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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 26.02.2004
Aktenzeichen: VII ZR 8/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133 C
BGB § 157 Ge
Zum Verständnis einer Vereinbarung, nach der Nutzen und Lasten mit Übergabe des bezugsfertigen Verbrauchermarktes auf den Erwerber übergehen.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 8/03

Verkündet am: 26. Februar 2004

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 2004 durch den Richter Prof. Dr. Thode als Vorsitzenden und die Richter Hausmann, Dr. Wiebel, Prof. Dr. Kniffka und Bauner

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 27. November 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagten verurteilt worden sind, mehr als 53.000 DM (27.098,47 €) nebst 10 % Zinsen seit dem 2. Februar 1999 zu zahlen, und die Widerklage abgewiesen worden ist.

Soweit die Klage durch das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mosbach vom 16. Mai 2001 hinsichtlich eines Betrages von 150.000 DM (76.693,78 €) nebst Zinsen abgewiesen worden ist und der Kläger auf die Widerklage verurteilt worden ist, an die Beklagten 119.700 DM (61.201,64 €) nebst 10 % Zinsen aus 92.955 DM seit dem 16. September 1999 und aus 26.745 DM seit dem 7. Februar 2001 zu bezahlen, wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Im übrigen, Zahlung von 29.344,78 DM (15.003,75 €), wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt den Erwerbspreis und Verzugszinsen aus einem Vertrag über die Errichtung eines Verbrauchermarkts auf einem zu übereignenden Grundstück. Die Beklagten machen mit Aufrechnung und Widerklage einen Anspruch auf Auszahlung vereinnahmter Mieten geltend.

Die Beklagten erwarben von dem Kläger am 9. Oktober 1998 ein Grundstück. Das Grundstück war zu diesem Zeitpunkt mit einer Grundschuld in Höhe von 2.800.000 DM belastet. Der Kläger verpflichtete sich, den teilweise bereits errichteten Verbrauchermarkt bis zum 30. November 1998 fertigzustellen. Der Erwerbspreis betrug 4.060.000 DM. Der Vertrag enthält folgende Regelungen:

"§ 2 (1)

...

Der Kaufpreis ist wie folgt zu entrichten:

1. ein Teilbetrag von 30 % ist fällig innerhalb von zwei Wochen nach Beginn der Erdarbeiten und sobald eine Auflassungsvormerkung zu Lasten des Kaufgegenstandes und zu Gunsten des Käufers im Grundbuch eingetragen ist, und dem Käufer eine Freistellungsverpflichtung gem. § 3 der MaBV von der Dresdner Bank AG. Filiale Darmstadt hinsichtlich der Grundschuld über 2.800.000 DM ausgehändigt ist."

Unter Ziff. 2 dieser Regelung ist die Zahlung weiterer Raten nach Baufortschritt vereinbart.

In § 3 des Vertrages ist geregelt:

"(1)

Die Übergabe des Vertragsgegenstandes erfolgt, sobald dieser bezugsfertig ist und alle bis dahin fälligen Kaufpreisraten einschließlich evtl. Zinsen vom Käufer bezahlt sind.

...

(3)

Mit der Besitzübergabe gehen Nutzen, Lasten und Gefahr auf den Käufer über.

...

(8)

Über das noch zu erstellende Vertragsobjekt sind bereits mit folgenden Firmen Mietverträge abgeschlossen, in welche der Käufer mit allen Rechten und Pflichten eintritt:

...

In diese Mietverträge ... tritt der Käufer mit Wirkung vom Tag der Bezugsfertigstellung an ein."

Am 18. November 1998 erfolgte die Übergabe an die Fa. L., die den Verbrauchermarkt von diesem Zeitpunkt an betrieb. Der Kläger zog die ab dem 1. Januar 1999 fälligen Mieten von der Fa. L. in Höhe von insgesamt 269.700 DM ein.

Die Auflassungsvormerkung für die Beklagten wurde am 25. November 1998 eingetragen. Die Freistellungsbescheinigung der Dresdner Bank wurde der Hausbank der Beklagten am 23. Dezember 1998 übergeben. Zuvor hatte der Kläger dem Notar eine Löschungsbewilligung übermittelt, von der nach Zahlung des Erwerbspreises bis zum 30. Januar 1999 Gebrauch gemacht werden durfte. Der Notar hatte einen Treuhandauftrag insoweit abgelehnt.

