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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 05.11.1998
Aktenzeichen: VII ZR 236/97
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 305
BGB § 157 G
BGB § 133 C
BGB § 633
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 236/97

Verkündet am: 5. November 1998

Seelinger-Schardt Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

BGB §§ 305, 157 G, 133 C, 633

a) Vereinbaren die Parteien eines Bauvertrages, daß der Auftragnehmer Mängel der Werkleistung nachbessert und nachträglich geklärt wird, wer für die Kosten aufkommt, hat der Auftragnehmer aus dieser Abrede einen vertraglichen Kostenerstattungsanspruch gegen den Auftraggeber.

b) Dieser ist auf Erstattung derjenigen Kosten gerichtet, die der Auftraggeber nach der materiellen Rechtslage zu übernehmen oder mit denen er sich zu beteiligen hatte.

BGH, Urteil vom 5. November 1998 - VII ZR 236/97 - OLG Bamberg LG Bayreuth


Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. November 1998 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. Haß, Dr. Wiebel, Dr. Kuffer und Dr. Kniffka

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 23. April 1997 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand:

Die Klägerin führte Deckenarbeiten an einem Bauvorhaben des Beklagten aus. Nach Abnahme rügte der Beklagte Mängel. Das in einem Beweissicherungsverfahren eingeholte Gutachten bestätigte diese, stellte u.a. aber auch Planungsfehler fest. Der Sachverständige bewertete die Planungsfehler mit einem Verursachungsanteil von insgesamt 18 %. Die Klägerin bot mit Schreiben vom 13. Juli 1987 vollständige Nachbesserung an. Weiter hieß es in dem Schreiben:

"Die Frage, wer etwaige Abweichungen vom ursprünglichen Leistungsverzeichnis, die die Nachbesserungsarbeiten erforderlich machen, zu vertreten hat, und wer für die Vergütung der Nachbesserungsarbeiten aufzukommen hat, könnte dann anschließend geklärt werden."

Der Beklagte gestattete mit Schreiben vom 10. August 1987 die Nachbesserung unter folgenden Prämissen:

"(1) Es wird kein "entgeltlicher Reparaturauftrag" erteilt, die Sanierung vielmehr von Ihrer Partei auf Gewährleistungsbasis durchgeführt;

(2) die Fragen eines "Vertreten-müssens" sowie eines etwaigen "Sanierungskostenregresses" Ihrer Partei bleiben einer anschließenden Klärung vorbehalten ..."

Im Anschluß an dieses Schreiben beseitigte die Klägerin die Mängel. Die erbrachten Leistungen stellte sie mit 341.289,57 DM in Rechnung. Der Beklagte zahlte 61.432,12 DM (18 %). Die Klägerin macht neben Forderungen aus anderen Bauvorhaben den Restbetrag von 279.857,55 DM mit der Begründung geltend, sie trage keine Verantwortung für die Mängel. Das Landgericht hat die Klage insoweit durch Teilurteil abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, ein Anspruch auf Werklohn bestehe nicht, weil die Parteien keinen neuen Werkvertrag über die berechneten Leistungen geschlossen hätten. Nicht zu entscheiden sei, ob und gegebenenfalls zu welchem Anteil sich der Beklagte eine Mitverantwortung seiner Architekten zurechnen lassen müsse und ob die Klägerin deshalb Anspruch auf Ersatz eines entsprechenden Teils ihrer für die Beseitigung der Mängel aufgewandten Kosten habe. Denn die Parteien hätten insoweit auch nach dem Vortrag der Klägerin nur vereinbart, hierüber nach Behebung der Mängel zu verhandeln. Da eine diesbezügliche Einigung unstreitig noch nicht erfolgt sei, könne die Klägerin ihren Anspruch auf Zahlung nicht auf eine derartige Vereinbarung stützen.

II.

Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Richtig ist allerdings, daß ein neuer Werkvertrag über die Mängelbeseitigungsarbeiten nicht geschlossen worden ist. Das ergibt sich aus dem Schreiben vom 10. August 1987.

