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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 16.07.1998
Aktenzeichen: VII ZR 9/97
Rechtsgebiete: AGBG
Vorschriften:
AGBG § 1 Abs. 2 |
a) Eine Vertragsstrafe kann auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart werden; sie braucht als solche nicht individuell ausgehandelt zu werden.
b) Eine Vertragsstrafenklausei mit gesetzesfremdem Gehalt ist nur wirksam, wenn dieser individuell im Sinne der Senatsrechtsprechung ausgehandelt worden ist. Das Aushandeln der gesetzesfremden Einzelheiten ist entscheidend und zugleich auch ausreichend.
BGH, Urteil vom 16. Juli 1998 - VII ZR 9/97 - OLG Braunschweig LG Braunschweig
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 16. Juli 1998
Seelinger-Schardt Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 1998 durch die Richter Prof. Dr. Thode, Prof. Quack, Dr. Wiebel, Dr. Kuffer und Dr. Kniffka
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 3. Dezember 1996 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand:
Die Klägerin hat für den Beklagten Rohbauarbeiten erbracht. Ihre restliche Werklohnforderung ist mit 140.773,40 DM unstreitig. Der Beklagte ist der Auffassung, er könne mit einer von der Klägerin geschuldeten Vertragsstrafe aufrechnen. Unter Ziffer 3 der Besonderen Vertragsbedingungen haben die Parteien vereinbart:
"Bei unbegründeter Überschreitung der vereinbarten Ausführungsfrist ist der Auftraggeber berechtigt, 5 0/00 je Werktag, beginnend mit dem Tag, der auf die vereinbarte Ausführungsfrist folgt, von der Gesamtsumme einzubehalten. Als "unbegründet" gilt jede Verzögerung, die nicht mit genauer Angabe in schriftlicher Form vor Terminablauf dem Auftraggeber mitgeteilt wurde."
Diese Klausel hat der Beklagte in mindestens sechs weiteren Bauverträgen verwendet.
Beide Vorinstanzen haben offengelassen, in welchem Umfang die vereinbarte Ausführungsfrist "unbegründet" überschritten worden ist. Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben, weil der Beklagte keine aufrechenbare Gegenforderung habe. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich dessen Revision, mit der weiterhin Klageabweisung insgesamt begehrt wird.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet.
I.
1. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Vertragsstrafenklausel sei eine Allgemeine Geschäftsbedingung des Beklagten, die wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam sei, weil sie keine Obergrenze der Vertragsstrafe enthalte. Dem Beklagten sei der Beweis seiner Behauptung nicht gelungen, die Klausel sei individuell mit der Klägerin ausgehandelt worden. Es sei nicht erwiesen, daß der Beklagte die Vertragsbedingung ernsthaft zur Disposition gestellt habe. Daß er möglicherweise die konkrete Ausgestaltung der Klausel, beispielsweise die Strafhöhe, zur Disposition gestellt haben könnte, genüge nicht. Die Vertragsstrafenklausel hätte, um als ausgehandelt gelten zu können, von Grund auf und nicht nur hinsichtlich der Modalitäten zur Disposition gestellt werden müssen.
2. Das hält der rechtlichen Überprüfung teilweise nicht stand.
Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß der Beklagte als Verwender der Vertragsstrafenklausel die individuelle Vereinbarung mit der Klägerin gegebenenfalls zu beweisen hat. Zu Recht nimmt das Berufungsgericht ferner an, daß zum Aushandeln einer Vertragsbedingung im Sinne des § 1 Abs. 2 AGBG gehört, den gesetzesfremden Kern der Klausel ernsthaft zur Disposition der verhandelnden Parteien zu stellen und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einzuräumen mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen beeinflussen zu können (vgl. Senatsurteil vom 25. Juni 1992 - VII ZR 128/91, NJW 1992, 2759, 2760 = BauR 1992, 794, 795 = ZfBR 1992, 275).