Von dem Erwerbspreis von 4.060.000 DM bezahlten die Beklagten 203.000 DM aus verschiedenen Gründen nicht. Der Kläger hat Zahlung des Restwerklohns von 203.000 DM nebst 10 % Zinsen seit dem 2. Februar 1999 und von Verzugszinsen in Höhe von 29.344,78 DM sowie die Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde verlangt. Die Beklagten haben in Höhe von 53.000 DM ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht. Gegenüber der Restforderung von 150.000 DM haben sie mit einem Anspruch auf Auszahlung der vom Kläger eingezogenen Mieten aufgerechnet. Wegen des Restbetrages der eingezogenen Mieten von 119.700 DM nebst Zinsen haben sie Widerklage erhoben.

Das Landgericht hat zur Herausgabe der Bürgschaft verurteilt, die Klage im übrigen abgewiesen und der Widerklage nebst modifizierter Zinsen stattgegeben. Die Herausgabeklage ist nicht in die Berufung gelangt. Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts abgeändert, der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Der Senat hat die Revision zugelassen, soweit die Beklagten verurteilt worden sind, mehr als 53.000 DM (27.098,47 €) nebst 10 % Zinsen seit dem 2. Februar 1999 zu zahlen und soweit die Widerklage abgewiesen worden ist. In diesem Umfang verfolgen die Beklagten ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist im Umfang ihrer Zulassung begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und teilweise zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, teilweise zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Das für das Schuldverhältnis maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht führt aus: Zwischen den Parteien sei unstreitig, daß dem Kläger gegen die Beklagten ein restlicher Kaufpreis von 232.344,78 DM zustehe. Zum Zeitpunkt der Übergabe an die Fa. L. am 18. November 1998 sei die gesamte Restkaufpreisforderung fällig gewesen, da das Vertragsobjekt vollständig fertiggestellt gewesen sei, wesentliche Mängel nicht vorgelegen hätten und die sonstigen Fälligkeitsvoraussetzungen jedenfalls ab Januar 1999 gegeben gewesen seien.

Die Widerklage sei unbegründet. Mit der Übergabe an die Fa. L. habe kein vertragsgemäßer Besitzübergang auf die Beklagten stattgefunden, weil die Beklagten den fälligen Erwerbspreis nicht vollständig gezahlt hätten.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Klage ist unbegründet, soweit die Beklagten mit einem Betrag von 150.000 DM aufgerechnet haben. Die Widerklage ist begründet. Im übrigen (Verzugszinsforderung) führt die Revision zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, soweit das Berufungsgericht die Beklagten zur Zahlung von 53.000 DM nebst Zinsen verurteilt hat. Insoweit ist das Urteil rechtskräftig.

2. Soweit der Kläger die Zahlung des darüber hinaus noch offenen Werklohns von 150.000 DM verlangt, ist die Klage unbegründet. Die Werklohnforderung ist in diesem Umfang unstreitig. Sie ist durch die Aufrechnung der Beklagten mit dem Anspruch auf Zahlung von 150.000 DM erloschen, § 389 BGB. Den Beklagten stand gegen den Kläger ein Anspruch auf Zahlung von 150.000 DM zu.

a) Dieser Anspruch ergibt sich aus dem Vertrag vom 9. Oktober 1998. Darin haben die Parteien vereinbart, daß den Beklagten jedenfalls im Verhältnis der Vertragsparteien zueinander die von der Fa. L. zu entrichtende Miete ab Übergabe des bezugsfertigen Objekts zusteht. Das Berufungsgericht läßt bei seiner gegenteiligen Würdigung den maßgeblichen Inhalt des Vertrages vom 9. Oktober 1998 unberücksichtigt. Der Senat ist deshalb an die gegenteilige Auslegung des Vertrages durch das Berufungsgericht nicht gebunden.

aa) Der Kläger hat nach § 3 Abs. 8 des Vertrages vom 9. Oktober 1998 einen Mietvertrag mit der Fa. L. geschlossen. In diesen Mietvertrag sollten die Beklagten mit Wirkung vom Tag der Bezugsfertigkeit mit allen Rechten und Pflichten eintreten. Diese Rechtsfolge konnte zu diesem Zeitpunkt allerdings nur eintreten, wenn die Fa. L. damit einverstanden war. Dazu fehlen Feststellungen. Darauf kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits auch nicht an. Denn der Vereinbarung zwischen den Parteien ist zu entnehmen, daß den Beklagten jedenfalls in deren Innenverhältnis die Miete zustehen sollte, also auch dann, wenn die Fa. L. nicht zustimmen sollte. Damit korrespondiert im Grundsatz die weitere vertragliche Regelung des § 3 Abs. 3. Danach gehen mit der Besitzübergabe Nutzen, Lasten und Gefahr auf den Käufer über. Aus dem Gesamtzusammenhang dieser Vertragsgestaltung folgt, daß jedenfalls mit Übergabe des bezugsfertigen Verbrauchermarktes die Beklagten die Lasten und die Nutzen übernehmen sollten. Zu den Nutzen gehören die Mieteinnahmen.

