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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 27.09.2001
Aktenzeichen: VII ZR 391/99
Rechtsgebiete: BGB, NRWBauO


Vorschriften:

BGB § 631
NRWBauO § 64 Abs. 2 i.d.F. vom 26. Juni 1984
Aus Vorschriften, die im öffentlichen Bauordnungsrecht für die Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren gelten, kann nicht geschlossen werden, eine von einem Architekten vertraglich geschuldete Planungsleistung umfasse nur die dort geregelten Anforderungen.

Das vereinfachte Genehmigungsverfahren stellt eine Erleichterung des formellen Rechts und zugleich einen Abbau staatlicher Bauaufsicht unter gleichzeitiger bewußter Verstärkung der Verantwortlichkeit der am Bau Beteiligten dar.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 391/99

Verkündet am: 27. September 2001

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. Haß, Hausmann, Dr. Wiebel und Bauner

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. Juli 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin fordert von der Beklagten Schadensersatz wegen angeblicher Planungsmängel nach § 635 BGB.

Die Klägerin beauftragte die Beklagte mit Planungsleistungen für die Baugenehmigung von sechs Reihenhäusern in einem Neubaugebiet in Nordrhein-Westfalen; der Umfang der vertraglich geschuldeten Leistung der Beklagten ist umstritten. Die Beklagte fertigte Genehmigungspläne und stellte Ende 1995/Anfang 1996 Bauanträge im vereinfachten Genehmigungsverfahren. In der Baubeschreibung machte sie unter der Rubrik "Brandverhalten der Bauteile, besondere Brandschutzabschlüsse" keine Angaben. Ebenso fehlen Angaben dazu in den Bauplänen. Nach Genehmigung des Bauvorhabens wurde im September 1996 mit den Bauarbeiten begonnen. Anfang November 1996 erließ das zuständige Bauamt Stillegungsverfügungen gegen die Bauherren, weil die Gebäudeabschlußwände nicht den brandschutztechnischen Anforderungen des § 27 Abs. 1 BauO NW 1984 entsprachen. Die Häuser mußten teilweise demontiert, die Abschlußwände gemäß den Brandschutzanforderungen neu errichtet und die Gebäude wieder aufgebaut werden. Die Klägerin wurde von drei Bauherren mit Erfolg auf Schadensersatz in Anspruch genommen.

Die Klägerin fordert von der Beklagten 293.690,15 DM. Das Landgericht hat der Klage dem Grunde nach zur Hälfte stattgegeben. Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg; die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht führt aus, die Beklagte habe die Erstellung einer dauerhaft genehmigungsfähigen Planung geschuldet. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seien sich die Parteien jedenfalls darüber einig gewesen, daß die Beklagte diejenigen Planungsaufgaben habe übernehmen sollen, die notwendig gewesen seien, um die Baugenehmigung für die in Auftrag gegebenen Bauvorhaben zu erhalten. Rückschlüsse auf einen eingeschränkten Umfang der Planungsleistung seien nicht ersichtlich.

Die Planung der Beklagten sei mangelhaft. Die im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilten Baugenehmigungen hätten widerrufen werden können, da die Beklagte bei ihrer Planung die gesetzlichen Anforderungen des Brandschutzes nicht beachtet habe. Die Beklagte habe in den Bauanträgen die Vorgaben der §§ 27, 28 der Landesbauordnung (BauO NW) vom 26. Juni 1984 (GV.NW. S. 419 - künftig: BauO NW 1984) über die notwendigen Feuerwiderstandsklassen der Wände nicht beachtet. Die Pflicht hierzu ergebe sich auch aus § 3 Abs. 4 (richtig: Abs. 3) Nr. 3 der Verordnung über bautechnische Prüfungen vom 6. Dezember 1984 (GV.NW. S. 774 - künftig: BauPrüfVO NW 1984). Danach seien in den Bauzeichnungen der Genehmigungsplanung das Brandverhalten der Baustoffe und die Feuerwiderstandsdauer der Bauteile anzugeben. Dies sei unterblieben.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die erteilten Baugenehmigungen sind weder zurückgenommen noch widerrufen worden (1). Die Annahme des Berufungsgerichts, aus der Beauftragung der Beklagten mit der Genehmigungsplanung ergebe sich zwingend, die Beklagte hätte auch Vorgaben zum Brandschutz planen müssen, trifft nicht zu (2). Da das Berufungsgericht weitere Feststellungen zum Inhalt des erteilten Auftrages nicht getroffen hat, kann ein Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen mangelhafter Planung der Beklagten bislang nicht angenommen werden.

1. Das Berufungsgericht geht davon aus, die Beklagte habe vertraglich eine genehmigungsfähige Planung geschuldet. Seine Feststellungen legen die Annahme nahe, daß die Beklagte eine solche Planung vorgelegt hat. Die eingereichte Planung der Beklagten wurde im August 1996 von der Bauaufsichtsbehörde genehmigt; die erteilten Genehmigungen wurden weder zurückgenommen noch widerrufen.