2. Nicht beigetreten werden kann der Ansicht des Berufungsgerichts, es müsse mangels einer Einigung der Parteien nicht darüber entscheiden, ob die Klägerin einen Anspruch auf Ersatz der für die Mängelbeseitigung aufgewandten Kosten habe. Die Klägerin hat dem Grunde nach einen vertraglichen Kostenerstattungsanspruch (a), den sie mit der Klage geltend macht (b), und über den das Berufungsgericht auch ohne Einigung der Parteien entscheiden muß (c).

a) Die Klägerin hatte vor der Mängelbeseitigung teilweise eine Mitverantwortung des Beklagten für die vom Sachverständigen festgestellten Mängel geltend gemacht. Nach ihrem unwidersprochen gebliebenen und durch die Schreiben vom 13. Juli 1987 und 10. August 1987 untermauerten Vortrag sollte aufgrund der zwischen den Parteien getroffenen Abrede nach der Sanierung eine Entscheidung darüber getroffen werden, inwiefern die der Klägerin in diesem Zusammenhang entstandenen Kosten von dem Beklagten zu zahlen sind. Diese Abrede ist dahin zu verstehen, daß durch die Sanierung die vor der Mängelbeseitigung bestehenden Rechte nicht untergehen. An die Stelle des Rechts der Klägerin, bezüglich einzelner von ihr nicht zu vertretenden Mängel die Beseitigung abzulehnen oder wegen anderer Mängel Sicherstellung einer eventuellen Kostenbeteiligung zu verlangen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22. März 1984 - VII ZR 50/82 = BGHZ 90, 344, 350), sollte ein Kostenerstattungsanspruch treten. Dieser ist auf Erstattung derjenigen Kosten gerichtet, die der Beklagte nach der materiellen Rechtslage zu übernehmen oder mit denen er sich zu beteiligen hatte. Der Beklagte hatte die Sanierungskosten zu übernehmen, soweit die Klägerin überhaupt nicht gewährleistungspflichtig war, sei es, daß kein Mangel ihres Gewerkes vorlag, sei es, daß sie durch einen ordnungsgemäßen Bedenkenhinweis von der Gewährleistung befreit war, § 13 Nr. 3 VOB/B. Eine Kostenbeteiligung des Beklagten kam in Betracht, soweit er oder seine Erfüllungsgehilfen für die Entstehung des Mangels mitverantwortlich waren (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 1984 - VII ZR 286/82 = BGHZ 90, 354, 355), durch die Mängelbeseitigung vom Beklagten zu tragende Sowieso-Kosten entstanden (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 1984 - VII ZR 50/82 = BGHZ 90, 344, 346) oder der Beklagte ihm durch die Mängelbeseitigung zuwachsende Vorteile auszugleichen hatte (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1984 - VII ZR 169/82 = BGHZ 91, 209).

b) Dieser Kostenerstattungsanspruch ist Gegenstand der Klage. Ohne Bedeutung ist, daß die Klägerin ihren Anspruch auf einen vermeintlich abgeschlossenen Werkvertrag stützt. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung handelt es sich dabei nicht um einen anderen Streitgegenstand, sondern um eine andere rechtliche Begründung desselben Begehrens.

c) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, es müsse nicht darüber entscheiden, zu welchem Anteil sich der Beklagte an den Kosten der Mängelbeseitigung beteiligen müsse. Dabei geht es ersichtlich davon aus, daß die Klägerin erst dann einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch habe, wenn eine Einigung über die Kostenbeteiligung des Beklagten erzielt worden sei. Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Sie beruht darauf, daß das Berufungsgericht eine Auslegung des entsprechenden Parteivortrages unter Berücksichtigung der Schreiben vom 13. Juli 1987 und 10. August 1987 unterlassen hat.

