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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 18.06.2009
Aktenzeichen: VII ZR 196/08
Rechtsgebiete: KrW-/AbfG, StrReinG, WEG


Vorschriften:

KrW-/AbfG § 8 Abs. 1
StrReinG § 5 Abs. 1
WEG § 10 Abs. 6
WEG § 10 Abs. 8
§ 10 Abs. 6 und § 10 Abs. 8 WEG stehen einer durch Landesgesetz angeordneten gesamtschuldnerischen persönlichen Haftung der Wohnungseigentümer in ihrer Eigenschaft als Miteigentümer des Grundstücks für die Entgelte für Abfallentsorgung und Straßenreinigung nicht entgegen.
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juni 2009

durch

den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka,

den Richter Bauner,

die Richterin Safari Chabestari,

den Richter Halfmeier und

den Richter Leupertz

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Kammergerichts vom 14. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, betreibt in B. die Abfallentsorgung und Straßenreinigung. Sie verlangt vom Beklagten als Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft und als Gesamtschuldner mit den anderen Wohnungseigentümern Entgelt für Straßenreinigung und Abfallentsorgung im Jahre 2003.

Nach § 5 Abs. 2 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes B. (KrW-/AbfG) haben die Abfallbesitzer das Recht und die Pflicht, ihre Abfälle durch die Klägerin entsorgen zu lassen (Anschluss- und Benutzungszwang). Nach § 8 Abs. 1 KrW-/AbfG sind die Kosten der Abfallentsorgung durch privatrechtliche Entgelte zu decken; Schuldner sind in der Regel die benutzungspflichtigen Grundstückseigentümer. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Straßenreinigungsgesetzes B. (StrReinG) obliegt die ordnungsgemäße Reinigung der in den Straßenreinigungsverzeichnissen A und B aufgeführten Straßen dem Land als öffentliche Aufgabe für die Anlieger und Hinterlieger (Anschluss- und Benutzungszwang). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 StrReinG sind Anlieger die Eigentümer der an eine öffentliche Straße angrenzenden Grundstücke. Nach § 7 Abs. 1 StrReinG sind die Kosten der Straßenreinigung zu 75 % durch Entgelte zu decken. Nach Abs. 2 sind die Entgelte von den Anliegern und Hinterliegern zu entrichten; sind für ein Grundstück mehrere Personen entgeltpflichtig, haften sie als Gesamtschuldner.

Das Landgericht hat der auf Zahlung von 6.278,28 EUR nebst Zinsen und Kosten gerichteten Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiterhin Klageabweisung.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nicht begründet.

I.

Das Berufungsgericht schließt sich zunächst den Entscheidungsgründen des landgerichtlichen Urteils an. Das Landgericht hatte die Haftung des Beklagten aus dem durch § 8 Abs. 1 KrW-/AbfG und § 7 Abs. 2 StrReinG begründeten Haftungsverhältnis abgeleitet. Sodann nimmt das Berufungsgericht Bezug auf einen nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO erteilten Hinweis. In diesem hatte es einen entsprechenden Hinweis eines anderen Spruchkörpers des Kammergerichts in einem gleichgelagerten Verfahren aufgegriffen. Darin hatte es geheißen, die gesamtschuldnerische Haftung folge aus den zwischen dem Versorgungsunternehmen und den einzelnen Wohnungseigentümern dadurch zustande gekommenen Verträgen, dass die Leistungen zur Verfügung gestellt und entgegengenommen worden seien. Im Anschluss daran führt das Berufungsgericht ergänzend aus, der Anspruch der Klägerin folge aus § 7 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 StrReinG bzw. aus § 8 Abs. 1 und 2 KrW-/AbfG und richte sich aufgrund des Anschluss- und Benutzungszwanges gegen den jeweiligen Grundstückseigentümer. Der Beklagte sei als Eigentümer eines Teileigentums der Wohnungseigentumsanlage zugleich Miteigentümer des betroffenen Grundstücks, für das die Klägerin Reinigungs- und Entsorgungsleistungen erbracht habe. Er hafte deshalb ebenso wie die anderen Miteigentümer gegenüber der Klägerin als Gesamtschuldner. Die Regelungen in § 10 Abs. 6 und 8 WEG stünden dem nicht entgegen. Da Inhaber der Miteigentumsanteile nicht der Wohnungseigentümerverband, sondern der im Grundbuch eingetragene einzelne Wohnungseigentümer sei, komme eine Verbandshaftung bzw. eine nur quotale Haftung des einzelnen Miteigentümers nicht in Betracht.

II.

Das hält den Angriffen der Revision stand.

1.

