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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 12.09.2002
Aktenzeichen: VII ZR 344/01
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 634 Abs. 1 a.F. |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL
Verkündet am: 12. September 2002
in dem Rechtsstreit
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. September 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Dr. Haß, Hausmann, Prof. Dr. Kniffka und Bauner
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. Juli 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt wegen Mängeln einer 1993 vom beklagten Bauträger erworbenen Gewerbeeinheit Schadensersatz. Nach seiner Behauptung entsprechen die am 14. September 1994 übergebenen Räume nicht den Anforderungen der Arbeitsstättenrichtlinie, weil sie keine ausreichende Beleuchtung und zu niedrige Decken hätten. Nach vorherigen Rügen setzte er mit Schreiben seiner Anwälte vom 20. Mai 1999 eine Frist zur Mängelbeseitigung bis zum 3. Juni 1999 und drohte die Ablehnung der Leistung nach Fristablauf an. Eine Mängelbeseitigung erfolgte nicht.
Mit der am 22. Juli 1999 zugestellten Klage hat er im Wege des Schadensersatzes Rückabwicklung des Vertrages und Ersatz seiner Aufwendungen verlangt. Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 332.033,29 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückübereignung der Gewerbeeinheit verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten ist die Klage abgewiesen worden. Der Kläger verfolgt seinen Anspruch mit der Revision weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, das vom Beklagten erworbene Teileigentum sei mangelhaft. Die erworbenen Räume entsprächen nicht den Anforderungen der Arbeitsstättenrichtlinie an eine ausreichende Belichtung. Außerdem entspreche zumindest ein Raum nicht den öffentlich-rechtlichen Anforderungen an die Raumhöhe. Ein Verzicht auf Gewährleistungsansprüche liege nicht vor. Der Kläger könne jedoch keinen Schadensersatz verlangen, weil die Voraussetzungen des § 634 BGB nicht vorlägen. Die vom Kläger gesetzte Frist sei zu kurz gewesen. Angemessen sei vielmehr eine Frist von mehr als zwei Monaten, die im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht abgelaufen gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger nicht mehr bereit gewesen, die Nachbesserung entgegenzunehmen. Damit sei die Fristsetzung wirkungslos. Der Beklagte habe die Mängelbeseitigung nicht endgültig verweigert. Er habe auf die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nicht ablehnend reagiert. Im Prozeß habe er hilfsweise angeboten, die Mängel zu beseitigen.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches aus § 635 BGB vor.
1. Der große Schadensersatzanspruch wegen eines Mangels des Werks hat grundsätzlich zur Voraussetzung, daß der Besteller dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels mit der Erklärung bestimmt hat, daß er diese nach Ablauf der Frist ablehne, § 634 Abs. 1 BGB. Eine derartige Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Unternehmer die Mängelbeseitigung bereits endgültig verweigert hat, denn dann wäre sie reine Förmelei (BGH, Urteil vom 15. März 1990 - VII ZR 311/88, BauR 1990, 466 = ZfBR 1990, 276). Es spricht viel dafür, daß von einer endgültigen Verweigerung des Beklagten im Zeitpunkt der Klageerhebung auszugehen ist, denn er hat vorprozessual und auch prozessual das Vorliegen eines Mangels stets bestritten, keinerlei Anstrengungen zur Mängelbeseitigung unternommen und die Nachbesserung erst nach dem Unterliegen in der ersten Instanz und auch lediglich hilfsweise unter Aufrechterhaltung des Standpunktes angeboten, der Kläger habe auf Gewährleistungsansprüche verzichtet. Die Frage kann jedoch ebenso dahinstehen wie die Frage, ob die Mängelbeseitigung überhaupt möglich ist.
2. Rechtsfehlerhaft ist die Auffassung des Berufungsgerichts, die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung vom 20. Mai 1999 sei wirkungslos, weil die angemessene Frist im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht abgelaufen gewesen sei und der Kläger nicht mehr bereit gewesen sei, die Mängelbeseitigung zuzulassen.
a) Es berücksichtigt nicht, daß der Besteller grundsätzlich bereits vor Fristablauf berechtigt ist, Schadensersatz zu verlangen, wenn feststeht, daß die angemessene Frist nicht eingehalten wird. Denn dann ist es dem Besteller in der Regel nicht zumutbar, den Ablauf der Frist noch abzuwarten (vgl. auch BGH, Urteil vom 10. Juni 1974 - VII ZR 4/73, BauR 1975, 137). Dementsprechend hat der Senat entschieden, daß dem Besteller ein Recht zur außerordentlichen Kündigung zusteht, wenn feststeht, daß vertragliche Fristen nicht eingehalten werden und die Vertragsverletzung von so erheblichem Gewicht ist, daß eine Fortsetzung des Vertrages mit dem Unternehmer nicht zumutbar ist (BGH, Urteil vom 4. Mai 2000 - VII ZR 53/99, BauR 2000, 1182, 1185).
Dem liegt ein allgemeiner Rechtsgrundsatz zugrunde, der auch in § 323 Abs. 4 BGB n.F. Ausdruck gefunden hat. Danach kann der Gläubiger bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, daß die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.
b) Danach kann es dahinstehen, ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutrifft, eine angemessene Frist reiche über den Zeitpunkt der Klageerhebung hinaus. Denn zu diesem Zeitpunkt stand fest, daß der Beklagte auch eine Frist von mehr als zwei Monaten nicht einhalten wird. Von diesem Zeitraum waren zwei Monate bereits verstrichen. Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte trotz dieser erheblichen Verzögerung die Mängelbeseitigung noch in angemessener Frist hätte fertigstellen können, bestehen nicht. Es spielt keine Rolle, daß der Kläger den Mangel erst nach einigen Jahren gerügt hat. Das entbindet den Beklagten nicht von seiner Verpflichtung, den Mangel zügig in angemessenem Zeitraum zu beseitigen. Die Frist verlängert sich auch nicht weiter dadurch, daß der Kläger Mitwirkungspflichten zu erfüllen hatte, die darin bestanden, die Gewerbeeinheit zur Nachbesserung zur Verfügung zu stellen. Der Beklagte hatte bis zur Klageerhebung keinerlei Anstalten gemacht, die Nachbesserung vorzunehmen.
3. Der Kläger kann deshalb Schadensersatz nach § 635 BGB verlangen. Dem steht nicht die vom Berufungsgericht erwähnte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 24. Juni 1984 - X ZR 16/85, WM 1986, 1255, 1257) entgegen. Nach diesem Urteil kann Schadensersatz wegen Mängeln eines Werkes grundsätzlich nicht verlangt werden, wenn der Besteller während des Laufs der angemessenen Frist die Entgegennahme der Mängelbeseitigung endgültig verweigert. Voraussetzung ist jedoch, daß es dem Besteller zuzumuten ist, den Fristablauf abzuwarten, wie in dem Urteil hervorgehoben wird. Diese Voraussetzung liegt nicht vor.
III.
Da Feststellungen zum Schaden fehlen, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Ende der Entscheidung
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