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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 27.02.2003
Aktenzeichen: VII ZR 48/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 209
BGB § 638 a.F.
Die Zustellung eines Mahnbescheids unterbricht auch dann die Verjährung, wenn zur Zeit der Zustellung, von der Sachbefugnis abgesehen, noch nicht sämtliche Anspruchsvoraussetzungen vorliegen.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 48/01

Verkündet am: 27. Februar 2003

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Haß, Dr. Kuffer und Prof. Dr. Kniffka

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13. Dezember 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger verlangen von der Beklagten zu 1 in erster Linie Kostenvorschuß aus Werkvertrag in Höhe von 255.645,94 Euro und Zinsen. Aus einer damit im Zusammenhang stehenden Bürgschaft machen die Kläger Ansprüche gegen die Beklagte zu 2, eine Versicherung, geltend. Im Streit ist im Revisionsverfahren, ob die werkvertraglichen Ansprüche verjährt sind.

Die Kläger beauftragten die S. GmbH mit Gründungs- und Rohbauarbeiten. Die S. GmbH erteilte der Beklagten zu 1 als Subunternehmerin den Auftrag zur Errichtung einer wegen der Boden- und Grundwasserverhältnisse notwendigen Schlitzwand. Die während des Wandbaus von der Beklagten zu 1 zur Verfestigung des Erdreichs eingesetzte Masse hatte in einem Bereich, der an ein bebautes Grundstück des Landkreises B. grenzt, keine ausreichende Stabilität. Daher bildete sich unterirdisch zumindest ein Hohlraum, in den 375,6 cbm Beton einflossen. Jedenfalls ein Teil des Betons sickerte in das Erdreich des dem Landkreis gehörenden sog. Musikschul-Grundstücks. Der Landkreis wurde darüber nicht unterrichtet.

Die Kläger behielten einen Teil der Vergütung gegenüber der am Rechtsstreit nicht beteiligten S. GmbH ein, die ihrerseits 500.000 DM des Werklohns der Beklagten zu 1 erst zahlte, nachdem diese eine Bürgschaft der Beklagten zu 2 gestellt hatte. Im Rahmen der Bürgschaftserklärung vom 17. Mai 1994 heißt es u.a.: "Es wird Gewähr für die Mängelfreiheit der von der Fa. F. (= Beklagte zu 1) erbrachten Leistungen an dem .... Bauvorhaben übernommen, sowie für Leistungen, die erforderlich werden, um Abstemmungen an der Schlitzwand durchzuführen für den Fall, daß solche Abstemmungen im Bereich zum Grundstück Musikschule erforderlich sind."

Über das Vermögen der S. GmbH wurde 1995 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet.

Der Antrag auf Erlaß des Mahnbescheids ist am 15. April 1998 bei Gericht eingegangen. Am 19. Juli 1998 ist der Mahnbescheid zugestellt worden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihre Ansprüche mit verschiedenen Zahlungs- und Feststellungsanträgen weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Das maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB, § 26 Nr. 7 EGZPO).

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagte zu 1 habe sich durch die im Rahmen der Bürgschaftsurkunde vom 17. Mai 1994 abgegebene Erklärung gegenüber den Klägern zur Gewährleistung verpflichtet, insbesondere zum Abstemmen des Betons. Letztere Verpflichtung sei die Beklagte zu 1 jedoch nur für den Fall eingegangen, daß die Entfernung des Betons, um die es hier geht, erforderlich sei. Die Erforderlichkeit habe von dem berechtigten Verlangen des Eigentümers des Nachbargrundstücks abhängig sein sollen. Da sich die Beklagte zu 1 nur für die Dauer der Gewährleistungsfrist des § 638 BGB habe binden wollen, seien etwaige Ansprüche der Kläger gemäß § 638 Abs. 1 BGB am 17. Mai 1999 verjährt. Bis zu diesem Zeitpunkt habe der Kreis die Beseitigung des Betons nicht verlangt. Durch die vorherige Zustellung des Mahnbescheids sei die Verjährung nicht unterbrochen worden; die gerichtliche Geltendmachung vor dem Zeitpunkt des Vorliegens des Mangels oder der vereinbarten Voraussetzung der Haftung habe keine die Verjährung unterbrechende Wirkung.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung teilweise nicht stand. Das Berufungsgericht zieht zu Recht nicht in Zweifel, daß die Beklagte zu 1 die Gewährleistungspflicht der S. GmbH gegenüber den Klägern mitübernommen hat. Unrichtig ist aber seine Auffassung, der Mahnbescheid habe die Verjährung etwaiger Ansprüche der Kläger nicht unterbrochen.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hängt die Unterbrechung der Verjährung durch Klage oder Mahnbescheid nach § 209 BGB, von der Aktiv- und Passivlegitimation abgesehen, nicht davon ab, ob bereits zur Zeit der Zustellung sämtliche Anspruchsvoraussetzungen vorliegen (Urteil vom 5. Mai 1988 - VII ZR 119/87, BGHZ 104, 268, 273). Fehlende Begründungselemente können vielmehr auch noch während des Rechtsstreits vorgetragen werden, selbst wenn der Anspruch ohne die Unterbrechungswirkung bereits verjährt gewesen wäre (BGH, Urteil vom 26. Juni 1996 - XII ZR 38/95, NJW-RR 1996, 1409, 1410 m.w.N.).

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der am 19. Juli 1998 zugestellte Mahnbescheid die Verjährungsfrist des § 638 Abs. 1 BGB hier auch dann unterbrochen, wenn der geltend gemachte Gewährleistungsanspruch in der Sache als zusätzliche Anspruchsvoraussetzung ein Beseitigungsverlangen des Nachbarn voraussetzte. Ist dieses Beseitigungsverlangen, wie die Kläger vortragen, im Jahre 2000 berechtigt gestellt worden, so ändert sich an der weiteren Durchsetzbarkeit des Gewährleistungsanspruchs selbst dann nichts, wenn man, wie das Berufungsgericht, die Verpflichtungserklärung des Beklagten zu 1) auf den Lauf der Gewährleistungsfrist des § 638 Abs. 1 BGB beziehen wollte, da diese im Hinblick auf die erfolgte Unterbrechung im Jahre 2000 noch nicht abgelaufen war. Für eine darüber hinausgehende absolute Beschränkung der seitens der Beklagten zu 1) eingegangenen Verpflichtung auf den Fall, daß sich binnen fünf Jahren nach Abgabe der Erklärung alle Anspruchsvoraussetzungen einschließlich des Beseitigungsverlangens des Nachbarn erfüllen, gibt es keinerlei Anhaltspunkte.



Ende der Entscheidung

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