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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 27.01.2005
Aktenzeichen: VII ZR 238/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB a.F. § 211 Abs. 2 Satz 1
Die Verantwortung für das Betreiben des Prozesses kann auch dann mit der Wirkung des § 211 Abs. 2 Satz 1 BGB vom Gericht auf den Kläger übergehen, wenn dieser im Hinblick auf einen Vergleichsvorschlag und die Bitte des Geg- ners, nicht zu terminieren, zwar nicht ausdrücklich dem Absehen von einer Terminsbestimmung zustimmt, sich aber aus den gesamten Umständen ergibt, daß eine weitere Förderung des Verfahrens von einer dahingehenden Erklärung des Klägers abhängig sein soll (im Anschluß an BGH, Urteil vom 21. Februar 1983 - VIII ZR 4/82, NJW 1983 2496 = MDR 1983, 747).
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 238/03

Verkündet am: 27. Januar 2005

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Dr. Haß, Hausmann, Dr. Kuffer und die Richterin Safari Chabestari

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 17. Juli 2003 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von den Beklagten restlichen Werklohn in Höhe von 25.058,79 € für die Errichtung einer Doppelhaushälfte im Jahre 1994. Die Abnahme ist 1995 erfolgt. Die Klägerin stützt die Restwerklohnforderung im wesentlichen auf behauptete Zusatzaufträge. Die Beklagten machen Mängel geltend.

Die Klage ist den Beklagten am 30. August 1996 zugestellt worden. Nach Übertragung auf den Einzelrichter hat dieser auf Antrag der Parteien zunächst einen Sachverständigen mit einem Gutachten über die von den Beklagten behaupteten Mängel beauftragt. Nachdem das Gutachten bei Gericht eingegangen und den Parteien zur Stellungnahme übersandt worden war, haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 13. August 1997 beantragt, zunächst nicht zu terminieren, weil sie der Klägerin ein Vergleichsangebot mit Schriftsatz von Anwalt zu Anwalt unterbreitet hätten. Das umfangreich begründete Vergleichsangebot lag dem Schriftsatz an das Gericht bei. Der Einzelrichter hat den Schriftsatz der Klägerin zuleiten lassen. Er hat keinen Termin bestimmt, sondern nach mehrfacher Wiedervorlage am 17. April 1998 angeordnet, die Akten wegzulegen. Die Gerichtskosten sind der Klägerin am 23. April 1998 in Rechnung gestellt und von dieser bezahlt worden. Vergleichsverhandlungen haben unstreitig nicht stattgefunden.

Am 28. Juni 2002 hat die Klägerin die Anberaumung eines Termins beantragt. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

Das für das Schuldverhältnis maßgebende Recht richtet sich nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht ist wie das Landgericht der Ansicht, der restliche Werklohnanspruch der Klägerin sei verjährt. Die durch die Klageerhebung bewirkte Unterbrechung habe spätestens im Juli 1998 gemäß § 211 Abs. 2 BGB geendet, so daß die Verjährung im Jahre 2000 eingetreten sei.

Der Stillstand des Verfahrens sei der untätig gebliebenen Partei zwar dann nicht zurechenbar, wenn die Verfahrensleitung ausschließlich beim Gericht liege. Das Unterlassen der Terminsbestimmung sei indes dann zulässig, wenn die Parteien als Herren des Verfahrens sich damit entweder ausdrücklich einverstanden erklärten oder es ohne Widerspruch hinnähmen und das Gericht nicht gegen seine Prozeßförderungspflicht verstoße. Die Verantwortung für das Betreiben des Prozesses gehe wieder auf den Kläger über, wenn das Gericht mit dessen ausdrücklichem Einverständnis von einer Terminsbestimmung auf unbestimmte Zeit absehe. Dies sei hier gegeben gewesen. Die Klägerin habe sich jedenfalls stillschweigend dem Gericht und dem Gegner gegenüber damit einverstanden erklärt, den Prozeß bis auf weiteres ruhen zu lassen. Wegen des Vergleichsvorschlags der Beklagten mit der Bitte um Nichtterminierung habe sich für die Klägerin ergeben, daß der Richter ohne Äußerung der Klägerin nicht Termin bestimmen werde. Hinzu komme, daß die Gerichtskosten mit der unmittelbar an die Klägerin gerichteten Gerichtskostenrechnung am 23. April 1998 abgerechnet worden seien. Dadurch sei der prozeßerfahrenen Klägerin klar gewesen, daß sie ohne richterliche Kostenentscheidung als Antragstellerin gemäß § 49 GKG mit den Gerichtskosten belastet werde. Gleichwohl habe sie bezahlt und nichts zur Fortsetzung des Verfahrens gegenüber ihrem Prozeßbevollmächtigten oder dem Gericht veranlaßt.

II.

Die hiergegen gerichteten Rügen der Revision haben im Ergebnis keinen Erfolg.

1. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die durch die Klageerhebung erfolgte Unterbrechung der Verjährung habe spätestens im Juli 1998 geendet, da der Rechtsstreit im Sinne des § 211 Abs. 2 BGB nicht weiter betrieben worden ist, ist nicht rechtsfehlerhaft.

