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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 11.11.1999
Aktenzeichen: VII ZR 73/99
Rechtsgebiete: HOAI, BGB
Vorschriften:
HOAI § 8 Abs. 1 | |
BGB § 196 Abs. 1 Nr. 7 |
Ein Architektenhonorar wird auch bei vorzeitiger Beendigung des Architektenvertrages erst fällig, wenn der Architekt eine prüfbare Schlußrechnung erteilt (Bestätigung von BGH, Urteil vom 19. Juni 1986 - VII ZR 221/85, BauR 1986, 596).
Weder die Vorlage einer nicht prüfbaren Rechnung, noch die späte Vorlage einer prüfbaren Rechnung bedeuten für sich alleine treuwidrige Verhaltensweisen des Architekten.
Vielmehr müssen zusätzliche Umstände gegeben sein, um aus Gründen von Treu und Glauben rechtliche Folgen einer Fälligkeit des Honoraranspruchs für einen Zeitpunkt annehmen zu können, in dem eine prüfbare Honorarschlußrechnung des Architekten noch nicht vorgelegen hat.
BGH, Urteil vom 11. November 1999 - VII ZR 73/99 - OLG Karlsruhe in Freiburg LG Konstanz
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 11. November 1999
Heinzelmann, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. November 1999 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Dr. Thode, Hausmann, Dr. Wiebel und Dr. Kuffer
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe, 9. Zivilsenat in Freiburg, vom 28. Januar 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht das Architektenhonorar für den Innenausbau eines Gasthauses. Die Beklagten haben den Architektenvertrag mit dem Zedenten im Frühjahr 1990 durch Kündigung vorzeitig beendet. Der Zedent hat nacheinander vier verschiedene Honorarschlußrechnungen vorgelegt. Die Rechnung vom 29. Mai 1990 erschöpft sich in der Mitteilung einer Pauschalsumme. Die Rechnung vom 27. Januar 1992 beruht auf Stundenlöhnen und Nebenkostenpauschalen. Mit den beiden Rechnungen vom 23. Dezember 1994 und vom 1. Oktober 1997 werden auf der Grundlage einer Kostenermittlung Leistungen gemäß § 15 HOAI geltend gemacht. Die letzte Rechnung endet mit 9.009,31 DM. Dieser Betrag ist Gegenstand der Klage.
Die Klage hat in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Ebenso wie das Landgericht hält das Berufungsgericht die Forderung für verjährt. Dagegen wendet sich die zugelassene Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet.
I.
Das Berufungsgericht geht davon aus, daß der Beginn der Verjährung des Honoraranspruchs eines Architekten grundsätzlich die Erteilung einer prüfbaren Schlußrechnung voraussetzt. Die Klägerin jedoch könne sich hierauf nicht berufen. Sie müsse sich so behandeln lassen, als habe der Zedent schon im Jahre 1992 eine prüfbare Rechnung vorgelegt. Seine Rechnung vom 29. Mai 1990 (gemeint ist: vom 27. Januar 1992) sei vertragswidrig nach Stundenaufwand erstellt worden und sei nicht prüfbar. Nach seinem eigenen Vortrag hätten die Beklagten diese Rechnung als unzulässig reklamiert. Dann hätte der Zedent in angemessener Frist eine ordnungsgemäße Rechnung vorlegen müssen. Das habe er nicht getan. Erst die Rechnung vom 1. Oktober 1997 sei prüfbar. Auch unabhängig von einer vorausgegangenen Aufforderung zur ordnungsgemäßen Rechnungsstellung widerspräche es Treu und Glauben, wenn ein Architekt sich auf ein solches langjähriges Versäumnis berufen dürfte. Nach dem deshalb für 1992 anzunehmenden Verjährungsbeginn habe das erst 1996 eingeleitete Mahnverfahren die zweijährige Verjährungsfrist nicht mehr rechtzeitig unterbrechen können.
II.