Soweit die Klägerin vorgetragen hat, über die Beteiligung des Beklagten habe eine Einigung erzielt werden sollen, ist nichts dafür ersichtlich, daß abweichend vom Inhalt der mit den Schreiben vom 13. Juli 1987 und 10. August 1987 dokumentierten Vereinbarung eine neue Anspruchsvoraussetzung geschaffen werden sollte. Auch die Beklagte hat ein derartiges Verständnis der getroffenen Vereinbarung nicht geltend gemacht und sich nicht darauf berufen, daß eine Einigung noch erfolgen müsse. Vielmehr ist nach übereinstimmendem Vortrag der Parteien eine Einigung gescheitert. Die Klägerin ist somit nicht gehindert, mit ihrer Zahlungsklage die Entscheidung über die anteilige Haftung des Beklagten zu verlangen.

III.

Feststellungen zur Höhe des Anspruchs der Klägerin auf Kostenerstattung hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Der Senat kann deshalb nicht selbst entscheiden, sondern muß die Sache an das Berufungsgericht zurückverweisen. Für dessen neue Verhandlung und Entscheidung wird vorsorglich auf folgendes hingewiesen:

Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand kommt eine Kostenerstattungspflicht aus mehreren Gründen in Betracht. Die Klägerin ist von der Gewährleistungspflicht befreit, soweit sie einen ordnungsgemäßen Bedenkenhinweis erteilt hat. Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob das Schreiben vom 18. April 1994, wonach durch die ausgeschriebenen Micropor-M-Platten in gelochter Ausführung eine staubdichte Deckenverkleidung in den Bereichen Entbindung und Intensivstation nicht zu erreichen sei, für eine Befreiung von der Gewährleistungspflicht gemäß § 13 Nr. 3, § 4 Nr. 3 VOB/B ausreicht. Soweit das der Fall ist und eine Gewährleistungspflicht der Klägerin nicht aus anderen Gründen eingreift, hat die Beklagte die Kosten vollständig zu tragen, die auf die Beseitigung des Mangels entfallen, vor dem die Klägerin gewarnt hat.

Eine Kostenbeteiligung des Beklagten kommt auch in Betracht, soweit der Mangel auf Ausschreibungs- oder Planungsfehlern beruht. Das Verschulden seiner mit der Planung beauftragten Architekten oder Ingenieure muß sich der Beklagte anrechnen lassen, soweit nicht die Klägerin den Mangel erkannt und gleichwohl nicht darauf hingewiesen hat (BGH, Urteil vom 11. Oktober 1990 - VII ZR 228/89 = BauR 1991, 79, 80 = ZfBR 1991, 61). Eine Kostenbeteiligung kommt darüber hinaus in Betracht, soweit die Mängelbeseitigung Leistungen erforderlich machte, die bei ordnungsgemäßer Ausschreibung oder Planung von vornherein beauftragt worden wären. Zur Ermittlung dieser Sowieso-Kosten ist auf den Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen (BGH, Urteil vom 8. Juli 1993 - VII ZR 176/91 = BauR 1993, 722, 723 = ZfBR 1994, 12).

Das Berufungsgericht wird zu beachten haben, daß die Beteiligungsquote für jeden der gerügten Mängel ausweislich der Feststellungen des Sachverständigen unterschiedlich sein kann und dementsprechend der für jeden Mangel sich ergebende Anteil gesondert ermittelt werden muß. Die Berechnung des Beklagten verbietet sich. Dieser hat lediglich den vom Sachverständigen ermittelten Gesamtanteil von 18 % für Planungsfehler zugrunde gelegt und ungeachtet der unterschiedlich hohen Mängelbeseitigungskosten gleichmäßig auf die verschiedenen Mängel verteilt. Diese Berechnung benachteiligt die Klägerin, weil dadurch die hohe Planungsfehlerquote bei dem Mangel mit den höchsten Mängelbeseitigungskosten (Materialien) zu Gunsten des Beklagten relativiert wird.



Ende der Entscheidung

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