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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 25.09.2008
Aktenzeichen: VII ZR 204/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 197 Abs. 1 Nr. 3
BGB § 637
Ein Urteil, mit dem dem Auftraggeber Vorschuss auf Mängelbeseitigungskosten zugesprochen wird, enthält regelmäßig die Feststellung, dass der Auftragnehmer verpflichtet ist, die gesamten Mängelbeseitigungskosten zu tragen, gegebenenfalls auch die den gezahlten Vorschuss übersteigenden Selbstvornahmekosten (im Anschluss an BGH, Urteile vom 18. März 1976 VII ZR 41/74, BGHZ 66, 138 und vom 20. Februar 1986 VII ZR 318/84, BauR 1986, 345 = ZfBR 1986, 210).
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 204/07

Verkündet am: 25. September 2008

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Prof. Dr. Kniffka, Bauner, Dr. Eick und Halfmeier

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 30. Oktober 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen Tatbestand:

Die Kläger verlangen als Auftraggeber vom beklagten Auftragnehmer die Erstattung der Kosten einer von ihnen durchgeführten Mängelbeseitigung. In der Revision geht es nur um die Frage, ob dieser Anspruch verjährt ist.

Die Kläger beauftragten den Beklagten im Mai 1997 mit Außenputzarbeiten. Die Geltung der VOB/B und eine fünfjährige Gewährleistungsfrist wurden vereinbart. Am 24. Juli 1997 bezahlten die Kläger die Schlussrechnung. Mit Schreiben vom 10. August 2001 rügten sie Mängel und forderten den Beklagten unter Fristsetzung zur Beseitigung auf. Da der Beklagte dem nicht nachkam, leiteten die Kläger ein selbständiges Beweisverfahren ein und erhoben am 2. Dezember 2003 Klage auf Zahlung von Vorschuss auf die Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 10.760 €. Bei diesem Betrag handelt es sich um den nach dem Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens auf den Beklagten entfallenden Teil der Sanierungskosten. Einen Feststellungsantrag hinsichtlich etwaiger darüber hinausgehender Mängelbeseitigungskosten stellten die Kläger nicht. Der Beklagte wurde in jenem Verfahren rechtskräftig antragsgemäß verurteilt.

Bei der von den Klägern sodann durchgeführten Sanierung fielen erheblich höhere Kosten an. Die Kläger haben daher den Beklagten auf Zahlung von Selbstvornahmekosten in Höhe von weiteren 7.049 € in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die im März 2007 erhobene Klage abgewiesen, da der Anspruch verjährt sei. Die Berufung der Kläger ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht wegen der Frage der Verjährung zugelassenen Revision verfolgen sie ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter anderem in IBR 2007, 673 (Volltext bei ibr-online.de) veröffentlicht ist, hält den Anspruch der Kläger auf Erstattung der Selbstvornahmekosten für verjährt. Die Verjährungsfrist sei, gehemmt durch das selbständige Beweisverfahren und die Klage auf Kostenvorschuss, am 21. Februar 2006 abgelaufen. Bei dem Anspruch der Kläger handele es sich nicht um eine bereits titulierte Forderung i.S. von § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB, die erst nach 30 Jahren verjähre. Das Urteil, mit dem den Klägern Kostenvorschuss zugesprochen worden sei, stehe einem Urteil über einen Teilanspruch gleich, dem keine Rechtskraft in Bezug auf die Nachforderung zukomme. Dies habe zur Folge, dass die 30-jährige Verjährung des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB nur den titulierten Vorschussanspruch ergreife und die weiterhin einklagbare Nachforderung nach den allgemeinen Vorschriften verjähre. Es treffe nicht zu, dass die Verurteilung zur Zahlung von Vorschuss gleichzeitig Elemente eines Feststellungsurteils enthalte und sich deshalb die Rechtskraft nicht auf den bezifferten Anspruch beschränke. Ein Urteil, mit dem einer Vorschussklage stattgegeben werde, sei ein Leistungsurteil, dessen Rechtskraft sich nur auf das Bestehen der geltend gemachten Rechtsfolge beziehe. Daran ändere sich nichts dadurch, dass es keine endgültige materielle Zuweisung des ausgeurteilten Betrags enthalte und Nachforderungen ebenso wie Rückerstattungen möglich blieben. Präjudizielle Rechtsverhältnisse nähmen an der Rechtskraft nicht teil. Es bestehe auch kein praktisches Bedürfnis, Vorschussurteilen eine weitergehende Wirkung zuzusprechen. Es hätte den Klägern offen gestanden, rechtzeitig Feststellungsklage zu erheben. Dass der Bundesgerichtshof die Erhebung einer Feststellungsklage neben einer Vorschussklage für entbehrlich gehalten habe (Urteile vom 18. März 1976 - VII ZR 41/74, BGHZ 66, 138, 142 und vom 20. Februar 1986 - VII ZR 318/84, BauR 1986, 345, 347 = ZfBR 1986, 120), stelle dieses Ergebnis nicht in Frage.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Anspruch der Kläger auf Erstattung ihrer Selbstvornahmekosten ist nicht verjährt. Das rechtskräftige Urteil hinsichtlich des Vorschussanspruchs der Kläger steht der Verjährung entgegen.