Das hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Der Beginn der Verjährung knüpft an die Entstehung und damit an die Fälligkeit der Forderung an (BGH, Urteil vom 17. Februar 1971 - VIII ZR 4/70, BGHZ 55, 340). Die Honorarforderung eines Architekten wird gemäß § 8 Abs. 1 HOAI erst fällig, wenn dieser eine prüfbare Schlußrechnung erteilt. Das gilt auch, wenn das Vertragsverhältnis vorzeitig beendet worden ist (BGH, Urteil vom 19. Juni 1986 - VII ZR 221/85, BauR 1986, 596 = WM 1986, 1388; Urteil vom 9. Juni 1994 - VII ZR 87/93, BauR 1994, 655 = ZfBR 1994, 219).
Danach ist die geltend gemachte Honorarforderung nicht verjährt. Nach der Feststellung des Berufungsgerichts hat der Zedent erst im Oktober 1997 eine prüfbare Schlußrechnung vorgelegt. Damit ist die Forderung erst im Oktober 1997 fällig geworden.
2. Ein Beginn der Verjährung vor Eintritt der Fälligkeit kommt nicht in Betracht.
3. Entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts muß sich die Klägerin nicht nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als habe die Verjährung der Honorarforderung schon mit der Vorlage der nicht prüfbaren Rechnung im Jahre 1992 begonnen. Dazu besteht weder aus allgemeinen Erwägungen (a) noch aufgrund des Verhaltens des Zedenten (b) ein Anlaß.
a) Allerdings wird in der Literatur die Auffassung vertreten, aus Gründen der Billigkeit dürfe der Verjährungsbeginn nicht von der Prüfbarkeit einer Rechnung abhängen, sondern müsse abgesehen von der vertragsgemäßen Leistung durch die Erteilung der Honorarschlußrechnung, selbst wenn sie nicht prüfbar ist, ausgelöst werden (vor allem Locher/Koeble/Frik, HOAI, 7. Aufl. Rdn. 37 zu § 8; Lauer, BauR 1989, 665; ferner Jagenburg, BauR 1988, 155; Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 9. Aufl. Rdn. 2374; Hesse/Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 5. Aufl. Rdn. 70 zu § 8). Dem liegen die Gedanken zugrunde, der Architekt müsse an die in seiner Schlußrechnung liegende Erklärung auch mit Hinblick auf Prüfbarkeit und Verjährung gebunden sein; er dürfe für seine "falsche" Rechnung nicht noch belohnt werden; er dürfe aus seiner eigenen "Pflichtverletzung" keinen Vorteil ziehen, so daß seine Berufung auf die fehlende Prüfbarkeit der selbst gestellten Rechnung rechtsmißbräuchlich sei. Zugleich wird auf die Unsicherheit verwiesen, die sich daraus ergeben könne, daß die Prüfbarkeit einer Honorarrechnung im Zweifel eine Frage des Einzelfalles bleibe, weil die Anforderungen an die Genauigkeit der Rechnung je nach Auftraggeber unterschiedlich sein könnten.
Diesen Überlegungen kann nicht gefolgt werden.
(1) Es liegt auf der Hand, daß es Fälle von Mißbrauch geben kann, die einen Rückgriff auf den Grundsatz von Treu und Glauben verlangen. Beispielsweise hat der Senat entschieden, ein Auftraggeber könne seinem mit der Schlußrechnung säumigen Architekten eine angemessene Frist zur Rechnungsstellung mit der Folge setzen, daß für die Frage der Verjährung nach Treu und Glauben bei weiterer Untätigkeit des Architekten von der Vorlage der Rechnung innerhalb angemessener Frist ausgegangen werden kann (BGH, Urteil vom 19. Juni 1986 - VII ZR 221/85, BauR 1986, 596). Solche Mißbrauchsfälle erlauben es jedoch nicht, ganz allgemein von dem Erfordernis, gemäß § 8 Abs. 1 HOAI eine prüfbare Rechnung vorzulegen, abzusehen und kurzerhand jede als Schlußrechnung bezeichnete Honorarrechnung als Auslöser der Fälligkeit genügen zu lassen. Vielmehr muß in jedem Fall gesondert geklärt werden, worin gegebenenfalls ein Mißbrauch zu sehen ist und welche Rechtsfolgen sich jeweils daraus ergeben.
