB/B Rdn. 92).
2. Die Parteien haben i.S. von § 203 Satz 1 BGB n.F. verhandelt. Die Kläger haben mit dem Schreiben ihres Streithelfers vom 16. Januar 2003 dem Beklagten den Schaden angezeigt und Schadensersatz verlangt. Der Beklagte hat nach seinem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Vortrag daraufhin telefonisch einen Besichtigungstermin vereinbart. Dieser fand am 25. Januar 2003 statt. Der Beklagte riet den Klägern zu einer Überprüfung durch einen Sachverständigen. Dieses Verhalten durften die Kläger dahin verstehen, der Beklagte lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Schadensersatzanspruchs ein (vgl. auch BGH, Urteil vom 15. April 1999 - VII ZR 415/97, BauR 1999, 1019, 1021 = ZfBR 1999, 269). Dass der Beklagte seine Einstandspflicht geleugnet hätte, stellt das Berufungsgericht nicht fest. Unerheblich ist, ob die Kläger aufgrund des Verhaltens des Beklagten erwarten konnten, durch eine Einigung mit ihm die Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens sparen zu können.
III.
Damit ist Verjährung nicht eingetreten. Die fünfjährige Verjährungsfrist (§ 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F., § 638 Satz 1 BGB a.F.) begann mit Ablauf des 6. März 1998. Die Verjährung wurde durch den Beginn der Verhandlungen gehemmt (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 1999 - VII ZR 415/97, aaO), der jedenfalls in der telefonischen Vereinbarung des Besichtigungstermins im Januar 2003 lag. Wie lange die hierdurch herbeigeführte Hemmung dauerte, kann dahinstehen. Gemäß § 203 Satz 2 BGB n.F. konnte Verjährung frühestens drei Monate nach Ablauf der Hemmung eintreten. In diesem Zeitraum wurde dem Beklagten der Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens zugestellt, wodurch die Verjährung erneut gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 BGB n.F. bis zur Klageerhebung gehemmt war.
Ende der Entscheidung
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