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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 26.04.2001
Aktenzeichen: VII ZR 222/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 276 Hb
BGB § 684
BGB § 818 Abs. 2
BGB § 276 Hb

Beauftragt ein Architekt in der irrigen Annahme seiner Bevollmächtigung einen Unternehmer mit Bauarbeiten, so ist der Bauherr verpflichtet, den Architekten auf die Unwirksamkeit des Bauvertrages hinzuweisen, sobald er dies erkennt oder sich der Kenntnis bewußt verschließt.

BGB §§ 684, 818 Abs. 2

Entspricht die einer Partei auf ihrem Grundstück rechtsgrundlos erbrachte Leistung ihrer Planung, nimmt sie sie entgegen und nutzt sie sie, so hat sie als Wertersatz grundsätzlich dasjenige zu leisten, was sie bei eigener Vergabe für die Arbeiten hätte aufwenden müssen.

BGH, Urteil vom 26. April 2001 - VII ZR 222/99 - KG LG Berlin


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 222/99

Verkündet am: 26. April 2001

Seelinger-Schardt, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Hausmann, Dr. Wiebel, Dr. Kuffer und Dr. Kniffka

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 27. Zivilsenats des Kammergerichts vom 8. April 1999 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die beiden klagenden Architekten sind im Vorprozeß von der B. Metallbau GmbH (künftig: B.) erfolgreich als vollmachtlose Vertreter des beklagten Landes auf Bezahlung einer Werkleistung in Höhe von 152.261,82 DM in Anspruch genommen worden. Die Kläger verlangen diesen nach ihrer Verurteilung an B. gezahlten Betrag nebst Zinsen und Prozeßkosten vom beklagten Land (künftig: Beklagter).

Der Beklagte hatte die Kläger im Sommer 1989 beauftragt, Architektenleistungen für das Bauvorhaben "Umbau des W.-Platzes/Kinderspielplatz am W.-Platz" in B. zu erbringen. Er hatte zunächst die K. & S. GmbH (künftig: K. & S.) beauftragt, die Metallbauarbeiten auszuführen, zu denen u.a. die Herstellung und Montage einer unter künstlerischen Gesichtspunkten gestalteten Pergola gehörte. Da die K. & S. den vereinbarten Fertigstellungstermin nicht einhielt, entzogen die Kläger ihr namens des Beklagten den Auftrag, soweit er die Lieferung und Montage der Pergola betraf. Am selben Tag forderte die Klägerin zu 2 die B. auf, mit diesen Arbeiten auf der Basis von Stundenlohnsätzen zu beginnen.

Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Beklagte seinerseits die Kläger beauftragt hatte, die Pergolaarbeiten zu vergeben. Jedenfalls, so meinen die Kläger, sei der Beklagte, welcher den Arbeiten der Firma B. nicht widersprochen habe, vielmehr deren Leistungen nunmehr schon über Jahre hinweg nutze, verpflichtet, ihnen in Höhe der Klageforderung Ersatz zu leisten.

Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung von insgesamt 225.658,97 DM abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich ihre Revision, mit der sie ihren Klageantrag weiterverfolgen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat vertragliche Ansprüche der Kläger aus einem Auftragsverhältnis der Parteien abgelehnt. Die Kläger hätten nicht nachgewiesen, daß der Beklagte sie beauftragt oder ermächtigt habe, der B. anstelle der K. & S. die Fertigstellung der Pergola zu übertragen.

Das greift die Revision ausschließlich mit Verfahrensrügen an. Der Senat hat diese Rügen geprüft und sie für nicht durchgreifend erachtet; von einer Begründung wird abgesehen (§ 565 a ZPO).

II.

1. Das Berufungsgericht hat Ansprüche aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 670 BGB) mit der Begründung abgelehnt, das Interesse und der feststellbare Wille des Beklagten habe einer sofortigen Beauftragung der B. zur Fertigstellung der Pergolaarbeiten auf Stundenlohnbasis entgegengestanden. Der Beklagte habe sämtliche Aufträge für das Bauvorhaben selbst vergeben wollen und sei hiervon nicht abgerückt. Er habe den Klägern bereits Ende 1991 erklärt, daß eine Überschreitung der beauftragten Bausumme in 1992 nicht möglich sei.

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat sowohl das Interesse wie auch den wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Beklagten als Geschäftsherrn mit der Übernahme der Geschäftsführung, nämlich der Vergabe der Pergolaarbeiten auf Stundenlohnbasis an B., rechtsfehlerfrei verneint. Die gegen diese Feststellungen erhobenen Verfahrensrügen der Revision hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet; von einer Begründung wird abgesehen (§ 565 a ZPO).

III.