(2) Auch gewisse Unsicherheiten zur Frage der Prüfbarkeit einer Rechnung, auf die vor allem Hesse u.a., Lauer sowie Locher u.a. (jeweils aaO) verweisen, können es nicht rechtfertigen, die Prüfbarkeit als Voraussetzung der Fälligkeit allgemein fallenzulassen. Diese Unsicherheiten sind nicht so groß, daß sie aus Billigkeitsgründen ein verändertes Verständnis von § 8 Abs. 1 HOAI erlaubten. Es trifft zu, daß die Frage der Prüfbarkeit sich auch anhand der Gegebenheiten des Einzelfalles entscheiden kann (BGH, Urteil vom 18. Juni 1998 - VII ZR 189/97, BGHZ 139, 111; Urteil vom 8. Oktober 1998 - VII ZR 296/97, BauR 1999, 63 = ZfBR 1999, 37). Zugleich ist es richtig, daß der Beginn der Verjährung an klare Voraussetzungen geknüpft sein muß. Daraus ergeben sich aber keine unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit zu behebenden Widersprüche und Mißstände.
(3) Daß die Fälligkeit des Honoraranspruchs und damit der Verjährungsbeginn in gewissem Umfang von den Vertragspartnern abhängt, ist keine Besonderheit des Preisrechts für Architekten. Es ist insbesondere unschädlich, daß der Architekt als Gläubiger auf den Beginn der Verjährung Einfluß nehmen kann. Die Zwecke der Verjährung - Wahrung des Rechtsfriedens, Schutz des Schuldners vor Beweisschwierigkeiten, baldige Klärung von Ansprüchen - stehen nicht entgegen. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, daß bei Ansprüchen mit einer von der Disposition des Gläubigers abhängigen Fälligkeit die Verjährung schon in dem Zeitpunkt beginnen müßte, zu dem der Gläubiger die Fälligkeit hätte herbeiführen können (BGH, Beschluß vom 19. Dezember 1990 - VIII ARZ 5/90, BGHZ 113, 188, 195).
b) Den Feststellungen des Berufungsgerichts läßt sich ein treuwidriges Verhalten auf der Seite der Klägerin nicht entnehmen.
Weder die Überreichung einer nicht prüfbaren Rechnung, noch die späte Vorlage einer prüfbaren Rechnung bedeuten für sich alleine treuwidrige Verhaltensweisen. Für beides kann es verschiedene Gründe geben, die nicht notwendig ein treuwidriges Verhalten des Architekten darstellen. Darüber hinaus bringen Verzögerungen in der Vorlage einer fälligkeitsbegründenden Rechnung für den Auftraggeber nicht nur Nachteile. Insbesondere braucht er, solange die Honorarforderung nicht fällig ist, nicht zu bezahlen.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht möglich, eine bestimmte Zeitspanne als angemessen zu bezeichnen und bei späterer Vorlage der Schlußrechnung von einer treuwidrigen Verhinderung oder Verzögerung des Verjährungsbeginns zu sprechen. Vielmehr müssen zusätzliche Umstände gegeben sein, um aus Gründen von Treu und Glauben rechtliche Folgen der Fälligkeit für einen Zeitpunkt annehmen zu können, in dem eine prüfbare Honorarschlußrechnung noch nicht vorgelegen hat. Ein solcher Umstand kann beispielsweise eine Fristsetzung durch den Auftraggeber sein. Mit ihr kann er die widerstreitenden Interessen dergestalt klären, daß danach eine weitere Untätigkeit des Architekten als treuwidrig erscheinen kann.
Solche weiteren Umstände sind vom Berufungsgericht nicht festgestellt.
Ende der Entscheidung
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