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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.03.2008
Aktenzeichen: VII ZR 204/06
Rechtsgebiete: ZPO, VOB/B
Vorschriften:
ZPO § 139 Abs. 4 | |
ZPO § 139 Abs. 5 | |
ZPO § 282 Abs. 1 | |
ZPO § 296 a | |
ZPO § 544 Abs. 7 | |
VOB/B § 13 Nr. 5 Abs. 2 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 13. März 2008
in dem Rechtsstreit
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. März 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Prof. Dr. Kniffka, Bauner, Dr. Eick und Halfmeier
beschlossen:
Tenor:
Der Beschwerde der Beklagten wird stattgegeben.
Das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 26. September 2006 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Die Parteien schlossen am 6./25. Juni 2001 einen Bauvertrag über die Sanierung eines Parkdecks am I. Einrichtungshaus C. . Aufgabe der Klägerin war es, die Parkebenen mit einer rissüberbrückenden Beschichtung zu versehen. Nach der Fertigstellung traten erneut Risse in der Beschichtung auf. Die Klägerin hat die Mängel trotz mehrfacher Aufforderung mit Fristsetzung und Androhung der Auftragsentziehung seitens der von der Beklagten eingeschalteten Architekten nicht beseitigt. Die Beklagte hat die Mängel danach durch ein anderes Unternehmen beseitigen lassen. Die Klägerin begehrt Feststellung, dass ihre Leistung am 12. September 2001 abgenommen worden sei und verlangt restlichen Werklohn in Höhe von 103.342,11 € nebst Zinsen. Die Beklagte ist der Auffassung, die Leistung der Klägerin sei wertlos gewesen und rechnet mit den Kosten für die Mängelbeseitigung in Höhe von (vorläufig) 317.878,79 € auf.
Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben, weil die Klägerin nicht für die Auswahl des verwendeten Produkts zur Beschichtung verantwortlich sei. Dieses sei ihr vielmehr bauherrenseits vorgeschrieben worden. Sie hafte auch nicht für eine etwaige Fehlberatung durch die Herstellerin (angeblich 100 %ige Konzernmutter der Klägerin), weil es sich trotz persönlicher Verflechtung um rechtlich selbständige juristische Personen handele.
Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat sich mit den sachlichen Angriffen der Beklagten gegen die Ausführungen des Landgerichts nicht befasst, sondern gemeint, es fehle bereits an wirksamen Fristsetzungen gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B, weil die die Mängelrügen und Fristsetzungen erklärenden Architekten nicht hierzu bevollmächtigt gewesen seien.
Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen.
II.
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision hat Erfolg. Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG. Es ist deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 544 Abs. 7 ZPO.
1. Das Berufungsgericht führt aus, nach § 20 des Bauvertrages habe die Beklagte ausschließlich durch die Herren B. und S. rechtsgeschäftliche oder rechtsgeschäftsähnliche Willenserklärungen mit Wirkung für die Beklagte abgeben und entgegennehmen dürfen. Die Mängelrügen und Fristsetzung der bei der Abwicklung des Bauvertrages eingesetzten Architekten seien daher ohne Vertretungsmacht erfolgt. Dem von der Beklagten zum Beleg ihrer pauschalen Behauptung einer Vertretungsmacht lediglich vorgelegten Schreiben vom 16. November 2001 lasse sich eine Bevollmächtigung nicht entnehmen.
Nach dahingehendem Hinweis im Termin vom 26. September 2006 hat das Berufungsgericht im Anschluss an die mündliche Verhandlung ein Urteil verkündet.
