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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 27.11.2008
Aktenzeichen: VII ZR 202/07
Rechtsgebiete: ZPO, VOB/B, BGB, GKG


Vorschriften:

ZPO § 139
ZPO § 139 Abs. 4 Satz 1
ZPO § 278 Abs. 3
ZPO § 544 Abs. 7
VOB/B § 8 Nr. 1 Abs. 2
BGB § 649 a.F.
GKG § 47 Abs. 3
GKG § 47 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VII ZR 202/07

vom 27. November 2008

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. November 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, die Richter Dr. Kuffer, Bauner, die Richterin Safari Chabestari und den Richter Dr. Eick

beschlossen:

Tenor:

Der Beschwerde der Klägerin wird teilweise stattgegeben.

Das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 30. Oktober 2007 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 70.684,52 € abgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen.

Die Beklagte wird der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 30. Oktober 2007 für verlustig erklärt, da sie ihr Rechtsmittel zurückgenommen hat.

Gegenstandswert der Nichtzulassungsbeschwerde

der Klägerin: 71.355,58 €; des stattgebenden Teils: 70.684,52 €

der Beklagten: 246.773,90 €

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten restlichen Werklohn.

Die Beklagte beauftragte im Jahr 1998 die H. GmbH, deren Geschäfte später von der Klägerin fortgeführt wurden, mit dem Einbau von Fenster- und Türelementen für den Neubau eines Servicehauses. Sechs Abschlagsrechnungen wurden vollständig bezahlt, bei der siebten Rechnung nahm die Beklagte Kürzungen vor. Aufgrund der Rechnungskürzung und anderer Differenzen bei der Ausführung der Bauarbeiten stellte die Klägerin die Arbeiten ein. Die Beklagte kündigte den Vertrag mit Schreiben vom 3. Mai 1999 zunächst teilweise, mit Schreiben vom 11. Mai 1999 schließlich insgesamt.

In der Schlussrechnung vom 20. Mai 1999 berechnet die Klägerin eine Restforderung von 477.058,60 DM. Mit der Klage macht sie auf der Grundlage einer Forderungszusammenstellung vom 30. November 2000 einen Betrag von 396.574,88 DM = 202.765,51 € geltend.

Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme der Zinshöhe in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen, soweit die Beklagte zur Zahlung von mehr als 131.409,93 € nebst Zinsen verurteilt worden ist. Mit der Revision, deren Zulassung die Klägerin begehrt, erstrebt diese die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte hat ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgenommen.

II.

Das Berufungsurteil beruht ganz überwiegend auf einer Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör. Es ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, soweit das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf restlichen Werklohn in Höhe von 70.684,52 € aberkannt hat.

1. a) Das Berufungsgericht hält einen Anspruch der Klägerin auf eine Zulage wegen abweichender Rohbaumaße in den Rechnungspositionen 1 - 3, 5 - 8, 12 - 19, 22 und 32 - 39 in Höhe von insgesamt 34.072,59 DM zuzüglich Mehrwertsteuer nicht für gegeben. Zwar habe die Klägerin im Ansatz zu Recht mit ihren Nachtragsangeboten vom 7. Januar und 10. März 1999 eine zusätzliche Vergütung gefordert. Sie habe aber in Abkehr von den Nachtragsangeboten nicht nach Aufmaß, sondern nach Stundenlohn abgerechnet. Ein Nachweis über die Stunden fehle. Außerdem fehle eine Dokumentation dazu, welche Maßabweichungen jeweils bei den einzelnen Fenster- und Türelementen vorhanden gewesen sein sollen, weshalb der Beklagten eine Prüfung des Mehraufwands nicht möglich gewesen sei. Außerdem habe die Klägerin es der Beklagten durch die mangelnde Dokumentation nicht ermöglicht, die Kosten an den Rohbauunternehmer weiterzugeben.

b) Das Berufungsgericht hat in entscheidungserheblicher Weise gegen seine Hinweispflicht verstoßen und damit den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt.

aa) Eine in erster Instanz siegreiche Partei darf darauf vertrauen, dass das Berufungsgericht ihr rechtzeitig einen Hinweis nach §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO gibt, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und insbesondere aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (BGH, Beschluss vom 28. September 2006 - VII ZR 103/05, BauR 2007, 110, 111). Das Landgericht hat die Werklohnforderung in vollem Umfang für begründet erachtet. Das Berufungsgericht hätte daher auf seine abweichende Ansicht zur Schlüssigkeit des Vortrags hinweisen und der Klägerin Gelegenheit zur Ergänzung geben müssen. Ein Hinweis ist nicht etwa deshalb entbehrlich gewesen, weil die Beklagte die Klage für unschlüssig gehalten hat. Denn dadurch ist das berechtigte Vertrauen der Klägerin darauf, dass das Gericht den Vortrag für nicht ergänzungsbedürftig ansieht, nicht erschüttert worden. Anderes ergibt sich nicht aus den von der Beschwerdeerwiderung angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 20. Dezember 2007 - IX ZR 207/05, NJW-RR 2008, 581, 582; Urteil vom 22. November 2006 - VIII ZR 72/06, BGHZ 170, 67, 75; Urteil vom 24. September 1987 - III ZR 188/86, NJW 1988, 696, 697). Diese betreffen keine vergleichbaren Fallgestaltungen.