1. Das Berufungsgericht führt aus, den Klägern stünden Schadensersatzansprüche wegen positiver Vertragsverletzung der Architektenverträge nicht zu. Der Beklagte sei nicht verpflichtet, einen Kostenerstattungsanspruch für die Arbeiten, die B. ausgeführt habe, der Rechnung der K. & S. entgegenzuhalten oder Rückforderungsansprüche geltend zu machen. Zudem hätten die Kläger nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, die Rechnung der K. & S. hätte entsprechend ihrer Rechnungsprüfung gekürzt werden müssen.

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung insofern nicht stand, als das Berufungsgericht weitergehende Vertragspflichten des Beklagten verkannt hat.

a) Wie bei jedem Schuldverhältnis treffen auch die Parteien eines Architektenvertrages wechselseitige Schutz-, Fürsorge- und Aufklärungspflichten. Dazu gehört die Pflicht, den Vertragspartner über Umstände aufzuklären, die dieser nicht erkennt oder erkennbar unzutreffend würdigt und die zu Gefahren für seine Rechtsgüter und sein Integritäts- oder Leistungsinteresse führen, sofern diese Umstände erkennbar für den anderen Teil von wesentlicher Bedeutung sind und er nach der Verkehrsanschauung Aufklärung erwarten darf (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 1989 - III ZR 101/88, NJW-RR 1990, 431, 432; Urteil vom 16. Dezember 1994 - V ZR 114/93, WM 1995, 439, 441).

b) Nach diesen Grundsätzen mußte der Beklagte, sobald er erkannt oder sich der Kenntnis bewußt verschlossen hatte, daß B. von den Klägern in seinem Namen mit der Fertigstellung der Pergolaarbeiten beauftragt worden war, die Kläger darauf hinweisen, daß ein wirksamer Vertrag zwischen ihm und B. nicht besteht. Der Beklagte wußte, daß die Kläger nicht berechtigt waren, Aufträge in seinem Namen ohne sein Einverständnis zu erteilen. Die Annahme, die Kläger hätten sich als Architekten im eigenen Namen verpflichten wollen, die Pergola fertigzustellen, ist lebensfremd. Wenn der Beklagte nicht beabsichtigte, die Arbeiten der B. als vertragliche Leistung anzunehmen und den ihr zustehenden Werklohn zu zahlen, so durfte er die Arbeiten der B. nicht geschehen lassen. Er war vielmehr verpflichtet, den Klägern gegenüber unverzüglich und unmißverständlich klarzustellen, daß er sich durch eine von ihnen getroffene Vereinbarung mit B. nicht gebunden betrachte, um damit die Verpflichtung der Kläger aus § 179 Abs. 1 BGB gering zu halten.

Diese Hinweispflicht hat auch ihren Sinn. Nach der Lebenserfahrung wird ein vollmachtlos handelnder Architekt aufgrund eines solchen Hinweises den Unternehmer davon unverzüglich unterrichten, damit dieser seine Arbeiten einstellen und eine einvernehmliche Lösung mit dem Bauherrn finden kann. Verweigert der Bauherr eine Genehmigung des Vertrages, so kann der Unternehmer seine Arbeiten nicht mehr fortsetzen, da er gegen den Willen des Grundstückseigentümers auf fremdem Grund nicht bauen darf. In diesem Fall sind die Ansprüche des Unternehmers gegen den Architekten aus § 179 Abs. 1 BGB im Ergebnis auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung beschränkt, da der Architekt, sofern der Unternehmer die Erfüllung wählt, die wegen der Gegenleistung sich aus §§ 320 ff BGB ergebenden Rechte geltend machen kann (RGZ 120, 126, 129; Soergel/Leptien, BGB, 13. Aufl., § 179 Rdn. 16; Medicus, AT, 7. Aufl. Rdn. 986).

3. Das Berufungsgericht hat keine hinreichenden Feststellungen dazu getroffen, von welchem Zeitpunkt an der Beklagte die Aktivitäten der B. kannte oder sich der Kenntnis bewußt verschloß. Nach den bisherigen Feststellungen liegt eine frühzeitige Kenntnis des Beklagten nahe. Die Klägerin zu 2 hatte B. am 10. März 1992 mit der Fertigstellung der Pergola beauftragt und sie aufgefordert, mit den Arbeiten zu beginnen. Im Vorprozeß war unstreitig, daß B. am 10. März 1992 ihre Arbeiten aufgenommen hatte; davon ist in der Revision auszugehen. Für eine frühzeitige Kenntnis des Beklagten spricht zum einen, daß er sich in Nr. 4.9 der Architektenverträge zur Mitwirkung bei der Objektüberwachung verpflichtet hatte, so daß er alsbald Kenntnis vom Beginn der Tätigkeit der B. erhalten haben dürfte. Zum anderen spricht hierfür die vom Beklagten gefertigte Niederschrift über die Besprechung vom 17. März 1992, an der u.a. beide Kläger und mehrere Vertreter des Beklagten teilgenommen hatten. Darin ist festgehalten, daß die Kläger nach dem Teilentzug des der K. & S. erteilten Auftrages die B. mit der Fertigstellung der Pergolaarbeiten beauftragt hatten. Nach dem Inhalt der Niederschrift besteht kein Anhaltspunkt, der Beklagte habe zu diesem Zeitpunkt noch angenommen, die B. werde als Subunternehmerin für K. & S. tätig werden.