Die Klägerin hat, was auch die Revision nicht in Abrede stellt, grundsätzlich gegen ihre Kunden einen Anspruch auf Zahlung des Entgelts für die von ihr erbrachten Leistungen. Der Anspruch ergibt sich aus dem zwischen der Klägerin und ihren Kunden bestehenden privatrechtlichen Benutzungsverhältnis. Dieses kommt durch den gesetzlich angeordneten Anschluss- und Benutzungszwang und die privatrechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses zustande. Auf die Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und ihren Kunden ist Werkvertragsrecht jedenfalls entsprechend anwendbar (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 99/04, WuM 2005, 593).

Das Berufungsgericht sieht das entgegen der Ansicht der Revision nicht anders, wie sich aus der Bezugnahme auf die landgerichtlichen Entscheidungsgründe und seine Ausführungen zum Anschluss- und Benutzungszwang ergibt. Dass es daneben auch noch auf Äußerungen eines anderen Spruchkörpers verwiesen hat, in denen von einem Vertragsschluss durch Angebot und Annahme die Rede war, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Auf die hierzu erhobenen Rügen der Revision kommt es daher nicht an.

2.

Das Berufungsgericht legt § 8 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG und § 5 Abs. 1 Satz 1 StrReinG dahin aus, dass zu den dort genannten entgeltpflichtigen Grundstückseigentümern auch die Wohnungseigentümer gehören, für deren Wohnungseigentumsanlage die Klägerin Reinigungs- und Entsorgungsleistungen erbringt. Hieran ist der Senat gemäß § 545 Abs. 1, § 560 ZPO gebunden.

a)

Die genannten landesrechtlichen Normen gelten nur im Bezirk des Berufungsgerichts. Es mag sein, dass, wie die Revision geltend macht, die Gesetze anderer Bundesländer vergleichbare Regelungen enthalten. Das allein vermag die Nachprüfbarkeit in der Revision nicht zu begründen. Eine nur tatsächliche Übereinstimmung der in mehreren Bezirken geltenden Gesetze genügt nicht, um die nach § 545 Abs. 1 ZPO erforderliche Identität der Rechtsnormen herzustellen, selbst wenn der Landesgesetzgeber aus der Gesetzgebung eines anderen Landes Rechtssätze oder Rechtsgedanken übernommen hat. Erforderlich ist vielmehr, dass die Übereinstimmung bewusst und gewollt zum Zwecke der Vereinheitlichung herbeigeführt worden ist (BGH, Urteile vom 15. April 1998 - VIII ZR 129/97, NJW 1998, 3058; vom 13. Dezember 2006 - VIII ZR 64/06, NJW 2007, 519 und vom 1. Februar 2007 - III ZR 289/06, NJW-RR 2007, 823 = BauR 2007, 1201, 1202 je m.w.N.).

b)

Die Revision legt nicht dar, dass in diesem Sinne eine gewollte Übereinstimmung vorliegt. Ihrem Vortrag, dem Sachzusammenhang müsse entnommen werden, dass eine übereinstimmende Regelung gewollt sei, schon um durch den hierdurch möglichen Hinweis auf die entsprechenden Regelungen in den jeweils anderen Ländern eine erhöhte Akzeptanz der den Bürger belastenden Regelungen zu erreichen, fehlt die tatsächliche Grundlage.

3.

§ 8 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG und § 5 Abs. 1 Satz 1 StrReinG stehen nicht im Widerspruch zu höherrangigem Bundesrecht in § 10 Abs. 6 und 8 WEG in der seit dem 1. Juli 2007 geltenden Fassung.

a)

Nach § 10 Abs. 6 WEG kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gegenüber Dritten und Wohnungseigentümern selbst Rechte erwerben und Pflichten eingehen. Sie ist Inhaberin der als Gemeinschaft gesetzlich begründeten und rechtsgeschäftlich erworbenen Rechte und Pflichten. Sie übt die gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer aus und nimmt die gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer wahr, ebenso sonstige Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer, soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind. Damit hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (Beschluss vom 2. Juni 2005 - V ZB 32/05, BGHZ 163, 154) umgesetzt. Nach § 10 Abs. 8 WEG haftet jeder Wohnungseigentümer einem Gläubiger für Verbindlichkeiten der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht gesamtschuldnerisch, sondern nach dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils.

b)

Diese Vorschriften gelten auch für die bereits vor ihrem Inkrafttreten entstandenen Wohnungseigentümergemeinschaften. Sie gehören zum materiellen Recht, für das eine § 62 Abs. 1 WEG entsprechende Übergangsvorschrift fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2007 - V ZB 83/07, NJW 2007, 3492 = ZfBR 2008, 38; Briesemeister, ZWE 2007, 245, 247; Bärmann/Merle, WEG, 10. Aufl., § 62 Rdn. 2; a.A. ohne Begründung OLG München, Beschluss vom 26. Juli 2007, NJW-RR 2008, 321 mit ablehnender Anmerkung von Abramenko bei IBR-online).