bb) Aus § 3 Abs. 1 des Vertrages folgt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht, daß dem Kläger im Innenverhältnis die Mieten zustehen sollten. § 3 Abs. 1 regelt die Verpflichtung zur Übergabe des Verbrauchermarktes. Diese Verpflichtung hängt davon ab, daß die Beklagten alle bis zur Bezugsfertigkeit fälligen Erwerbspreisraten einschließlich eventueller Zinsen bezahlt haben. § 3 Abs. 1 enthält hingegen keine Regelung dazu, wem die Miete für den Fall zusteht, daß der Besitz übergeht und der Verbrauchermarkt genutzt wird. Diese Regelung findet sich vielmehr in § 3 Abs. 3 des Vertrages.

Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, eine Besitzübergabe im Sinne des § 3 Abs. 3 des Vertrages habe nicht stattgefunden. Es kommt nicht darauf an, ob der Kläger verpflichtet war, den Besitz zu übergeben. Maßgeblich ist allein, daß der Besitz am 18. November 1998 übergegangen ist. Ausreichend ist der Besitzübergang auf die Fa. L. als Endnutzerin.

b) Steht den Beklagten nach dem Vertrag vom 9. Oktober 1998 die von der Fa. L. zu zahlende Miete zu, ist der Kläger in ergänzender Auslegung dieser Vereinbarung verpflichtet, etwa eingezogene Mieten an die Beklagten abzuführen. Das gilt jedenfalls dann, wenn eine weitere Inanspruchnahme des Klägers durch die Fa. L., etwa aus ungerechtfertigter Bereicherung, ausgeschlossen ist. Das ist der Fall, denn die Fa. L. hat etwaige Ansprüche auf Rückzahlung der Mieten an die Beklagten abgetreten.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die Übergabe des bezugsfertigen Objekts noch im Jahre 1998 stattgefunden hat, so daß den Beklagten der Mietzins ab dem 1. Januar 1999 zusteht. Der Kläger ist demnach verpflichtet, die von der Fa. L. eingezogenen Mieten für die Monate ab Januar 1999 an die Beklagten abzuführen. Die Beklagten haben in Höhe von 150.000 DM wirksam mit dem entsprechenden vertraglichen Zahlungsanspruch aufgerechnet. Auf den weiteren von der Revision gerügten Rechtsfehler, der darin besteht, daß das Berufungsgericht die Fälligkeit der Restforderung zum Zeitpunkt des Besitzüberganges nicht prüft, sondern lediglich für Anfang Januar 1999 bejaht, kommt es in diesem Zusammenhang nicht mehr an.

2. Aus den vorstehenden Gründen ist die Widerklage begründet. Mit ihr wird der unstreitige Restbetrag der von dem Kläger eingezogenen Mieten in Höhe von 119.700 DM geltend gemacht. Den Beklagten stehen die vom Landgericht ausgeurteilten Verzugszinsen zu. Gegen die entsprechende Verurteilung hat der Kläger nichts erinnert.

3. Soweit der Kläger seinerseits bis zum 2. Februar 1999 angefallene Verzugszinsen geltend macht, kann das Berufungsurteil ebenfalls keinen Bestand haben. Der Hinweis des Berufungsgerichts darauf, es sei zwischen den Parteien unstreitig, daß eine Erwerbspreisforderung von 232.344,78 DM bestehe, ist unzutreffend. Der Kläger hat lediglich eine Erwerbspreisforderung in Höhe von 203.000 DM geltend gemacht. Die restliche Forderung von 29.344,78 DM hat er, wie das Berufungsgericht offenbar verkennt, mit dem Anspruch auf vertragliche Verzugszinsen begründet. Die Verurteilung zur Zahlung dieses Betrages ist vom Berufungsgericht nicht begründet worden, § 547 Nr. 6 ZPO n. F.

Das Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird diesen Anspruch unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen zu prüfen haben. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, daß nach der vertraglichen Regelung die Fälligkeit sämtlicher Raten nicht eintreten konnte, solange die Auflassungsvormerkung nicht eingetragen war und den Beklagten eine Freistellungsverpflichtung gemäß § 3 der MaBV ausgehändigt worden war. Die Freistellungsverpflichtung ist erst am 23. Dezember 1998 übergeben worden. Die Löschungsbewilligung hat die Freistellungsverpflichtung schon deshalb nicht ersetzt, weil die Bindung daran bis zum 30. Januar 1999 begrenzt war.

Ende der Entscheidung

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