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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 13.09.2001
Aktenzeichen: VII ZR 415/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 254 Abs. 1 Da

Entscheidung wurde am 18.12.2001 korrigiert: Verkündungsdatum des Urteils des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden ist der 13. Oktober 1999
Wer die Beseitigung der Folgen aus einer nach widerrechtlicher Drohung eingegangenen Verpflichtung verlangen kann, ist grundsätzlich nicht dem Einwand des Mitverschuldens ausgesetzt.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 415/99

Verkündet am: 13. September 2001

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Dr. Thode, Hausmann, Dr. Wiebel und Bauner

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 13. Oktober 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als dem Kläger ein 25.169,86 DM übersteigender Betrag zuzüglich 10,25 % Zinsen hieraus seit dem 28. Dezember 1995 zuerkannt worden ist.

In entsprechendem Umfang wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 18. September 1998 teilweise abgeändert. Die den Betrag von 25.169,86 DM nebst Zinsen übersteigende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten erster und zweiter Instanz tragen der Kläger zu 57 %, die Beklagte zu 43 %. Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu 70 %, die Beklagte zu 30 %.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien schlossen am 11. März 1994 einen Vertrag über die Errichtung von Reihenhäusern zu einem Pauschalfestpreis von 6.000.000 DM brutto. Ein Betrag von 132.653,94 DM ist noch offen.

Am 28. Oktober/30. November 1994 vereinbarten die Parteien, daß der Kläger wegen des Einbaus von Stahlträgern und -stützen eine zusätzliche Vergütung erhalten solle. Dem war vorausgegangen, daß der Kläger wegen dieser Arbeiten zusätzliche Forderungen in Höhe von 547.879,83 DM angemeldet hatte. Für den Fall, daß eine Nachtragsvereinbarung nicht zustande kommen sollte, hatte er die Einstellung der Arbeiten angedroht. Er rechnete diese Leistungen mit 447.639,22 DM ab. Die Beklagte zahlte lediglich 131.491,16 DM.

Der Kläger macht noch offene Beträge in Höhe von insgesamt 472.809,30 DM geltend. Die Beklagte beruft sich darauf, daß ihr wegen der Drohung des Klägers mit sofortigem Baustopp ein Schadensersatzanspruch zustehe. Der Kläger könne daher von ihr die auf die Nachtragsvereinbarung noch nicht geleisteten 316.148,06 DM nicht, sie dagegen die Rückzahlung des Betrags von 131.491,16 DM verlangen. Mit diesem Anspruch rechne sie hilfsweise auf.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 292.809,30 DM verurteilt. Das Berufungsgericht bejaht einen Schadensersatzanspruch der Beklagten bei hälftigem Mitverschulden und berechnet den von ihm dem Kläger zugesprochenen Betrag von 248.989,47 DM wie folgt:

132.653,94 DM (Rest aus Pauschalvertrag)

- 65.745,80 DM (Aufrechnung mit hälftigem Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung von 131.491,16 DM - rechnerisch richtig: 65.745,58 DM)

66.908,14 DM (Zwischensumme) + 24.007,30 DM (weitere Zusatzleistungen) + 158.074,03 DM (Hälfte der für den Einbau der Stahlstützen noch offenen Vergütung: 447.639,22 - 131.491,16 DM = 316.148,06 DM, hiervon 50 %)

248.989,47 DM

Der Senat hat die Revision des Klägers, der sich dagegen wendet, daß das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch der Beklagten bejaht hat, nicht angenommen. Diejenige der Beklagten hat er insoweit angenommen, als sie dagegen streitet, daß das Berufungsgericht dem Kläger 158.074,03 DM zugesprochen und die Hilfsaufrechnung der Beklagten nur zur Hälfte anerkannt hat.

