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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 15.04.1999
Aktenzeichen: VII ZR 290/98
Rechtsgebiete: VermG


Vorschriften:

VermG § 16 Abs. 2 Satz 1
VermG § 16 Abs. 2 Satz 1

Ein Bauvertrag, den ein staatlicher Verwalter nach dem 3. Oktober 1990 geschlossen hat, ist ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 1 VermG. In diesen tritt der Berechtigte ein, soweit der Vertrag zum Zeitpunkt der Aufhebung der staatlichen Verwaltung noch nicht erfüllt worden ist.

BGH, Urteil vom 15. April 1999 - VII ZR 290/98 - KG LG Berlin


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 290/98

Verkündet am: 15. April 1999

Seelinger-Schardt Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. April 1999 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. Haß, Hausmann, Dr. Wiebel und Dr. Kuffer

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 21. Zivilsenats des Kammergerichts vom 9. Juni 1998 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte noch Schuldnerin der Restwerklohnforderung der Klägerin betreffend Bauarbeiten auf einem Grundstück ist, das bis zum 31. Dezember 1992 der staatlichen Verwaltung durch die Beklagte unterlag.

Die Beklagte beauftragte Anfang 1992 die Klägerin mit umfangreichen Rekonstruktionsmaßnahmen an einem Gebäude auf dem Grundstück S.-Straße 12 in Berlin; die VOB/B war vereinbart. Nach Ausführung und Abnahme der Arbeiten erteilte die Klägerin Anfang Dezember 1992 ihre Schlußrechnung, deren Zahlung sie zum 30. Januar 1993 fällig stellte. Die Beklagte zahlte den geforderten Betrag bis auf den Sicherheitseinbehalt in Höhe von 56.770 DM.

Das Grundstück S.-Straße 12 unterlag seit Ende 1952 der staatlichen Verwaltung durch die VEB Kommunale Wohnungsverwaltung Berlin-P.B. (im folgenden: VEB KWV). Ab 1990 führte die Beklagte die Verwaltung fort. Sie gab das Grundstück 1994 an die Streithelfer der Klägerin als Rechtsnachfolger der früheren Eigentümerin heraus.

Landgericht und Berufungsgericht haben die Klage auf Zahlung von 56.770 DM mit der Begründung abgewiesen, die bei Beendigung der staatlichen Verwaltung zum 31. Dezember 1992 noch nicht fällige Werklohnverbindlichkeit sei auf den berechtigten Eigentümer des Grundstückes übergegangen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Passivlegitimation der Beklagten verneint.

I.

Das Berufungsgericht führt aus, das Grundstück habe unter staatlicher Verwaltung i.S. des § 1 Abs. 4 VermG gestanden. Die Beklagte habe die staatliche Verwaltung als Rechtsnachfolgerin der VEB KWV fortgeführt. Die staatliche Verwaltung habe gemäß § 11 a Abs. 1 Satz 1 VermG mit Ablauf des 31. Dezember 1992 geendet. Zu diesem Zeitpunkt sei die Forderung der Klägerin aus ihrer Schlußrechnung nicht fällig gewesen.

Diese Ausführungen, die die Revision nicht beanstandet, lassen Rechtsfehler nicht erkennen.

II.

1. Das Berufungsgericht läßt offen, ob die Streithelfer der Klägerin die berechtigten Eigentümer des Grundstücks sind. Nach seiner Ansicht ist die Beklagte nicht mehr passivlegitimiert. Mit der Aufhebung der staatlichen Verwaltung sei der Berechtigte gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 VermG in alle in Bezug auf das Grundstück bestehenden Rechtsverhältnisse eingetreten. Dazu gehöre der von den Parteien geschlossene Bauvertrag. Dieser sei objektbezogen, da die Bauleistungen unmittelbar dem Gebäude zugute gekommen seien. Der Erwerber trete in die Rechte und Pflichten aus dem Bauvertrag ein, welche zum 31. Dezember 1992 noch nicht fällig gewesen seien.

Der Übergang von Rechten und Pflichten nach § 16 Abs. 2 Satz 1 VermG erfasse auch schuldrechtliche Rechtsverhältnisse. Dies folge aus der Regelung in § 16 Abs. 2 Satz 2 VermG, die diesen Rechtsübergang für ungesicherte Kredite einschränke. Die Beschränkung des Wertausgleiches des Berechtigten nach § 7 VermG auf bestimmte, vor dem 3. Oktober 1990 ausgeführte Maßnahmen und Werterhöhungen spreche nicht gegen diese Auslegung; es handele sich um eine abschließende Sonderregelung, die die Anwendung des § 16 Abs. 2 Satz 2 VermG insoweit ausschließe.

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.

Die Revision bezweifelt zu Unrecht, daß die noch offene Werklohnverbindlichkeit mit der Aufhebung der staatlichen Verwaltung mit Ablauf des 31. Dezember 1992 auf den berechtigten Eigentümer des Grundstückes S.-Straße 12 in B. gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 VermG übergegangen und die Beklagte damit frei geworden ist.

a) Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 VermG, der in Abschnitt IV des Vermögensgesetzes über Rechtsverhältnisse zwischen Berechtigten und Dritten steht, tritt der Berechtigte mit der Aufhebung der staatlichen Verwaltung in alle in Bezug auf den jeweiligen Vermögenswert bestehenden Rechtsverhältnisse ein. Dabei handelt es sich um eine gesetzlich angeordnete Vertragsübernahme (vgl. BGH, Beschluß vom 30. November 1995 - III ZB 34/95, ZIP 1996, 154 = MDR 1996, 304).

b) Werkverträge, die Bauleistungen an einem Grundstück als einem Vermögenswert im Sinne des Vermögensgesetzes betreffen, sind Rechtsverhältnisse im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 1 VermG. In diese tritt der Berechtigte ein, soweit der Vertrag zum Zeitpunkt der Aufhebung der staatlichen Verwaltung noch nicht erfüllt worden ist. Eine Beschränkung des Übergangs auf solche Rechtsverhältnisse, die Rechte aus oder Pflichten an dem Vermögenswert betreffen, wie sie die Revision für richtig hält (ebenso Plesse in: Vieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, § 16 Rdn. 7 ff.), ist bei einer an Wortlaut und Systematik des § 16 Abs. 2 VermG orientierten Auslegung unter Berücksichtigung der wenn auch wenig ergiebigen Gesetzgebungsmaterialien nicht gerechtfertigt.

Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 VermG tritt der Berechtigte "in alle in bezug auf den jeweiligen Vermögenswert bestehenden Rechtsverhältnisse ein". Der Wortlaut umfaßt auch Bauverträge. Die vertragstypische Leistung eines Bauvertrages steht in einem nicht trennbaren Bezug zu dem konkreten Grundstück, auf dem sie erbracht werden soll. Sie dient der Werterhaltung oder der Wertsteigerung des Bauwerks und kommt damit zwangsläufig dem Grundstück zugute (so LG Berlin ZOV 1993, 109, 110; Hök ZOV 1993, 147, 148; vgl. auch: Flotho in RV I, B 100 VermG § 16 Rdn. 5).

Daß nach § 16 Abs. 2 Satz 1 VermG auch schuldrechtliche Rechtsverhältnisse, die in bezug auf den Vermögenswert bestehen, auf den Berechtigten übergehen, ergibt sich schon aus der Unterrichtung des Deutschen Bundestages durch die Bundesregierung vom 12. September 1990 (BT-Drucks. 11/7831, S. 11 zu § 16). Für dieses Verständnis spricht ferner der Kreditverträge betreffende Satz 2 der Vorschrift, der durch Artikel 1 Nr. 14 des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes vom 14. Juli 1992 (BGBl. I S. 1257, 1261) eingefügt worden ist. Diese Einfügung bestätigt entgegen der Auffassung der Revision, daß grundsätzlich auch dinglich nicht gesicherte Kreditverbindlichkeiten vom Rechtsübergang nach § 16 Abs. 2 Satz 1 VermG erfaßt werden. Satz 2 regelt nach Wortlaut und Systematik nicht etwa den Rechtsgrund für den Übergang derartiger Verbindlichkeiten. Diese Bestimmung setzt vielmehr voraus, daß ungesicherte Kreditverbindlichkeiten als Teil grundstücksbezogener Rechtsverhältnisse nach § 16 Abs. 2 Satz 1 VermG übergehen können. Sie ordnet lediglich Beschränkungen an, um eine Gleichbehandlung mit dinglich gesicherten Krediten zu gewährleisten, die gemäß § 16 Abs. 9 Satz 2 VermG nur insoweit übergehen sollen, als sie der Finanzierung von Baumaßnahmen dienen sollten und eine hierdurch bewirkte Wertsteigerung noch vorhanden ist (vgl. dazu im einzelnen: Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 25. Juni 1992, BT-Drucks. 12/2944, S. 53 zu Nr. 14; vgl. auch Protokoll der 46. Sitzung des Rechtsausschusses vom 24. Juni 1992, S. 51).

c) Aus der Tatsache, daß § 7 Abs. 1, § 14 a VermG einen Wertausgleich nur für bis zum 2. Oktober 1990 durchgeführte Maßnahmen regeln, folgt nicht, daß spätere Maßnahmen nicht auszugleichen seien. In Fällen der staatlichen Verwaltung besteht, soweit es sich um die Frage eines Ausgleiches im Innenverhältnis zwischen dem früheren staatlichen Verwalter und dem Berechtigten handelt, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich ein Kostenerstattungsanspruch nach § 670 BGB (Urteil vom 4. Februar 1999 - III ZR 268/97 -, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; Urteil vom 20. November 1997 - III ZR 39/97 -, BGHZ 137, 183, 188 m.w.N.). Zudem ändert dieser Ausgleichsanspruch im Rahmen des Innenverhältnisses grundsätzlich nichts an der Beurteilung der Rechtsbeziehungen zwischen Berechtigten und Dritten; die Übernahme eines vom staatlichen Verwalter nach dem 3. Oktober 1990 geschlossenen Bauvertrages durch den Berechtigten gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 VermG wird dadurch jedenfalls nicht ausgeschlossen.

d) Das Ergebnis ist auch sach- und interessengerecht. Der Berechtigte kann nach Aufhebung der staatlichen Verwaltung uneingeschränkt über sein Grundstück verfügen. Von diesem Zeitpunkt an stehen ihm bei einem noch nicht erfüllten Bauvertrag die Rechte als Auftraggeber zu, so daß er die weitere Ausführung der Baumaßnahmen selbst bestimmen kann, z.B. Anordnungen nach § 2 Nr. 5 VOB/B treffen oder zusätzliche Leistungen nach § 2 Nr. 6 VOB/B fordern. Er ist aufgrund der gesetzlich geregelten Vertragsübernahme berechtigt, das Werk abzunehmen und ggfls. Gewährleistungsansprüche geltend zu machen. Mit dieser Rechtsstellung korrespondiert seine Pflicht, dem Auftragnehmer die nach diesem Zeitpunkt fällig werdende Vergütung zu zahlen. Soweit der staatliche Verwalter Abschlagszahlungen an den Auftragnehmer geleistet hat, kann er diese in die Berechnung seines Aufwendungsersatzanspruches einstellen und ihn gegenüber dem Berechtigten geltend machen.

Ende der Entscheidung

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