2. Der von der Beklagten erstellte Bauantrag wurde von der Bauaufsichtsbehörde im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 64 BauO NW 1984 geprüft. Davon geht das Berufungsgericht als unstreitig aus, auch wenn ihm weder die Bauakten noch der vollständige Bauantrag oder die Baugenehmigung vorgelegen haben. § 64 Abs. 2 BauO NW 1984 beschränkt die Prüfung der Bauvorlagen; er nennt die einzelnen Bereiche, die geprüft werden müssen. Eine Prüfung der Brandschutzvorschriften nach den §§ 25 ff. BauO NW 1984 ist dort nicht vorgesehen. Diese Regelung ist eine Ausnahme von dem sich aus § 70 Abs. 1 BauO NW 1984 ergebenden Grundsatz, daß die Baugenehmigung die Übereinstimmung des Vorhabens mit allen Vorschriften des öffentlichen Rechts bestätigt (Gädtke/Böckenförde/Temme, Kom. zur LBauO NW, 8. Aufl., § 64 Rdn. 19).

§ 64 Abs. 2 BauO NW 1984 stimmt auch, worauf die Revision zutreffend hinweist, mit der BauPrüfVO NW 1984 überein. In § 6 dieser Verordnung werden die Bauvorlagen, die dem Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für Vorhaben im vereinfachten Genehmigungsverfahren beizufügen sind, im einzelnen aufgezählt. Während § 3 Abs. 3 Nr. 3 dieser Verordnung vorschreibt, daß in den Bauzeichnungen u.a. das Brandverhalten der Baustoffe und die Feuerwiderstandsdauer der Bauteile, soweit aus Gründen des Brandschutzes an diese Forderungen gestellt werden, anzugeben sind, sieht dies § 6 dieser Verordnung nicht vor. In § 6 Abs. 3 BauPrüfVO NW 1984 wird lediglich auf die entsprechende Geltung von § 3 Abs. 1 und 4 dieser Verordnung verwiesen; eine Verweisung auf § 3 Abs. 3 dieser Verordnung fehlt.

Aus dem auszugsweise vorgelegten Bauantrag im Beweissicherungsverfahren 15 O H 19/96 LG M. läßt sich Gegenteiliges nicht schließen.

Der amtlich eingeführte Vordruck für den Bauantrag trennt zwischen den Bauvorlagen im üblichen Genehmigungsverfahren und den Bauvorlagen im vereinfachten Genehmigungsverfahren. Der vorgelegte Auszug läßt ohne weitere Feststellungen keine Rückschlüsse zu.

3. Der Umfang der für das vereinfachte Genehmigungsverfahren erforderlichen Planung erlaubt hinsichtlich der Angaben zum Brandschutz keinen Rückschluß auf den Umfang der Vertragspflichten. Die Möglichkeit, im vereinfachten Verfahren ohne Angaben zum Brandschutz eine Baugenehmigung zu erhalten, entbindet den Architekten regelmäßig nicht von der Verpflichtung, den Auftraggeber auf die Einhaltung der Brandschutzvorschriften hinzuweisen. Das Berufungsgericht hat sich mit dieser Hinweispflicht bislang nicht befaßt. Die getroffenen Feststellungen lassen eine abschließende Entscheidung hierüber nicht zu.

III.

Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben; die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf folgendes hin:

1. Das Berufungsgericht wird zunächst den Inhalt des Vertrages der Parteien festzustellen haben. Sollte die Beklagte umfassend mit der Planung der Bauvorhaben beauftragt gewesen sein, so wird das Berufungsgericht alsdann festzustellen haben, ob die Beklagte die Vorgaben für den Brandschutz im Rahmen der Entwurfsplanung, bei der regelmäßig auch bauphysikalische Anforderungen zu beachten sind, zu berücksichtigen hatte. Jedenfalls kann aus den Vorschriften, die im öffentlichen Bauordnungsrecht für die Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren gelten, nicht geschlossen werden, die vom Architekten vertraglich geschuldete Leistung umfasse nur die dort geregelten Anforderungen (Gädtke/Böckenförde/Temme, aaO § 64 Rdn. 1). Das vereinfachte Genehmigungsverfahren stellt eine Erleichterung des formellen Rechts und zugleich den Abbau staatlicher Bauaufsicht unter gleichzeitiger bewußter Verstärkung der Verantwortlichkeit der am Bau Beteiligten dar (vgl. auch: Hartmann, Kommentar zur HOAI Teil 4/2 § 15 S. 147; Orthloff/Rapp NJW 1996, 2346).

2. Sofern die noch zu treffenden Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben, daß die Beklagte eine umfassende Planung einschließlich des Brandschutzes nicht schuldete oder trotz umfassenden Planungsauftrags die Vorgaben zum Brandschutz erst nach erteilter Baugenehmigung im Rahmen der Ausführungsplanung gemacht werden durften, so wird eine Hinweispflicht der mit der Ausführungsplanung nicht beauftragten Beklagten auf das Fehlen von Vorgaben zum Brandschutz in Betracht kommen. Ob ausnahmsweise diese Hinweispflicht hier entfällt, wie die Beklagte meint, ist offen.

Ende der Entscheidung

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