IV.

1. Das Berufungsgericht führt weiter aus, ein Anspruch der Kläger aus unberechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 684, 812 ff BGB) sei nicht gegeben. Der Beklagte sei nicht bereichert. Ein Vermögenszuwachs sei nicht eingetreten. Er habe keine Aufwendungen erspart, da er die ursprünglich vereinbarte Auftragssumme für die Metallbauarbeiten an K. & S. sowie später an B. gezahlt habe.

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Bedenken des Berufungsgerichts tragen die Abweisung eines Anspruches aus §§ 684, 812 ff BGB nicht.

a) Der Beklagte hat aufgrund der Geschäftsführung der Kläger die Bauleistung der B. und damit die Fertigstellung der Pergolaarbeiten erlangt, ohne dafür etwas aufgewendet zu haben. Der Umfang dessen, was er herauszugeben oder welchen Wertersatz er zu leisten hat, ergibt sich aus dem Bereicherungsrecht.

b) Die Ansprüche der Kläger scheitern nicht daran, daß die Geschäftsführung interessenwidrig und aufgedrängt war. Die fehlende Übereinstimmung mit dem Interesse und dem Willen des Geschäftsherrn schließt nur die Ansprüche aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag aus, ist aber andererseits gerade Voraussetzung für Ansprüche aus unberechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag.

c) Der Anspruch der Kläger aus §§ 684, 812 ff BGB ist nicht dadurch ausgeschlossen, daß der B. nach Abschluß ihrer Arbeiten neben dem Anspruch aus § 179 Abs. 1 BGB gegen die Kläger zugleich ein Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen den Beklagten erwachsen ist (zu letzterem: vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1961 - VII ZR 207/60, BGHZ 36, 30, 35). Die Erfüllung des Anspruchs aus § 179 Abs. 1 BGB durch die Kläger schließt es aus, daß B. ihren Bereicherungsanspruch gegen den Beklagten noch durchsetzen kann, da sie andernfalls für dieselbe Leistung wirtschaftlich doppelt Zahlung erhielte (Beigel, BauR 1987, 626, 628; vgl. auch Staudinger/Gursky, BGB, 13. Bearbeitung, § 951 Rdn. 7). Der Vorrang eines Leistungskondiktionsberechtigten besteht also nicht.

d) Das Berufungsgericht trifft von seinem Standpunkt aus folgerichtig keine Feststellungen zur Höhe des geschuldeten Wertersatzes (§ 818 Abs. 2 BGB). Dies wird nachzuholen sein. Dazu weist der Senat auf folgendes hin:

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes stellt beim Bau auf fremdem Grund und Boden auf eine objektiv zu bemessende Steigerung des Verkehrswertes des Grundstücks ab (Nachweise bei MünchKomm/Lieb, BGB, 3. Aufl., § 818 Rdn. 41). Im vorliegenden Fall ist diese Wertermittlung jedoch nicht maßgebend. Die dem Beklagten als Grundstückseigentümer erbrachte Leistung entsprach seiner Planung; er hat sie entgegengenommen und nutzt sie.

Die Bereicherungsansprüche gehören dem Billigkeitsrecht an und stehen daher im besonderen Maße unter den Grundsätzen von Treu und Glauben (BGH, Urteil vom 31. Mai 1990 - VII ZR 336/89, BGHZ 111, 308, 312). Mit diesen wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Beklagte nicht die ersparten Aufwendungen erstatten müßte. Es widerspräche Treu und Glauben, wenn der Beklagte wegen der möglicherweise nicht vorhandenen Wertsteigerung seines Grundstückes durch die Pergolaarbeiten das Erlangte unentgeltlich behalten und nutzen könnte. Er wird daher grundsätzlich dasjenige als Wertersatz zu leisten haben, was er bei eigener Vergabe für die Vollendung der Arbeiten hätte aufwenden müssen. Dafür standen ihm auch Mittel zur Verfügung, die er gegebenenfalls durch einen Nachtragshaushalt oder durch eine aktive Verfolgung seiner Ansprüche gegen die K. & S. hätte aufstocken können.



Ende der Entscheidung

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