2. Dadurch hat das Berufungsgericht in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verkürzt.
a) Das Gericht muss - in Erfüllung seiner prozessualen Fürsorgepflicht - gemäß § 139 Abs. 4 ZPO Hinweise auf seiner Ansicht nach entscheidungserhebliche Umstände, die die betroffene Partei erkennbar für unerheblich gehalten hat, grundsätzlich so frühzeitig vor der mündlichen Verhandlung erteilen, dass die Partei die Gelegenheit hat, ihre Prozessführung darauf einzurichten und schon für die anstehende mündliche Verhandlung ihren Vortrag zu ergänzen und die danach erforderlichen Beweise anzutreten. Erteilt es den Hinweis entgegen § 139 Abs. 4 ZPO erst in der mündlichen Verhandlung, muss es der betroffenen Partei genügend Gelegenheit zur Reaktion hierauf geben. Kann eine sofortige Äußerung nach den konkreten Umständen und den Anforderungen des § 282 Abs. 1 ZPO nicht erwartet werden, darf die mündliche Verhandlung nicht ohne weiteres geschlossen werden (BGH, Beschluss vom 18. September 2006 - II ZR 10/05, WM 2006, 2328; Urteil vom 8. Februar 1999 - II ZR 261/97, WM 1999, 1379). Vielmehr muss das Gericht die mündliche Verhandlung dann vertagen, ins schriftliche Verfahren übergehen, soweit dies im Einzelfall sachgerecht erscheint, oder - auf Antrag der betreffenden Partei - gemäß § 139 Abs. 5 i.V.m. § 296 a ZPO eine Frist bestimmen, innerhalb derer die Partei die Stellungnahme in einem Schriftsatz nachbringen kann (BGH aaO). Unterlässt das Gericht die derart gebotenen prozessualen Reaktionen und verkennt es dabei, dass die Partei sich offensichtlich in der mündlichen Verhandlung nicht ausreichend hat erklären können, so verletzt es deren Anspruch aus Art. 103 Abs. 1 GG.
b) Angesichts des Prozessverlaufs war das Berufungsgericht hier gemäß § 139 Abs. 4 ZPO verpflichtet, den Hinweis, dass seiner Ansicht nach zu klären war, ob die Architekten zur Mängelrüge und Fristsetzung bevollmächtigt waren, bereits frühzeitig vor der mündlichen Verhandlung zu erteilen. Beide Parteien haben schon in der ersten Instanz im Rahmen der Vielzahl der zwischen ihnen streitigen Fragen und des dadurch bedingten umfänglichen Prozessstoffes der Wirksamkeit der Mängelrügen mit Fristsetzung nur untergeordnete Bedeutung beigemessen. Nachdem das Landgericht die Frage nicht problematisiert hatte, war die Beklagte in ihrer Rechtsansicht bestärkt, die Vertretungsfrage nicht für relevant zu halten, was dazu geführt hat, dass dieser Punkt in der umfänglichen schriftsätzlichen Auseinandersetzung in der Berufungsinstanz bei beiden Parteien überhaupt keine Rolle mehr gespielt hat. Dem Berufungsgericht musste sich angesichts dieser konkreten Prozesssituation aufdrängen, dass sein vom landgerichtlichen Urteil abweichender Rechtsstandpunkt zur Vertretungsmacht der Architekten für die Beklagte überraschend war. Dem hätte es durch einen frühzeitigen Hinweis Rechnung tragen müssen, um Gelegenheit zu geben, die Auswirkungen des Hinweises auf die Entscheidung des Rechtsstreits zu prüfen und sodann ergänzend vorzutragen. Unterließ es in dieser Situation den an sich gebotenen frühzeitigen Hinweis vor der mündlichen Verhandlung und erteilte ihn stattdessen erst in der mündlichen Verhandlung, konnte es bei dem umfangreichen Prozessstoff nicht erwarten, dass die Beklagte die rechtlichen Konsequenzen des Hinweises sofort in vollem Umfang überblicken und entsprechend prozessual angemessen zur Wahrung ihrer Rechte reagieren konnte. Im Hinblick hierauf hätte es sich dem Berufungsgericht aufdrängen müssen, die mündliche Verhandlung zu vertagen. Es stellte einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG dar, wenn es in dieser Situation die mündliche Verhandlung schloss und im Anschluss daran eine Endentscheidung verkündete.
3. Dieser Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist entscheidungserheblich. Hätte die Beklagte die erforderliche Gelegenheit gehabt, nochmals zur jedenfalls konkludenten Bevollmächtigung der Architekten oder zumindest einer wirksamen Genehmigung der von ihnen abgegebenen Erklärung durch die Beklagte vorzutragen, so muss auf der Grundlage des zu berücksichtigenden Akteninhalts davon ausgegangen werden, dass das Berufungsgericht die Rechtswirksamkeit der Fristsetzung durch die Architekten bejaht hätte. Etwas anderes ist schon auf der Grundlage der in erster Instanz vorgelegten umfangreichen Korrespondenz der Klägerin mit den Architekten der Beklagten kaum vorstellbar.
4. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht auch Gelegenheit zu prüfen, ob vorliegend überhaupt noch eine Fristsetzung seitens der Beklagten vonnöten war, um Kostenersatzansprüche der Beklagten nach § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B entstehen zu lassen. Die Reaktion der Klägerin auf die Fristsetzung durch die Architekten gibt Anlass zur Prüfung, ob in dem Verhalten der Klägerin eine endgültige und ernsthafte Verweigerung der Mängelbeseitigung liegt.
Ende der Entscheidung
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