1. Mit der Vorschussklage wird ein einheitlicher Anspruch auf Ersatz der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten geltend gemacht. Die Klage umfasst den Vorschussanspruch in der Höhe, in der er zur Beseitigung des Mangels sachlich erforderlich ist. Der Vorschuss stellt aber nichts Endgültiges dar, sondern muss abgerechnet werden. Gegebenenfalls kann eine Nachzahlung verlangt werden (BGH, Urteile vom 18. März 1976 - VII ZR 41/74, BGHZ 66, 138, 141 und VII ZR 35/75, BGHZ 66, 142, 149; vom 20. Februar 1986 - VII ZR 318/84, BauR 1986, 345 = ZfBR 1986, 120 und vom 24. April 1986 - VII ZR 262/85, BauR 1986, 576 = ZfBR 1986, 219). Die Wirkung der Vorschussklage ist nicht auf den eingeklagten Betrag beschränkt. Sie deckt vielmehr hinsichtlich der Unterbrechung der Verjährung auch spätere Erhöhungen, gleichviel worauf sie zurückzuführen sind, ab, sofern sie nur denselben Mangel betreffen (BGH, Urteile vom 10. November 1988 - VII ZR 140/87, BauR 1989, 81, 83 und vom 1. Februar 2005 - X ZR 112/02, NZBau 2005, 514 = ZfBR 2005, 551).

2. Aus diesem auch in die Zukunft gerichteten Wesen einer Vorschussklage folgt, dass ein Vorschussurteil gleichzeitig auch Elemente eines Feststellungsurteils enthält. Dem Grunde nach wird die Verpflichtung des Auftragnehmers festgestellt, die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten zu tragen, auch wenn das so im Tenor des Urteils keinen Ausdruck findet (vgl. Kniffka, ibronline-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 3. Juni 2008, § 637 BGB Rdn. 77). Diese Feststellung bezieht sich grundsätzlich nicht nur auf Nachforderungen in Form eines weiteren Vorschusses, sondern auch auf solche in Form von bei der Sanierung angefallenen, den gezahlten Vorschuss übersteigenden Selbstvornahmekosten. Bei dem Kostenvorschuss handelt es sich um einen vorweggenommenen Ersatz der Selbstvornahmekosten nach § 633 Abs. 3 BGB a.F., § 637 Abs. 1 BGB, § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B (vgl. BGH, Urteile vom 14. April 1983 - VII ZR 258/82, BauR 1983, 365 = ZfBR 1983, 185 und vom 24. November 1988 - VII ZR 112/88, BauR 1989, 201, 202 = ZfBR 1989, 60). Auch bei einer Vorschussklage hat der Auftraggeber regelmäßig bereits den endgültigen Gesamtbetrag der Mängelbeseitigungskosten im Sinn, wenn auch auf einer nur vorläufigen Basis. Der Auftragnehmer seinerseits muss so lange mit Nachforderungen rechnen, als die Kosten der Mängelbeseitigung nicht endgültig feststehen. Die Vorschussklage ist daher regelmäßig so zu verstehen, dass gleichzeitig die Nachschusspflicht des Auftragnehmers für den Fall festgestellt werden soll, dass der ausgeurteilte Vorschuss nicht ausreicht (Kniffka aaO; vgl. auch Handschumacher, JurisPR-PrivBauR 6/2008 Anm. 6). Dementsprechend hat der Senat bereits entschieden, dass neben der Vorschussklage eine Feststellungsklage zum Zwecke der Verjährungsunterbrechung entbehrlich ist (Urteile vom 18. März 1976 - VII ZR 41/74, BGHZ 66, 138, 142 und vom 20. Februar 1986 - VII ZR 318/84, BauR 1986, 345, 347 = ZfBR 1986, 210). Wird sie dennoch erhoben, hat sie lediglich klarstellende Funktion (BGH, Urteil vom 10. November 1988 - VII ZR 140/87, BauR 1989, 81, 83).

3. Die Erwägungen des Berufungsgerichts geben keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.

a) Den genannten Urteilen des Senats zur Entbehrlichkeit einer Feststellungsklage kann nicht entnommen werden, dass der Senat bei diesen Entscheidungen nur den typischerweise drohenden Rechtsverlust durch Verjährung im Auge gehabt hätte. Eine Feststellungsklage ist nur dann entbehrlich, wenn durch die Vorschussklage neben der früheren Unterbrechung und heutigen Hemmung der Verjährung auch die sonstigen Wirkungen eines Feststellungsurteils eintreten.

b) Es ist nicht von Bedeutung, dass präjudizielle Rechtsverhältnisse oder sonstige Vorfragen, aus denen der Richter den Schluss auf das Bestehen oder Nichtbestehen der von der Klagepartei beanspruchten Rechtsfolge zieht, wie etwa das Eigentum bei einer erfolgreichen Räumungsklage, nicht an der Rechtskraft teilnehmen. Darum geht es hier nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob ein auf Zahlung von Kostenvorschuss lautendes Urteil bei verständiger Würdigung dahin auszulegen ist, dass es auch Elemente eines Feststellungsurteils enthält.

4. Danach ist der Anspruch der Kläger auf Ersatz ihrer Selbstvornahmekosten nicht verjährt. Durch das im Vorprozess ergangene Urteil über die Vorschusspflicht des Beklagten ist dieser Anspruch rechtskräftig festgestellt worden. Gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB beträgt auch für ihn die Verjährungsfrist 30 Jahre.

Ende der Entscheidung

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