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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 16.09.1999
Aktenzeichen: VII ZR 385/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 209 Abs. 2
BGB § 209 Abs. 2

Zur Unterbrechung der Verjährung durch den Antrag eines Prozeßstandschafters auf Erlaß eines Mahnbescheids.

BGH, Urteil vom 16. September 1999 - VII ZR 385/98 - OLG Brandenburg LG Frankfurt/Oder


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 385/98

Verkündet am: 16. September 1999

Seelinger-Schardt, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 1999 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Haß, Hausmann und Dr. Kniffka

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 24. September 1998 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin macht restlichen Werklohn geltend. Die beklagte Stadt hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Die Beklagte beauftragte die Arbeitsgemeinschaft "Fa. B. GmbH, Fa. Br. und Fa. Z. " (zukünftig: ARGE) mit Erd- und Kanalarbeiten einschließlich Wasserhaltungsmaßnahmen in vier Baulosen. Die Klägerin erteilte am 22. Dezember 1992 die Schlußrechnung der ARGE über 2.740.188,15 DM für die am zweiten Baulos erbrachten Leistungen. Die Beklagte hat die Schlußrechnung geprüft und die von ihr festgestellten 2.468.340,57 DM gezahlt. Den noch offenen Restbetrag von 271.847,58 DM fordert die Klägerin mit der Behauptung, es handele sich um die Mehrvergütung für die vertraglich zunächst nicht vorgesehene, später jedoch ihr gegenüber angeordnete Wasserhaltung mit Tiefbrunnen statt der einkalkulierten Flachspiegelbrunnen. Diesen Betrag hat die Klägerin mit am 23. Februar 1995 zugestellten Mahnbescheid geltend gemacht. Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, eine Nachtragsvereinbarung sei nicht bewiesen. Die Wasserhaltung durch Tiefbrunnen sei schon nach dem ursprünglichen Vertrag geschuldet gewesen. Das Berufungsgericht hat die Forderung für verjährt gehalten und die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht meint, der Lauf der zweijährigen Verjährungsfrist habe mit Ablauf des 31. Dezember 1993 begonnen, weil die Schlußrechnung vom 22. Dezember 1992 im Laufe des Jahres 1993 fällig geworden sei. Die Forderung der ARGE sei am 31. Dezember 1995 verjährt. Bis zu diesem Zeitpunkt sei die Verjährung nicht unterbrochen worden. Der Mahnbescheid habe die Unterbrechung nicht bewirken können. Die Klägerin sei bis zur Zustellung des Mahnbescheids nicht Berechtigte im Sinne des § 209 Abs. 1 BGB gewesen. Die Gesellschafter der ARGE seien auch nach deren Auflösung nur gemeinschaftlich berechtigt gewesen, die Forderung geltend zu machen. Eine Abtretung habe die Klägerin nicht schlüssig dargelegt. Eine Unterbrechung sei auch nicht dadurch eingetreten, daß die Klägerin von der Firma B. GmbH am 6. Mai 1996 zur Führung des Rechtsstreits ermächtigt worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei die Verjährung schon eingetreten. Die Ermächtigung wirke nicht zurück. Zu einer vor dem 31. Dezember 1995 erteilten Ermächtigung fehle es an einem entsprechenden Vortrag der Klägerin, die sich bereits erstinstanzlich zur Begründung ihrer Prozeßführungsbefugnis ausschließlich auf die Ermächtigung vom 6. Mai 1996 berufen habe. Die Klägerin habe im Anschluß an die prozessuale Vorlage des eine Ermächtigung zunächst versagenden Schreibens der Firma B. GmbH vom 19. März 1996 eine zeitlich vorangegangene Ermächtigung nicht behauptet.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zu Recht beanstandet die Revision, daß das Berufungsgericht entscheidungserheblichen Vortrag der Klägerin zu einer vor dem 31. Dezember 1995 erteilten Ermächtigung, die Forderung der ARGE gerichtlich geltend zu machen, übergangen und die dazu angetretenen Beweise nicht erhoben hat. Nach der bestrittenen Darstellung der Klägerin hat der Mahnbescheid die Verjährung unterbrochen.

1. Gemäß § 209 Abs. 1 BGB wird die Verjährung unterbrochen, wenn der Berechtigte Klage erhebt. Nach § 209 Abs. 2 BGB steht der Erhebung der Klage die Zustellung des Mahnbescheides im Mahnverfahren gleich. Berechtigter ist nicht nur der Rechtsinhaber, wie z.B. der Zessionar, sondern auch der wirksam zur Durchsetzung einer Forderung Ermächtigte, der den Anspruch in gewillkürter Prozeßstandschaft geltend macht (BGH, Urteil vom 3. Juli 1980 - IVa ZR 38/80 = BGHZ 78, 1, 4).