c)

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 12. Juli 2006 - X ZR 152/05, ZMR 2006, 785) hat die Frage, ob die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft der gesamtschuldnerischen persönlichen Haftung der einzelnen Wohnungseigentümer auch in Rechtsverhältnissen, die auf einem öffentlichrechtlichen Anschluss- und Benutzungszwang beruhen, entgegensteht, offengelassen. Der Senat verneint nun diese Frage.

aa)

Bereits in dem Beschluss zur Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (Beschluss vom 2. Juni 2005 - V ZB 32/05, aaO) hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, neben der Haftung des teilrechtsfähigen Verbandes komme eine gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer (nur) in Betracht, wenn sie sich neben dem Verband klar und eindeutig auch persönlich verpflichtet hätten oder der Gesetzgeber dies ausdrücklich angeordnet habe. Diese Rechtsprechung hat die Geltung einer im kommunalen Abgabenrecht statuierten gesamtschuldnerischen Haftung der Wohnungseigentümer für Grundbesitzabgaben nicht gehindert. Insoweit handelt es sich um eine ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers im Sinne des zitierten Beschlusses (BVerwG, Beschluss vom 11. November 2005 - 10 B 65/05, NJW 2006, 791; BayVGH, ZMR 2007, 316 = NVwZ-RR 2007, 223, Tz. 46 m.w.N., der allerdings im konkreten Fall aus anderen Gründen eine gesamtschuldnerische Haftung verneint hat; Briesemeister, NZM 2007, 225, 229, 230; Riecke/Schmid/Elzer, WEG, 2. Aufl., § 10 Rdn. 496; a.A. Sauren, ZMR 2006, 750).

bb)

An dieser Rechtslage hat sich durch § 10 Abs. 6 WEG nichts geändert. Die Gesetzesmaterialien geben nichts dafür her, dass durch Gesetz nicht eine abweichende Haftung begründet oder bestimmt werden könnte (vgl. BT-Drucks. 16/887, S. 60 ff. und 16/3843, S. 24). Das kann auch durch im Rahmen der Kompetenz des Landesgesetzgebers erlassenes Landesrecht geschehen. Die Kompetenz des B. Landesgesetzgebers, die Straßenreinigung und die Abfallbeseitigung in B. sowie die entsprechenden Gebühren und Entgelte zu regeln, steht außer Frage. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Bundesgesetzgeber in die Kompetenz der Landesgesetzgeber eingreifen wollte, die Gebührentatbestände an das Grundstücks- oder Wohnungseigentum anzuknüpfen (vgl. Briesemeister, aaO).

cc)

Sind persönliche Verbindlichkeiten durch Gesetz begründet worden, greift die quotale Haftung gemäß § 10 Abs. 8 WEG nicht. Denn § 10 Abs. 8 WEG knüpft an die Verbindlichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer an, die während der Zugehörigkeit eines Wohnungseigentümers zur Gemeinschaft entstanden oder während dieses Zeitraums fällig geworden sind. Die in § 10 Abs. 8 WEG normierte Haftungsbegrenzung greift daher nicht, wenn im Landesrecht eine Gesamtschuld der Wohnungseigentümer in ihrer Eigenschaft als Miteigentümer des Grundstücks gesetzlich vorgesehen ist (vgl. Briesemeister, aaO; Bamberger/Roth/Hügel, BGB, 2. Aufl., § 10 WEG Rdn. 54; Grziwotz in Jennißen, WEG, § 10 Rdn. 116; jurisPK-BGB/Lafontaine, 4. Aufl., § 10 WEG Rdn. 231; Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 3 Rdn. 201).

dd)

Diesem Ergebnis steht entgegen der Ansicht der Revision das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. März 2007 (VIII ZR 125/06, NJW 2007, 2987 = BauR 2007, 1041) nicht entgegen. Dieses Urteil betraf eine Kaufpreisforderung aus einem Gaslieferungsvertrag. Der Bundesgerichtshof hatte eine gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer verneint, da der Gaslieferungsvertrag vom klagenden Gasversorgungsunternehmen mit der Verwalterin geschlossen worden und damit mit der teilrechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft zustande gekommen sei. Hier dagegen ergibt sich die Haftung des Beklagten aus dem in den Landesgesetzen angeordneten Anschluss- und Benutzungszwang und dem dadurch begründeten Benutzungsverhältnis.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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