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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 27.03.2008
Aktenzeichen: VII ZR 76/07
Rechtsgebiete: GVG


Vorschriften:

GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b
Der Erlass eines Teilurteils allein gegen den im Inland wohnenden Streitgenossen hat keinen Einfluss auf die Berufungszuständigkeit des Oberlandesgerichts.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 76/07

Verkündet am: 27. März 2008

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. März 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Dr. Kuffer und Bauner, die Richterin Safari Chabestari und den Richter Dr. Eick

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 18. April 2007 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen die Beklagten einen Werklohnanspruch geltend. Der Beklagte zu 1 hatte im Zeitpunkt der Klageerhebung seinen Wohnsitz in der Schweiz.

Das Amtsgericht hat die Klage gegen die Beklagte zu 2 durch Teilurteil als unbegründet abgewiesen, weil sie weder Vertragspartnerin der Klägerin geworden sei noch nach § 1357 BGB oder Rechtscheinsgrundsätzen hafte.

Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht als unzulässig verworfen, weil sie nicht beim nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG funktionell zuständigen Oberlandesgericht eingelegt worden sei.

Hiergegen richtet sich die vom Landgericht zugelassene Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Landgericht führt im Wesentlichen aus, da der Beklagte zu 1 bei Eintritt der Rechtshängigkeit seinen Wohnsitz in der Schweiz gehabt habe, sei gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für die Berufung gegeben gewesen. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass das Amtsgericht die Klage gegen die Beklagte zu 2 durch Teilurteil abgewiesen und die Berufung der Klägerin sich nur hiergegen gerichtet habe.

II.

Das angefochtene Urteil hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.

Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler seine Zuständigkeit für die Berufung gegen das Teilurteil des Amtsgerichts verneint.

1. Seit dem 1. Januar 2002 weist § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG i.d.F. des Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I, 1887 ff.) den Oberlandesgerichten die Zuständigkeit für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel der Berufung und der Beschwerde gegen amtsgerichtliche Entscheidungen in Sachen mit Auslandsberührung zu. Entscheidend ist hierbei nach dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Regelung, ob es sich um eine Streitigkeit über Ansprüche von einer oder gegen eine Person handelt, die im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit erster Instanz ihren allgemeinen Gerichtsstand außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes hatte. Maßgeblich ist hiernach der Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit, also regelmäßig der Zustellung der Klageschrift (§§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO).

Diese Regelung, die aufgrund einer Beschlussempfehlung des Rechts-ausschusses neu gefasst worden ist, trägt dem Umstand Rechnung, dass infolge der Internationalisierung des Rechts und des zunehmenden grenzüberschreitenden Rechtsverkehrs ein großes Bedürfnis nach Rechtssicherheit durch eine obergerichtliche Rechtsprechung besteht (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 2003 - VI ZR 430/02, BGHZ 155, 46, 48; Beschluss vom 19. Februar 2003 - IV ZB 31/02, NJW 2003, 1672). Durch die Zentralisierung der Berufung und der Beschwerde in Streitigkeiten mit internationalem Bezug beim Oberlandesgericht soll die Möglichkeit divergierender Entscheidungen in derartigen Sachen mit tendenziell internationalem Bezug verringert und die bei internationalen Sachverhalten besonders wichtige Rechtssicherheit gestärkt werden. Entsprechend diesem Zweck des Gesetzes, jedenfalls für solche Streitigkeiten eine einheitliche Rechsprechung durch Konzentration der Berufungen bei den gegenüber der Zahl der Landgerichte wenigen Oberlandesgerichten zu erreichen, muss diese Regelung grundsätzlich auch bei Streitgenossenschaft Anwendung finden (BGH, Urteil vom 13. Mai 2003 - VI ZR 430/02, aaO, S. 49).

Nach diesen Grundsätzen war daher das Oberlandesgericht zur Entscheidung über die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts berufen.

2. Daran ändert sich - entgegen der Auffassung der Revision - nichts dadurch, dass das Amtsgericht die Klage gegen die Beklagte zu 2 durch Teilurteil als unbegründet abgewiesen hat und sich allein hiergegen die Berufung der Klägerin richtet.