Ein Hinweis des Berufungsgerichts ist in den Akten nicht gemäß § 139 Abs. 4 Satz 1 ZPO dokumentiert. Der Umstand, dass der Klägervertreter laut Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25. September 2007 um einen Schriftsatznachlass zu den in der Verhandlung angestellten rechtlichen Erwägungen gebeten hat, belegt nicht in ausreichender Weise, dass der erforderliche Hinweis erteilt wurde. Jedenfalls ist der Klägerin keine ausreichende Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden, da die beantragte Schriftsatzfrist nicht gewährt wurde.

bb) Der Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Es ist nicht auszuschließen, dass die Klägerin, hätte sie ausreichend Gelegenheit zu ergänzender Stellungnahme erhalten, aufgrund ihres in der Begründung zur Nichtzulassungsbeschwerde erfolgten Vortrags obsiegt hätte.

cc) Der Verfahrensfehler des Berufungsgerichts ist auch entscheidungserheblich, soweit der Beklagten die Aufrechung mit Schadensersatzansprüchen wegen Verzugs zugebilligt wurde. Dem liegt nämlich die auf dem Gehörsverstoß beruhende Auffassung zugrunde, die Klägerin habe ihren Mehraufwand für die Anfertigung der Fenster nicht schlüssig begründet und es habe deswegen nicht festgestellt werden können, dass die Klägerin die Fristüberschreitung nicht zu vertreten habe. Daher ist die Entscheidung auch bezüglich der zur Aufrechung gestellten Kosten der Winterfestmachung in Höhe von 10.318,11 DM und der Gerüstvorhaltung in Höhe von 26.572,66 DM aufzuheben. Hinsichtlich der Gerüstvorhaltung ergibt sich die Entscheidungserheblichkeit der Verletzung der Hinweispflicht auch daraus, dass die Klägerin bei rechtzeitigem Hinweis vorgetragen hätte, die Gerüste seien zum Einbau der Fenster- und Türelemente gar nicht erforderlich gewesen; es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht unter Berücksichtigung dieses Vortrags die Kausalität des Verzugs der Klägerin für die Verlängerung der Gerüstvorhaltung verneint hätte.

dd) Der Gehörsverstoß wirkt sich auch hinsichtlich der Mehrkosten der Automatiktüren in Höhe von 2.694 DM aus, die das Berufungsgericht der Beklagten wegen berechtigter Kündigung aus wichtigem Grund zuerkannt hat. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht nach neuer Verhandlung die Mehrvergütungsansprüche als (ggf. teilweise) berechtigt ansehen und in der Folge seine Auffassung zur Berechtigung der 7. Abschlagsrechnung ändern wird. In diesem Fall läge ein wichtiger Grund für die Kündigung der Beklagten nicht vor, so dass dieser ein Anspruch auf Herstellungsmehrkosten nicht zustünde.

ee) In gleicher Weise wirkt sich der Gehörsverstoß aus, soweit das Berufungsgericht der Klägerin Vergütungsansprüche wegen nicht ausgeführter Leistungen abgesprochen hat. Dies betrifft die in der Forderungszusammenstellung vom 30. November 2000 zu den Positionen 30 und 31 geltend gemachten Beträge von 4.008 DM und 22.854 DM sowie den mit 21.217,27 DM bezifferten 28%igen so genannten Kostenausgleich. Lag ein wichtiger Grund für die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung nicht vor, steht der Klägerin hinsichtlich der nicht ausgeführten Leistungen ein Vergütungsanspruch gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B, § 649 BGB a.F. zu. Die Entscheidung kann insoweit nicht deshalb aufrecht erhalten bleiben, weil das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, dass die Forderung der Klägerin hinsichtlich der nicht erbrachten Leistungen unschlüssig ist. Da das Landgericht ihr auch diese Forderung zugesprochen hat, durfte die Klage insoweit im Berufungsrechtszug nicht abgewiesen werden, ohne dass der Klägerin Gelegenheit gegeben wurde, nach einem entsprechenden richterlichen Hinweis ihren Vortrag zu ergänzen.

2. a) Das Berufungsgericht hält in Position 46 eine Zulage für Winkel in Höhe von 2.960 DM zuzüglich Mehrwertsteuer für unberechtigt, da eine Vereinbarung hierzu nicht festzustellen sei. Das Vorbringen der Beklagten, die Leistung sei im vereinbarten Einheitspreis enthalten, sei von der Klägerin nicht entkräftet worden.

b) Auch hier liegt ein entscheidungserheblicher Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör vor.

Die Klägerin hat zu den Positionen 46 und 47 in ihrem Schriftsatz vom 21. September 2001 einheitlich vorgetragen, dass die zusätzlichen Abdeckwinkel, für die sie eine Zulage begehrt, erforderlich geworden seien, weil die zunächst angegebenen Aufmaße nicht gestimmt hätten. Die Position 47 hat das Berufungsgericht unter Hinweis auf diesen Vortrag als berechtigt anerkannt, weil die Beklagte das Vorbringen nicht entkräftet habe. Ein Grund, warum es die Position 46 anders beurteilt, ist nicht ersichtlich. Die unterschiedliche Behandlung ist nur dadurch erklärbar, dass das Berufungsgericht nicht zur Kenntnis genommen hat, dass sich der Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 21. September 2001 gleichermaßen auf die Position 46 bezieht.

Der Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich, da anzunehmen ist, dass das Berufungsgericht bei vollständiger Kenntnisnahme des Schriftsatzes vom 21. September 2001 die Zulage zur Position 46 in Höhe von 2.960 DM zuzüglich Mehrwertsteuer ebenfalls als berechtigt angesehen hätte.

III.

Von einer Begründung der Entscheidung über die Zurückweisung der weitergehenden Nichtzulassungsbeschwerde wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO).

IV.

Der Gegenstandswert der Beschwerde der Beklagten war gemäß § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 2 GKG nach deren Beschwer durch das angefochtene Berufungsurteil festzusetzen. Zu dem ausgeurteilten Betrag waren daher die Forderungen zu addieren, mit denen die Beklagte erfolglos hilfsweise aufgerechnet hat.

Ende der Entscheidung

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