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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 22.10.1998
Aktenzeichen: VII ZR 91/97
Rechtsgebiete: HOAI, BGB


Vorschriften:

HOAI § 68
HOAI §73
BGB § 631
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 91/97

Verkündet am: 22. Oktober 1998

Seelinger-Schardt Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

HOAI §§ 68, 73; BGB § 631a)

Die HOAI enthält keine normativen Leitbilder für den Inhalt von Architekten- und Ingenieurverträgen.b) Die Auslegung des Werkvertrages und der Inhalt der vertraglichen Verpflichtungen des Architekten oder Ingenieurs können nicht in einem Vergleich der Gebührentatbestände der HOAI und der vertraglich vereinbarten Leistungen bestimmt werden.

BGH, Urteil vom 22. Oktober 1998 - VII ZR 91/97 - OLG Braunschweig LG Braunschweig


Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. Oktober 1998 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Quack, Prof. Dr. Thode, Dr. Wiebel und Dr. Kuffer

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 30. Januar 1997 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand:

I.

Das klagende Land (künftig: der Kläger) verlangt von den Beklagten Schadensersatz in Höhe von 302.811,30 DM und Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz weiterer Schäden.

II.

Der Kläger hatte im Jahre 1988 mit dem Beklagten zu 1 und B., dessen Erben die Beklagten zu 2 und 4 (künftig allgemein: die Beklagten) sind, mehrere Verträge zur Grundinstandsetzung des Bühnenhauses des Staatstheaters B. geschlossen, unter anderem den Vertrag über "Technische Ausrüstung" vom 22. Januar 1988/2. August 1988. Die Baumaßnahme wurde von der Firma S. ausgeführt, die inzwischen in Konkurs gegangen ist. Der Streitgehilfe zu 1 der Beklagten, der TÜV ..., hatte am 23. August 1991 eine Abnahmeprüfung vorgenommen.

Am 24. April 1995 hatten Bühnenarbeiter auf der Hauptbühne das Stück einer größeren Schraube gefunden. Tags darauf fiel das schwere Hinterbühnentor auf die Bühne. Ursächlich dafür war ein Versagen der geschraubten Verbindung des Seilrollenblocks mit dem Antriebsrahmen. Der Seilrollenblock war nach den Feststellungen des Sachverständigen mit zu kurzen Schrauben und ohne Unterlagscheiben ausgeführt, die Muttern waren nicht gegen Lockern gesichert.

III.

Der Kläger legt den Beklagten Fehler bei der Planung und Objektüberwachung zur Last. Schäden in Höhe von 302.811,30 DM stünden bereits fest, weitere könnten noch nicht abschließend beziffert werden.

Die Leistungs- und Feststellungsklage ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger die Ansprüche weiter.Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, Schäden, die der Sachverständige auf eine fehlerhafte Ausführungsplanung zurückführe, fielen nicht in den Verantwortungsbereich der Beklagten. Die Beklagten hätten auch nicht ihre Pflichten bei der Objektüberwachung verletzt. Ihnen hätten schadensursächliche Verstöße gegen die Regeln der Technik oder der einschlägigen Vorschriften nicht schon während der Ausführung im Rahmen der Bauleitung auffallen müssen. Soweit gehe der Umfang der Überwachungspflichten, wie er sich aus § 73 Abs. 3 Nr. 8 HOAI ergebe, nicht. Diese seien von der fachtechnischen Abnahme, welche von den Beklagten nicht übernommen worden sei, abzugrenzen. Die Beklagten hätten sich darauf verlassen dürfen, daß Mängel in der Verschraubung bei der technischen Abnahme erkannt würden.

Den Beklagten könne auch nicht vorgeworfen werden, sie hätten die Mängel der Verbindungen bei der Abnahme feststellen müssen. Sie seien vertraglich nur zum "Mitwirken bei der Abnahme der Leistungen" verpflichtet gewesen. Von den Aufgaben in dem hier entscheidenden Bereich, nämlich der Feststellung von Mängeln bei der fachtechnischen Abnahme, seien die Beklagten befreit gewesen. Zudem habe der Kläger auf ihre Empfehlung die technische Prüfung dem Streitgehilfen zu 1 übertragen. Aufgrund der einvernehmlichen Handhabung könnten den Beklagten Fehler bei der Mitwirkung der Abnahme der Leistung nicht angelastet werden.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung weitgehend nicht stand. Das Berufungsgericht geht rechtsfehlerhaft davon aus, daß die Beklagten ihre Pflicht zur Objektüberwachung nicht verletzt haben. Es begrenzt den Umfang der Überwachungspflichten zum Teil unrichtig durch einen Rückgriff auf § 73 HOAI (1.) und verneint im übrigen rechtsfehlerhaft Vertragspflichten der Beklagten zur Objektüberwachung (Bauüberwachung) aus 3.6.1 des Vertrages über "technische Ausrüstung" (2.).

1. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 24. Oktober 1996 - VII ZR 283/95 = BGHZ 133, 399 = ZfBR 1997, 74 = BauR 1997, 154) enthält die HOAI keine normativen Leitbilder für den Inhalt von Architekten- und Ingenieurverträgen. Für die Frage, was der Architekt oder Ingenieur zu leisten hat, ist allein der geschlossene Werkvertrag nach Maßgabe der Regelungen des BGB und der dazu im einzelnen getroffenen Vereinbarung von Bedeutung. Die Auslegung des Werkvertrages und der Inhalt der vertraglichen Verpflichtungen des Architekten oder Ingenieurs können nicht in einem Vergleich der Gebührentatbestände der HOAI und der vertraglich vereinbarten Leistungen bestimmt werden.

Verfehlt ist deshalb der Ansatzpunkt des Berufungsgerichts, aus der Tatsache, daß die vertragliche Vereinbarung der Parteien nicht auch die in § 73 Abs. 3 Nr. 8 HOAI erwähnte "Fachtechnische Abnahme der Leistungen und Feststellen der Mängel" enthalte, sei zu schließen, die Beklagten seien zur Überprüfung der technischen Vorrichtungen für die Funktionstüchtigkeit des Hinterbühnentors, insbesondere der Übereinstimmung der Antriebsvorrichtung mit den technischen Regeln nicht verpflichtet. Diese Verpflichtung ist vielmehr Inhalt der vertraglichen Absprache.

2. a) Zur Objektüberwachung (Bauüberwachung) gehört nach 3.6.1 des Vertrages u.a. das Überwachen der Ausführung des Objekts mit den Ausführungsplänen, den anerkannten Regeln der Technik und den einschlägigen Vorschriften. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts läßt sich der Vertrag nicht einschränkend dahin auslegen, daß die Objektüberwachung nicht für solche Mängel gilt, die erst bei ruhiger Prüfung der Leistung im Detail erkennbar werden. Diese Auslegung läßt sich nicht aus dem Wortlaut des Vertrages herleiten. Sie entspricht nicht Sinn und Zweck des Vertrages und widerspricht den Maßstäben, die der Senat (Urteil vom 10. Februar 1994 - VII ZR 20/93 = BGHZ 125, 111 = ZfBR 1994, 131 = BauR 1994, 392) an die Bauaufsicht des Architekten stellt. Zu der fehlerfreien Überwachung gehört hier die fachliche Überprüfung der technischen Unterlagen auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit sowie der Übereinstimmung der Ausführung mit den Plänen.

b) Aus den oben ausgeführten Gründen (II. 1.) im Ansatz schon verfehlt ist die Auslegung des Begriffes der Abnahme in 3.6.1 des Vertrages im Sinne einer nicht den Beklagten obliegenden fachtechnischen Abnahme. Der Vertrag läßt sich auch nicht dahin verstehen, daß die Beklagten durch die Formulierung "Mitwirken bei der Abnahme der Leistungen" in dem "hier entscheidenden Bereich ..., nämlich der Feststellung von Mängeln bei der fachtechnischen Abnahme" befreit gewesen wären. Eine derartige Einschränkung läßt sich dem Vertrag nicht entnehmen. Dagegen spricht, daß das Mitwirken bei der Abnahme im Vertrag selbst näher u.a. dahin beschrieben wird, daß dazu insbesondere gehören: Vorbereiten der rechtsgeschäftlichen Abnahme und Teilnahme daran, Prüfen der Leistungen auf vertragsgemäße Erfüllung, Feststellen und Auflisten der Mängel, Überwachen der Beseitigung der bei der Abnahme der Leistung festgestellten Mängel.

3. Verfehlt ist auch die Annahme, durch die Empfehlung an den Kläger, die "technische Prüfung" dem Streitgehilfen zu 1 zu übertragen, könnten den Beklagten Fehler beim "Mitwirken bei der Abnahme der Leistungen" nicht vorgeworfen werden; denn durch die Empfehlung ist ihre eigene vertragliche Verpflichtung weder ausdrücklich noch konkludent aufgehoben worden.

III.

Nach alledem ist die Sache an das Berufungsgericht zur weiteren Sachaufklärung zurückzuverweisen. Insbesondere fehlen bislang Feststellungen dazu, ob der technische Mangel der Verbindung von Antriebsrahmen und Antrieb von den Beklagten hätte erkannt werden müssen. Anders als die Revisionserwiderung meint, durften sich die Beklagten dabei nicht auf die Prüfung allein der Montage- und Werkstattzeichnungen beschränken, sondern hatten auch die Einhaltung der technischen Regeln vor Ort, insbesondere zur Ausführung der Schraubverbindung zu prüfen. Gegebenenfalls wird sich das Berufungsgericht auch mit der Frage des Mitverschuldens des Klägers zu befassen haben.



Ende der Entscheidung

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