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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 26.09.2002
Aktenzeichen: VII ZR 422/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 539
Ein wesentlicher Verfahrensfehler im Sinne des § 539 ZPO liegt nur dann vor, wenn das Verfahren des ersten Rechtszuges an einem so erheblichen Mangel leidet, daß es keine ordnungsgemäße Grundlage für eine instanzbeendende Entscheidung sein kann.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 422/00

Verkündet am: 26. September 2002

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Prof. Dr. Thode, Hausmann, Dr. Kuffer und Prof. Dr. Kniffka

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 19. September 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

I.

Der Kläger verlangt aus abgetretenem Recht, hilfsweise in Prozeßstandschaft, Vergütung für Werkleistungen. Der Beklagte bestreitet die Sachbefugnis des Klägers, dessen Prozeßführungsbefugnis, und er erhebt die Einrede der Verjährung.

II.

Die Firma H., die im Auftrag des Beklagten Ausbau- und Umbauarbeiten ausgeführt und Gegenstände für die Innenausstattung geliefert hatte, hat ihre Forderung gegen den Beklagten im April 1996 an die Volksbank G./O. abgetreten. Mit Schreiben vom 13. Mai 1996 zeigte die Volksbank die Abtretung dem Beklagten an und bat um die Übersendung der Drittschuldnererklärung. Am 4. Juni 1996 übersandte der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten die Drittschuldnererklärung und teilte mit, daß Ansprüche der Firma H. gegen den Beklagten nicht bestehen.

Am 15. Juni 1996 trat die Firma H. die Forderung gegen den Beklagten an den Kläger ab.

Die Parteien streiten darüber, ob die Volksbank die Forderung vor dem 15. Juni 1996 an die Firma H. zurückabgetreten hat.

Mit Schreiben vom 10. Dezember 1998 bestätigte die Volksbank dem Kläger, daß sie im Mai 1996 auf die ihr zur Sicherung abgetretene Forderung verzichtet habe, weil der Drittschuldner das Bestehen der Forderung durch seine Drittschuldnerbestätigung vom 13. Mai 1996 verneint habe. Sie erklärte in dem Schreiben, daß sie aus der Forderungsabtretung vom April 1996 keine Rechte mehr beanspruche.

III.

Das Landgericht hat nach einer Beweisaufnahme über die streitige Rückabtretung die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe die Rückabtretung nicht zu beweisen vermocht. Die Behauptung des Klägers, er sei zur Einziehung der Forderung durch die Volksbank ermächtigt worden, hat das Landgericht als verspätet zurückgewiesen.

Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts wegen Verfahrensfehlern aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Der Beklagte erstrebt mit seiner Revision die Zurückweisung der Berufung des Klägers.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Revision hat Erfolg, sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Das maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB, § 26 Nr. 7 EGZPO).

II.

Das Berufungsgericht hat die Zurückverweisung gemäß § 539 ZPO an das Landgericht wie folgt begründet:

a) Die Bewertung der ersten Instanz, der Kläger sei nicht Inhaber der Forderung, und er habe einen Verzicht der Volksbank auf die Geltendmachung der Rechte oder eine Rückabtretung nicht zu beweisen vermocht, sei unhaltbar. Durch das Schreiben der Volksbank vom 10. Dezember 1998 sei genügend belegt, daß eine Rückabtretung der Forderung im Mai 1996 erfolgt sei.

Die Auslegung dieses Schreibens könne nur zu dem Ergebnis führen, daß die Erklärung der Volksbank als eine Rückabtretung zu verstehen sei. Mit dem Verzicht könne die Volksbank nur gemeint haben, daß sie selbst die Forderung nicht durchsetzen wolle. Das werde vor allem deutlich aus der Formulierung, daß die Firma H. "somit bereits Ende Mai 1996 berechtigt gewesen (sei), diese Forderung gegen Herrn Dr. P. anderweitig abzutreten".

b) Im Hinblick auf das Schreiben der Volksbank bedürfe es keiner Klärung, zu welchem Zeitpunkt und zwischen welchen Personen die Rückabtretung vereinbart worden sei.

c) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme könnten keinerlei Zweifel aufkommen, daß die Volksbank zu ihrer Rückabtretung stehe und keine Rechte aus der Sicherungsabtretung vom April 1996 mehr herleiten werde.

d) Es sei ein grober Verfahrensfehler, daß das Landgericht die Behauptung des Klägers, er sei von der Volksbank ermächtigt worden, die Forderung der Volksbank gegenüber dem Beklagten geltend zu machen, gemäß § 296 Abs. 2 i.V.m. § 282 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückgewiesen habe. Zu dem ergänzenden Vortrag habe für den Kläger erst Anlaß bestanden, als das Landgericht nach der Vernehmung der Zeugen und trotz der vorliegenden Urkunde die Rückabtretung nicht als bewiesen angesehen habe.

2. Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand:

a) Ein wesentlicher Verfahrensfehler im Sinne des § 539 ZPO ist nur dann gegeben, wenn das Verfahren des ersten Rechtszugs an einem so erheblichen Mangel leidet, daß es keine ordnungsgemäße Grundlage für eine instanzbeendende Entscheidung sein kann (st. Rspr.: BGH, Urteil vom 6. November 2000 - II ZR 67/99, NJW 2001, 1500 m.w.N.).

b) Die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht nach § 539 ZPO hätte nicht erfolgen dürfen, weil das Verfahren des Landgerichts nicht an einem wesentlichen Verfahrensfehler leidet.

(1) Die Würdigung des Schreibens der Volksbank vom 10. Dezember 1998 durch das Landgericht begründet keinen Verfahrensfehler. Das Landgericht hat den Inhalt des Schreibens vertretbar und damit rechtsfehlerfrei gewürdigt. Es enthält keine unmittelbare Aussage dazu, ob und zu welchem Zeitpunkt die Volksbank die Forderung möglicherweise zurückabgetreten hat. Das Schreiben ist lediglich ein Indiz für die Behauptung des Klägers, so daß dieser die Rückabtretung damit allein nicht zu beweisen vermochte. Die indizielle Bedeutung des Schreibens für die behauptete Rückabtretung im Mai 1996 ist gering. Die Volksbank hat lediglich mitgeteilt, daß sie auf ihre Forderung verzichtet habe. Sie hat nicht erklärt, mit wem sie einen Verzicht auf ihren Anspruch vereinbart hat. Eine etwaige Verzichtsvereinbarung bezüglich der an sie abgetretenen Forderung schließt eine Rückabtretung aus. Die Erklärung der Volksbank läßt sich auch dahingehend deuten, daß die Volksbank intern darauf verzichtet hat, die ihr zustehende Forderung gegen den Beklagten geltend zu machen.

Das Schreiben enthält einen manifesten Widerspruch. Der angeblich im Mai 1996 erklärte Verzicht kann nicht, wie die Volksbank mitgeteilt hat, auf der Drittschuldnererklärung des Beklagten beruhen, weil der Beklagte diese Erklärung erst Anfang Juni abgegeben hat. Angesichts dieses Widerspruchs und des Hinweises in dem Schreiben, daß die Volksbank auf ihre Rechte verzichtet hat, war es erforderlich zu klären, zu welchem Zeitpunkt und zwischen welchen Personen die behauptete Rückabtretung vereinbart worden ist.

Die Formulierung in dem Schreiben, die Firma H. sei somit bereits Ende Mai 1996 berechtigt gewesen, diese Forderung gegen Herr Dr. P. anderweitig abzutreten, ist für die Beweiswürdigung ohne nennenswerte Bedeutung. Es handelt sich um eine Rechtsansicht der Volksbank, deren Beurteilungsgrundlage, die Rückabtretung, in dem Schreiben nicht mitgeteilt worden ist.

Im Hinblick auf diesen Inhalt und Beweiswert des Schreibens der Volksbank mußte das Landgericht die für die streitige Rückabtretung von dem Kläger benannten Zeugen vernehmen. Die Würdigung der Zeugenaussagen durch das Landgericht ist rechtlich nicht zu beanstanden.

(2) Ob die Präklusion der Behauptung des Klägers in der letzten mündlichen Verhandlung, er sei von der Volksbank ermächtigt worden, die Forderung gegenüber dem Beklagten geltend zu machen, verfahrensfehlerhaft war, kann offenbleiben. Eine Zurückverweisung nach § 539 ZPO war auf der Grundlage der Auffassung des Berufungsgerichts, daß eine Rückabtretung vorgelegen habe, nicht gerechtfertigt.

Ende der Entscheidung

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