Entscheidungsgründe:

Im Umfang der Annahme hat die Revision Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Schadensersatzanspruch der Beklagten mindere sich wegen Mitverschuldens um die Hälfte. Die Beklagte sei der Drohung des Klägers nicht hilflos ausgeliefert gewesen. Sie sei sich sicher gewesen, den Anspruch des Klägers durch Gegenansprüche neutralisieren zu können. Sie habe deshalb das Verlangen des Klägers nicht juristisch bekämpft, sondern nur zum Schein nachgegeben und "gleichsam mit gekreuzten Fingern unterschrieben". Die Entscheidungsträger der Beklagten hätten sich nicht für erpreßt gehalten. Die Anteile der Parteien an der Schadensverursachung seien etwa gleichwertig.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Beklagten steht nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo ein Schadensersatzanspruch auf Befreiung von der eingegangenen Verbindlichkeit zu. Zu Unrecht mindert das Berufungsgericht den Schadensersatzanspruch der Beklagten um die Hälfte. Die Beklagte trifft kein Mitverschulden.

Ein Mitverschulden der Beklagten kann nicht darin gesehen werden, daß sie die Nachtragsvereinbarung unterschrieben und sich damit so verhalten hat, wie es der Kläger durch die widerrechtliche Beeinflussung ihrer Willensbildung gerade erreichen wollte. Der Bundesgerichtshof hat wiederholt entschieden, daß der falsch Beratende sich nicht darauf berufen kann, der Beratene habe sich an den Rat gehalten (Urteile vom 12. März 1986 - IV a ZR 183/84, NJW-RR 1986, 1348, 1349 und vom 17. Oktober 1991 - IX ZR 255/90, NJW 1992, 307, 309, insoweit in BGHZ 115, 382 nicht abgedruckt). Um so weniger kann der widerrechtlich Drohende dem Bedrohten entgegenhalten, daß dieser sich habe bedrohen lassen und der Drohung nicht standgehalten habe.

Dies erkennt an sich auch das Berufungsgericht. Es meint jedoch, von diesen Grundsätzen abweichen zu können, weil eine "atypische Erpressung" vorliege und die Beklagte "gleichsam mit gekreuzten Fingern unterschrieben" habe. Dabei übergeht das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, entscheidungserheblichen Sachvortrag der Beklagten. Deren Geschäftsführer hat bei seiner Anhörung erklärt, daß ein Baustopp eine Katastrophe gewesen wäre und in jedem Fall habe vermieden werden müssen. Der Kläger ist dem nicht entgegengetreten. Mit diesem Vortrag ist die Feststellung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe ohne Not die Nachtragsvereinbarung unterschrieben, nicht zu vereinbaren.

III.

Dem Kläger steht somit der vom Berufungsgericht zugesprochene Betrag von 158.074,03 DM nicht zu.

Ferner greift die von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung auch in Höhe der vom Berufungsgericht nicht berücksichtigten Hälfte des auf die Nachtragsvereinbarung bereits gezahlten Betrages (131.491,16 DM) durch. Der Restwerklohn aus der Pauschalvereinbarung reduziert sich deshalb um weitere 65.745,58 DM (soweit das Berufungsgericht auf S. 20 der Urteilsgründe die Hälfte des gezahlten Betrages mit 65.745,80 DM angibt, handelt es sich um ein offensichtliches Versehen). Aus der Pauschalvereinbarung stehen dem Kläger deshalb nur noch 1.162,56 DM zu. Hinzu kommt der Betrag von 24.007,30 DM für zusätzliche Leistungen, so daß die Forderung des Klägers in Höhe von insgesamt 25.169,86 DM berechtigt ist.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 Abs. 1 ZPO.

Unter teilweiser Aufhebung der Streitwertfestsetzung im Beschluß des Senats vom 7. Juni 2001 sowie unter Aufhebung der Streitwertfestsetzung im Urteil des Berufungsgerichts vom 13. Oktober 1999 und im Urteil des Landgerichts vom 18. September 1998 wird der Streitwert bis zur Annahme der Revision auf 784.300,46 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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