2. Die Revision bezweifelt nicht, daß die Klägerin ihre Berechtigung nicht aus einer Abtretung herleiten kann. Die entsprechende Würdigung des Berufungsgerichts ist nicht zu beanstanden.

3. Dagegen liegen die Voraussetzungen einer vor dem 31. Dezember 1995 erteilten, wirksamen Ermächtigung zur Prozeßführung vor. Das Berufungsgericht hat den Vortrag der Klägerin unzutreffend dargestellt und gewürdigt.

a) Die Klägerin hat ihren Anspruch von vornherein auch in gewillkürter Prozeßstandschaft für die aufgelöste ARGE geltend gemacht und eine entsprechende Ermächtigung behauptet.

aa) Sie hat nach der Begründung des Mahnbescheides den noch offenen Anspruch aus der Schlußrechnung der ARGE vom 22. Dezember 1992 geltend gemacht. Sie hat sodann in der Anspruchsbegründung vom 29. Juni 1995 vorgetragen, sie, die Klägerin, sei die ARGE. Nachdem die Beklagte auf diese offensichtlich fehlerhafte Darstellung hingewiesen hat, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 20. Februar 1996 vorgetragen, sie mache die Ansprüche der ehemaligen ARGE geltend. Die ARGE sei nach Beendigung der Baumaßnahme für das zweite Baulos aufgelöst worden. Die Auseinandersetzung der ARGE sei in der Weise erfolgt, daß jedem der ehemaligen Gesellschafter etwaige Forderungen für sein Gewerk übertragen worden seien und daß jeder ermächtigt worden sei, so auch die Klägerin bezüglich der streitgegenständlichen Forderung, diese Forderung im eigenen Namen und für eigene Rechnung geltend zu machen. Beide Gesellschafter hätten die Klägerin ermächtigt, die Forderung in eigenem Namen durchzuprozessieren. Diesen Vortrag hat sie in der Berufung unter Antritt von Zeugenbeweis wiederholt, wobei sie darauf hingewiesen hat, daß die Auflösung der Gesellschaft bereits im Jahre 1993 erfolgt sei (Schriftsatz vom 27. August 1997, Seite 10; Schriftsatz vom 27. Oktober 1997, Seite 7 f).

bb) Unzutreffend ist danach die Darstellung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe sich bereits erstinstanzlich ausschließlich auf die Ermächtigung der Firma B. GmbH vom 6. Mai 1996 berufen. Ebenso unzutreffend ist die Darstellung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe sich nach Vorlage des eine Ermächtigung zunächst versagenden Schreibens vom 19. März 1996 nicht auf eine zeitlich vorangegangene Ermächtigung seitens der Firma B. GmbH berufen. Abgesehen davon, daß kein Anlaß bestand, die bereits zuvor erhobene eindeutige Behauptung einer Ermächtigung im Zuge der Auseinandersetzung im Jahre 1993 zu wiederholen, hat die Klägerin nach dem Hinweis des Berufungsgerichts auf seine Rechtsauffassung in der mündlichen Verhandlung vom 23. April 1998 ausdrücklich auf die Schriftsätze vom 27. August 1997 und 27. Oktober 1997 unter Aufrechterhaltung des darin enthaltenen Vortrags hingewiesen und im übrigen diesen Vortrag präzisiert und im Kern wiederholt.

cc) Die Darstellung der Klägerin ist entgegen der rechtsfehlerhaften Auffassung des Berufungsgerichts auch ausreichend substantiiert, denn sie stützt die behauptete Ermächtigung. Die vom Berufungsgericht geforderten detaillierten Angaben sind nicht notwendig (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1984 - VII ZR 123/83 = BauR 1984, 667 = ZfBR 1984, 289). Ebensowenig kann eine zur fehlenden Substantiierung führende widersprüchliche Darstellung darin gesehen werden, daß die Klägerin den Zeitpunkt der Auseinandersetzung zunächst mit Mitte 1993 und später mit Januar 1993 behauptet hat. Die Klägerin hat diesen Wechsel der Darstellung ausreichend erläutert. Darauf ist das Berufungsgericht nicht eingegangen.