Es trifft dagegen nicht zu, daß der Beklagte die Vertragsstrafenklausel "von Grund auf" hätte zur Disposition stellen und dieses hätte nachweisen müssen. Im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts sind hier lediglich die "Modalitäten" entscheidend. Dazu gehört nicht nur die fehlende Bestimmung zur Strafhöhe, sondern auch die Regelung zur Verschuldensunabhängigkeit. Lediglich dieser gesetzesfremde Kern der Klausel muß ausgehandelt worden sein, damit sie als Individualvereinbarung angesehen werden kann.
Ob die Parteien eine Vertragsstrafe als solche individuell oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart haben, ist für die Wirksamkeit der Strafklausel zunächst ohne Bedeutung. Nach der Senatsrechtsprechung ist gegen Vertragsstrafenvereinbarungen in Bauverträgen grundsätzlich nichts einzuwenden. Das gilt auch, wenn die Vertragsstrafenvereinbarung in Allgemeinen Vertragsbedingungen enthalten ist (Senatsurteil vom 18. November 1982 - VII ZR 305/81, BGHZ 85, 305, 308). Dementsprechend brauchte der Beklagte nicht nachzuweisen, daß sein Wunsch, überhaupt eine Vertragsstrafe vorzusehen, zur Disposition gestellt und zum Gegenstand individueller Vereinbarung gemacht worden ist.
Nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen erheblich ist erst, was für eine Vertragsstrafe im Einzelfall vorgesehen und ob deren Ausgestaltung mit § 9 AGBG vereinbar ist. Hierzu hat der Senat wiederholt entschieden, daß unbeschadet der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Vertragsstrafenklausel auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen deren Einzelbestimmungen einen Verstoß gegen das AGB-Gesetz darstellen können (vgl. beispielsweise zum Fehlen einer angemessenen Begrenzung der Vertragsstrafe nach oben Senatsurteile vom 22. Oktober 1987 - VII ZR 167/86, BauR 1988, 86, 87 = ZfBR 1988, 84 und vom 19. Januar 1989 - VII ZR 348/87, BauR 1989, 327 = ZfBR 1989, 102). Dementsprechend muß geklärt werden, ob insoweit eine Allgemeine Geschäftsbedingung oder eine individuelle Vereinbarung vorliegt. Gerade diesen entscheidenden Punkt hat das Berufungsgericht jedoch offengelassen. In der Meinung, es genüge ohnehin nicht für ein Aushandeln, hat es nicht festgestellt, ob der Beklagte die konkrete Ausgestaltung der Vertragsstrafenklausel zur Disposition gestellt und damit zum Gegenstand individueller Vertragsverhandlungen gemacht hat. Diese Feststellung wird das Berufungsgericht nachzuholen haben.
Zu Unrecht verweist das Berufungsgericht im übrigen auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27. März 1991 (IV ZR 90/90, NJW 1991, 1678). Der dort zugrundeliegende Fall ist mit dem hier zu Entscheidenden nicht vergleichbar. Der qualifizierte Alleinauftrag für einen Makler, um den es in der genannten Entscheidung ging, kann im Gegensatz zur Vertragsstrafe als solcher nicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart werden; die deshalb unwirksame Klausel wird nicht dadurch zur wirksamen Individualvereinbarung, daß die Höhe der Maklerprovision zur Disposition gestellt worden ist (aaO 1679). Für die allgemein zulässige Vereinbarung einer Vertragsstrafe dagegen entscheidet allein deren Ausgestaltung im einzelnen. Dementsprechend ist entscheidend und übrigens auch ausreichend, wenn diese Einzelheiten ausgehandelt worden sind.
II.
Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben; es ist aufzuheben. Da weitere Feststellungen erforderlich sind, ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Sofern sich ergibt, daß die gesetzesfremden Einzelbestimmungen der Vertragsstrafenklausel nicht ausgehandelt worden sind, ist die Klausel unwirksam.
Ende der Entscheidung
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