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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.12.2005
Aktenzeichen: VII ZR 372/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 276 a. F.
Zur Haftung eines konzernbeherrschenden Gesellschafters für fehlerhafte Angaben in einem Prospekt, der zum Vertrieb einer Immobilienanlage herausgegeben wurde.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 372/03

Verkündet am: 8. Dezember 2005

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Hausmann, Dr. Wiebel, Prof. Dr. Kniffka und Bauner

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 10. Juni 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage gegen den Beklagten zu 2 abgewiesen worden ist.

Die Berufung des Beklagten zu 2 gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom 3. Dezember 2002 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage wegen des Zinses, der über den erstinstanzlich zugesprochenen Zinsanspruch hinausgeht, abgewiesen wird.

Die Beklagten zu 1 und 2 tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner. Die Beklagte zu 1 trägt die Kosten ihrer Nichtzulassungsbeschwerde. Der Beklagte zu 2 trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt Schadensersatz. Er möchte das als Vermögensanlage erworbene Teil- und Sondereigentum an einem Hotel und einem darin gelegenen Hotelzimmer rückübertragen und seine in diesem Zusammenhang getätigten Aufwendungen erstattet erhalten. Er wirft den beiden Beklagten falsche Angaben im Verkaufsprospekt vor.

Der Kläger hat das Objekt von der Beklagten zu 1 erworben. Nahezu Alleingesellschafterin der Beklagten zu 1 war die S. GmbH & Co. KG (künftig: S. I), die die Baubetreuerin war. Deren Mehrheitsgesellschafter war mit einer Beteiligung von 76,75 % der Beklagte zu 2. Dieser war zugleich Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH. Die S. I hat den Erwerbsvertrag mit dem Kläger für die Beklagte zu 1 als deren Vertreterin abgeschlossen und ist sämtlichen vertraglichen Pflichten der Beklagten zu 1 gegenüber dem Kläger als Gesamtschuldnerin beigetreten.

Mit dem Erwerbsvertrag verknüpft ist eine Reihe weiterer Verträge des Klägers mit jeweils unterschiedlichen Gesellschaften der S.-Gruppe. Zwei dieser Verträge betreffen die Hausverwaltung und die Bewirtschaftung des Hotels durch Vermietung an einen Hotelbetreiber. Mit der V. GmbH hat der Kläger einen Finanzierungsvermittlungs- und Bearbeitungsvertrag geschlossen. An dieser Gesellschaft waren der Beklagte zu 2 zu 43,2 % und die S. I zu 51 % beteiligt.

Der Prospekt ist von der mit dem Vertrieb der Hotelzimmer befassten V. GmbH herausgegeben worden. Er enthält unter anderem Angaben über die Vermietung des Hotels an einen im Hotelgewerbe erfahrenen Betreiber, über dessen Bonität sowie über verschiedene Bedingungen des Mietvertrages. Die Angaben haben sich als in wesentlichen Punkten unvollständig und irreführend herausgestellt.

Das Landgericht hat der Zahlungsklage gegen beide Beklagten in beantragter Höhe Zug um Zug gegen Rückübereignung stattgegeben und die Verpflichtung der beiden Beklagten zum Ersatz weiteren Schadens festgestellt.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zu 1 unter Klarstellung des landgerichtlichen Tenors zum Zinsanspruch zurückgewiesen. Ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hatte keinen Erfolg.

Auf die Berufung des Beklagten zu 2 hat das Oberlandesgericht die gegen ihn gerichtete Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die insoweit vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hält, wie die Revision nicht in Frage stellt, verschiedene Angaben in dem Prospekt für unzutreffend, zumindest irreführend, nimmt eine Kausalität zwischen den Prospektmängeln und der Entscheidung des Klägers an, die Immobilie zu erwerben, und hält die Voraussetzungen einer Verwirkung oder Verjährung für nicht gegeben.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts schuldet der Beklagte zu 2 gleichwohl dem Kläger keinen Schadensersatz, weil er im Gegensatz zur Beklagten zu 1 nicht Prospektverantwortlicher im Sinne der Prospekthaftungsregeln sei.

Eine Prospekthaftung im weiteren Sinne komme nicht in Betracht. Die Voraussetzungen einer Prospekthaftung im engeren Sinne seien ebenfalls nicht gegeben. Insbesondere habe der Beklagte zu 2 nicht hinter dem Anlagenobjekt als besonderen Einfluss ausübender Gesellschafter oder Mitverantwortlicher (Hintermann) gestanden. Es gebe keine verlässlichen Anhaltspunkte dafür, dass der Prospekt mit seinem Wissen in den Verkehr gelangt sei. Der Beklagte zu 2 habe bekundet, er habe sich jeweils nur mit der technischen Seite von Projekten befasst, dagegen nicht mit der kaufmännischen Konzeption und dem Vertrieb. Allein mit der "beruflichen und gesellschafterlichen Stellung" im S.-Konzern lasse sich eine Haftung des Beklagten zu 2 als Hintermann nicht begründen. Die bloße abstrakte Möglichkeit einer Einflussnahme genüge nicht. Vielmehr setze eine Haftung einen im Einzelfall festzustellenden, konkreten Beitrag im Rahmen der Konzeptionierung und Vermarktung des Projektes voraus, der im Prospekt seinen Niederschlag gefunden habe, möge dieser Beitrag auch bloß in dem Wissen um die Verteilung des Prospektes zur Interessentenwerbung bestanden haben.