b) Die behauptete Ermächtigung zur Prozeßführung ist wirksam. Sie scheitert nicht an dem Verbot von Teilabtretungen ohne Zustimmung der Beklagten unter Ziff. 32.1 der Zusätzlichen Vertragsbedingungen (EVM (B)ZVB/E). Die Wirksamkeit einer Einziehungsermächtigung für eine dem vertraglich vereinbarten Abtretungsverbot unterliegende Forderung hängt davon ab, ob die Geltendmachung durch einen Dritten dem Zweck des Abtretungsverbotes zuwiderläuft (BGH, Urteil vom 27. Februar 1992 - IX ZR 57/91 = BauR 1992, 373, 375 = ZfBR 1992, 164). Das ist hier nicht der Fall. Die Interessen der Beklagten an einer überschaubaren Abrechnung des Bauvorhabens ausschließlich mit ihrem Vertragspartner oder nur einem Zessionar sind nicht beeinträchtigt, wenn die Klägerin als Mitglied der vertragsschließenden ARGE nach deren Auflösung den noch offenen Betrag aus einer Schlußrechnung für Leistungen fordert, die nach ihrer Behauptung allein mit ihr verhandelt und von ihr durchgeführt worden sind.

c) Der Wirksamkeit der Einziehungsermächtigung steht nicht die Rechtsprechung des Senats entgegen, wonach einzelne Positionen einer Schlußrechnung nicht abgetreten werden können (BGH, Urteil vom 22. Oktober 1998 - VII ZR 167/97 = BauR 1999, 251 = ZfBR 1999, 94). Die Klägerin macht keine isolierte Position aus der Schlußrechnung vom 22. Dezember 1992 geltend, sondern den Saldo, der sich nach ihrer Berechnung aus der Differenz zwischen der Summe der einzelnen Auftragspositionen einschließlich der streitigen Nachtragsposition und der erhaltenen Zahlungen ergibt. Daß der Saldo nach ihrer Behauptung mit dem Umfang der Nachtragsforderung identisch ist, ist unschädlich.

4. Nach der Rechtsprechung tritt die verjährungsunterbrechende Wirkung im Falle der gewillkürten Prozeßstandschaft erst in dem Augenblick ein, in dem diese prozessual offen gelegt wird (BGH, Urteil vom 30. Mai 1972 - I ZR 75/71 = NJW 1972, 1580) oder offensichtlich ist (BGH, Urteil vom 3. Juli 1980 - IVa ZR 38/80 = BGHZ 78, 1, 6). Ob daran festzuhalten ist, kann offen bleiben. Denn die Prozeßstandschaft ist vor dem 31. Dezember 1995 ausreichend deutlich offen gelegt worden.

Die Klägerin hat sich zwar erst nach dem 31. Dezember 1995 prozessual ausdrücklich auf die Abtretung und Prozeßstandschaft berufen. Damit hat die Klägerin aber nur klar gestellt, was bereits aus dem vorherigen Verhalten offenkundig war. Schon der Mahnbescheid weist aus, daß die Klägerin die Forderung aus der Schlußrechnung der ARGE geltend macht. Damit war der Beklagten hinreichend verdeutlicht, daß die Klägerin einen jedenfalls ursprünglich der ARGE zustehenden Anspruch forderte. Ihr mußte damit klar sein, daß die Klägerin entweder aus abgetretenem Recht oder in gewillkürter Prozeßstandschaft vorging. Das reichte aus, um die Verjährung zu unterbrechen. Denn an die Darlegung im Mahnbescheid können keine höheren Anforderungen gestellt werden als an die Darlegung in einer Klagebegründung. Wird diese in erster Linie auf eine Abtretung und hilfsweise auf gewillkürte Prozeßstandschaft gestützt, reicht das zur Unterbrechung der Verjährung aus. Das Prozeßverhältnis ist damit ausreichend dargelegt und der Beklagte in die Lage versetzt, sich sachgerecht zu verteidigen.

III.

Das Urteil ist aufzuheben. Da dem Senat eine eigene Entscheidung nicht möglich ist, ist die Sache an das Berufungsgericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Vor der Beweisaufnahme zur behaupteten Ermächtigung durch die ARGE wird das Berufungsgericht noch Feststellungen dazu treffen müssen, wann die Bauleistung der ARGE zum zweiten Baulos von der Beklagten abgenommen worden ist. Denn die Fälligkeit des Werklohnanspruchs und damit der Lauf der Verjährungsfrist hängt auch beim VOB-Vertrag grundsätzlich von der Abnahme ab (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1980 - VII ZR 43/80 = BGHZ 79, 180).

Ende der Entscheidung

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