Zum Zeitpunkt der beantragten "Wiederaufnahme" des Prozesses durch die Klägerin im Schriftsatz vom 28. Juni 2002, der gemäß § 211 Abs. 2 Satz 2 BGB zu einer erneuten Unterbrechung geführt hätte, war daher die Klageforderung, für welche die zweijährige Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB gilt, bereits verjährt.

2. Die Klägerin beruft sich vergeblich darauf, der Anwendung des § 211 Abs. 2 BGB stehe entgegen, daß der Stillstand des Prozesses nicht durch sie, sondern durch Untätigkeit des Einzelrichters herbeigeführt worden ist.

a) Zutreffend ist, daß der Stillstand des Verfahrens i. S. des § 211 Abs. 2 Satz 1 BGB dann nicht auf einer Untätigkeit der Parteien beruht, wenn die Verfahrensleitung ausschließlich beim Gericht liegt, das für den Fortgang des Prozesses Sorge zu tragen hatte (BGH, Urteile vom 21. Februar 1983 - VIII ZR 4/82, NJW 1983 2496 = MDR 1983, 747 und vom 12. Oktober 1999 - VI ZR 19/99, NJW 2000, 132 = MDR 2000, 104 jeweils m.w.N.).

Die Zivilprozeßordnung sieht keine zwingende Regelung vor, wie in der vorliegend gegebenen Prozeßlage eine Terminierung zu erfolgen hatte, sondern nur die allgemeine Regel, daß der Rechtsstreit in einem Haupttermin zu erledigen ist (§ 272 Abs. 1 ZPO) sowie, daß die Termine unverzüglich zu bestimmen sind (§ 216 Abs. 2 ZPO). Von einer Terminierung kann indes abgesehen werden, wenn die Parteien als Herren des Verfahrens sich damit sei es ausdrücklich einverstanden erklären, sei es dies ohne Widerspruch hinnehmen. Soweit es um die Voraussetzungen des § 211 Abs. 2 Satz 1 BGB geht, ist anerkannt, daß die Verantwortung für das Betreiben des Prozesses vom Gericht wieder auf den Kläger übergeht, wenn das Gericht mit dessen ausdrücklichem Einverständnis von einer Terminsbestimmung auf unbestimmte Zeit absieht (BGH, Urteil vom 21. Februar 1983 - VIII ZR 4/82, aaO). Eine gleiche Lage kann auch bei einem konkludent erklärten Einverständnis in Betracht kommen, wenn sich aus den gesamten Umständen ergibt, daß ein Weiterbetreiben des Rechtsstreits von einer dahingehenden Erklärung des Klägers abhängen soll.

b) Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß der Einzelrichter unter den gegebenen Umständen nicht gehalten war, Haupttermin zu bestimmen. Er konnte aus dem Verhalten der Klägerin nach Übersendung des Schriftsatzes der Beklagten vom 13. August 1997 entnehmen, die Klägerin schließe sich dem Antrag der Beklagten an, keinen Termin zu bestimmen. Die Parteien hatten sich darauf verständigt, zunächst keine Beweisaufnahme über Zusatzaufträge durchzuführen, sondern vorweg einen Sachverständigen mit der Begutachtung der von den Beklagten behaupteten Mängel zu beauftragen. Nach Eingang dieses Gutachtens haben sich die Beklagten in ihrem Vergleichsvorschlag vom 28. Juli 1997 ausführlich mit den Mängelbeseitigungs- und Minderungskosten befaßt. Sie haben vorgeschlagen, daß die Parteien "sich schlicht und einfach trennen", die Parteien also keine wechselseitigen Ansprüche mehr geltend machen. Im Schriftsatz an den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin haben die Beklagten weiter darauf hingewiesen, daß dem Landgericht eine Durchschrift dieses Vorschlags zugesandt worden sei, um vor einer möglichen weiteren Terminierung die Möglichkeit des Vergleichs zu prüfen. Da der Vergleichsvorschlag vom 28. Juli 1997 dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin von Anwalt zu Anwalt und dem Gericht als Anlage zum Schriftsatz vom 13. August 1997 übermittelt wurde, der die Bitte, zunächst nicht zu terminieren, wiederholte und da auch nicht terminiert wurde, mußte dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin klar sein, daß das Gericht davon ausging, er würde dieser Verfahrensweise zustimmen. Bei dieser Sachlage kann der Stillstand des Verfahrens nicht als Pflichtverletzung des Einzelrichters gewertet werden. Auf die vom Berufungsgericht weiter erörterte Frage, welche Bedeutung die an die Klägerin selbst übersandte Kostenrechnung hat, kommt es nicht an.

c) Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, daß sie für ihr Verhalten, das Verfahren nicht weiter zu betreiben, einen triftigen Grund hatte, der die Anwendung des § 211 Abs. 2 BGB ausschließen könnte (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 28. September 1999 - VI ZR 195/98, NJW 1999, 3774, 3775 m. w. N.). Das Berufungsgericht hat als unstreitig festgestellt, daß Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien tatsächlich nicht aufgenommen wurden. Es ist daher keinerlei Anlaß ersichtlich, der es hätte rechtfertigen können, daß die Klägerin beinah fünf Jahre verstreichen ließ, ehe sie sich wegen einer "Wiederaufnahme" an das Landgericht wandte.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.



Ende der Entscheidung

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