II.

Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Beklagte zu 2 hat nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im engeren Sinne für den Schaden des Klägers einzustehen. Er ist für die Angaben im Prospekt mit verantwortlich.

1. Der Bundesgerichtshof hat die für die Beteiligung an einer Publikums-KG entwickelten Grundsätze der Haftung für den Inhalt eines Verkaufsprospektes auf das Bauherrenmodell, auf Anlagemodelle, die am so genannten "Hamburger Modell" orientiert sind, sowie auf das Bauträgermodell übertragen und weiter entwickelt (BGH, Urteil vom 31. Mai 1990 - VII ZR 340/88, BGHZ 111, 314; Urteil vom 26. September 1991 - VII ZR 376/89, BGHZ 115, 213; Urteil vom 7. September 2000 - VII ZR 443/99, BGHZ 145, 121; jeweils m.w.N.; vgl. auch Urteil vom 13. November 2003 - VII ZR 26/03, BauR 2004, 330 = NZBau 2004, 98 = ZfBR 2004, 163).

Danach haftet eine Person wegen falscher oder unvollständiger Prospektangaben unabhängig von einer Beteiligung an einem Vertrag mit dem Erwerber als so genannter Hintermann unter anderem dann, wenn sie auf die Konzeption des konkreten Modells maßgeblich Einfluss genommen hat und damit für die Herausgabe des Prospektes verantwortlich ist. Nicht entscheidend ist, ob eine Mitwirkung unmittelbar bei der Gestaltung des Prospektes gegeben ist. Ausschlaggebend dagegen ist, ob der Prospekt mit Kenntnis des Verantwortlichen in den Verkehr gebracht worden ist (BGH, Urteil vom 26. September 1991 aaO). Ob ein Beteiligter als so genannter Hintermann anzusehen ist, hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalles ab, wobei die gesellschaftsrechtliche Funktion sowie ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse für eine Einflussnahme auf die Konzeption des Modells sprechen können (BGH, Urteil vom 7. September 2000 aaO).

2. Nach diesen Grundsätzen haftet auch der Beklagte zu 2 für die Fehler im Prospekt. Da das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen getroffen hat und weiterer Vortrag nicht zu erwarten ist, hat der Senat in der Sache abschließend zu entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO.

Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft die von ihm festgestellten Umstände nicht vollständig in der erforderlichen Gesamtwürdigung berücksichtigt. Eine rechtlich zutreffende Beurteilung des festgestellten Sachverhalts kann nur zur Bejahung eines beherrschenden Einflusses des Beklagten zu 2 auch auf das hier in Rede stehende Projekt führen und lässt keine andere Beurteilung zu als die, dass der zur Bewerbung dieses Projekts erstellte Prospekt mit seiner Kenntnis in den Verkehr gebracht worden ist, mag der Beklagten zu 2 auch inhaltlich an der Prospektgestaltung nicht beteiligt gewesen sein.

a) Der Beklagte zu 2 war vielfacher Gesellschafter im S.-Konzern. Seine Beteiligungen waren so gestaltet, dass jedenfalls die am Geschäft mit dem Kläger beteiligten Gesellschaften sich teils unmittelbar, teils mittelbar in seiner Hand befanden. Er konnte durch seine vielfach verschachtelte und herausragende Gesellschafterstellung die Geschäftspolitik und mit ihr die Konzeption des Verkaufsmodells bestimmen.

Der Beklagte zu 2 war nicht nur in der Konzernleitung tätig. Er war außerdem durch unmittelbare und mittelbare Beteiligungen beherrschender Gesellschafter der V. GmbH, die für den Prospekt verantwortlich zeichnete. Er war zudem mit Projektplanungen befasst. Des weiteren war er Gesellschafter-Geschäftsführer gerade in derjenigen Gesellschaft , die den Erwerbsvertrag mit dem Kläger, wenn auch als Vertreterin der Beklagten zu 1, tatsächlich abgeschlossen und alle Vertragspflichten der Beklagten zu 1 gegenüber dem Kläger mit übernommen hat. Es ist ausgeschlossen, dass der Beklagte zu 2 als konzernbeherrschender Gesellschafter und zugleich Gesellschafter-Geschäftsführer der den Vertragsschluss tätigenden Einzelgesellschaft keinen Einfluss auf die Konzeption des Hotelprojektes genommen hat, zumal er wie ein Alleingesellschafter ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse an der Verwirklichung des Projektes hatte und die Gestaltung der Hotelzimmerkonstruktion von ihm mit erarbeitet wurde.

b) Aus der besonderen, auf seine Person konzentrierten gesellschaftsrechtlichen Konstruktion und vor allem seiner Stellung als Geschäftsführer ergibt sich ferner, dass der fehlerhafte Prospekt nicht anders als mit Kenntnis des Beklagten zu 2 in den Verkehr gebracht worden ist. Dabei ist es unerheblich, ob der Beklagte zu 2 über Einzelheiten Bescheid wusste. Es genügt die Kenntnis des Gesamtkonzeptes sowie der Ausgabe des Prospektes an das interessierte Publikum.

III.

Die Maßgabe zum Zinsausspruch ist in gleicher Weise erforderlich wie in der Entscheidung des Berufungsgerichts gegenüber der Beklagten zu 1.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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