Zwar ist dann die Partei nicht am Berufungsverfahren beteiligt, deren allgemeiner Gerichtsstand im Ausland die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für das Berufungsverfahren begründet hat. Das berührt jedoch nach dem eindeutigen Wortlaut des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG, der auf den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit gegenüber der Partei mit Auslandsgerichtsstand abstellt, diese Zuständigkeit nicht. Der Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit ist in diesem Sinne nicht nur für die Bestimmung des Gerichtsstands im Ausland als solchem maßgeblich, sondern auch für die in der Norm angeordnete funktionelle Zuständigkeit des Oberlandesgerichts. Spätere, erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgende Veränderungen haben grundsätzlich auf die funktionelle Zuständigkeit des Oberlandesgerichts keinen Einfluss (vgl. Urteil vom 13. Mai 2003 - VI ZR 430/02, aaO, S. 50).

Auch Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung gebieten für eine Fallgestaltung, wie sie hier vorliegt, keine andere Beurteilung.

a) Der Bundesgerichtshof hat allerdings für bestimmte Gruppen von Entscheidungen, in denen trotz des allgemeinen Gerichtsstandes der Partei im Ausland ausschließlich deutsches Recht anzuwenden ist, entschieden, dass aus diesem Grund die besondere Rechtsmittelzuständigkeit des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG nicht greift. Dies gilt für Entscheidungen der Vollstreckungsgerichte in Zwangsversteigerungssachen (BGH, Beschluss vom 19. März 2004 - IXa ZB 23/03, in juris dokumentiert) sowie im allgemeinen Zwangsvollstreckungsverfahren (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2006 - VII ZB 24/06, Rpfleger 2007, 210) deshalb, weil es wegen der aus dem "lex-fori"-Prinzip folgenden Anwendbarkeit deutschen Zwangsvollstreckungsrechts nicht um Fallgestaltungen geht, in denen regelmäßig und typischerweise unter Anwendung der Bestimmungen des Internationalen Privatrechts und des Internationalen Prozessrechts zu entscheiden ist, welches nationale Recht heranzuziehen und wie es gegebenenfalls zu handhaben ist.

b) Mit diesen Fallgruppen ist die hier zu beurteilende Fallgestaltung einer Berufung gegen ein nur die Partei mit Inlandswohnsitz betreffendes Teilurteil nicht vergleichbar. Die durch das Teilurteil erfolgte prozessuale Verselbständigung des gegen diese Partei geführten Berufungsverfahrens führt nicht dazu, dass sich regelmäßig und typischerweise die Probleme der Anwendung von internationalrechtlichen oder auslandsrechtlichen Normen nicht mehr stellen und eine Anwendung des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG bei Verfahrensgestaltungen dieser Art ausscheidet.

aa) Zum einen steht nicht fest, ob es bei der Verselbständigung des Verfahrens gegen diese Partei bleibt, da das Berufungsgericht die Zulässigkeit des Teilurteils sogar von Amts wegen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Oktober 2000 - VIII ZR 109/99, NJW 2001, 155, 156) zu überprüfen hat. Daher stellt sich auch nicht sinngemäß die in der Entscheidung vom 13. Mai 2003 (VI ZR 430/02, aaO, S. 50) offengelassene Frage, ob es die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts berühren kann, wenn die Partei mit allgemeinem Gerichtsstand im Ausland vor Ablauf der Berufungsfrist endgültig, etwa durch Berufungsrücknahme, aus dem Rechtsstreit ausscheidet. Auch für die Fallgruppe der Anfechtung eines Teilurteils gegen die Partei mit Inlandswohnsitz gebietet es das bei der Anwendung von Zuständigkeitsvorschriften im Vordergrund stehende Prinzip der Rechtsmittelklarheit, von der durch § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG angeordneten funktionellen Zuständigkeit des Oberlandesgerichts nicht abzurücken.

bb) Zudem ergibt sich daraus, dass über die Klage gegen die Partei mit Inlandswohnsitz durch Teilurteil entschieden worden ist, keineswegs regelmäßig und typischerweise eine Folgerung dahin, dass für die Rechtsbeziehungen der Parteien dieses Berufungsverfahrens Rechtssätze des Internationalen Privatrechts oder eines ausländischen Rechts keine Rolle spielen können. Auf welcher Rechtsgrundlage und unter Anwendung welcher Rechtsordnung zwischen diesen Parteien zu entscheiden ist, ist eine nur aus dem Einzelfall, nämlich den konkreten Rechtsbeziehungen der Beteiligten heraus zu beantwortende Frage. Auf derartige Umstände des Einzelfalls darf aber schon aus Gründen der Rechtssicherheit bei der Entscheidung der Frage, ob § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG eingreift und die Berufung daher zum Oberlandesgericht einzulegen ist, niemals abgestellt werden.

Ende der Entscheidung

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