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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 07.06.2006
Aktenzeichen: VIII ZB 108/05
Rechtsgebiete: ZPO, RVG
Vorschriften:
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 2 | |
RVG VV Nr. 3104 |
Entscheidung wurde am 22.08.2006 korrigiert: ein amtlicher Leitsatz wurde hinzugefügt und die Veröffentlichungshinweise geändert
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 7. Juni 2006
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Juni 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert, die Richter Dr. Leimert, Dr. Wolst und Dr. Frellesen sowie die Richterin Hermanns beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 28. November 2005 aufgehoben.
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenbeamte des Landgerichts Nürnberg-Fürth angewiesen, den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16. September 2005 dahin abzuändern, dass die vom Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Anwaltskosten hinsichtlich der Terminsgebühr aus dem Streitwert von 122.455,66 € (Entscheidung vom 18. Januar 2005) nach RVG VV Nr. 3104 zu berechnen sind und dieser Betrag um die Hälfte der Gebührendifferenz aus den Gegenstandswerten 220.125,29 € und 122.455,66 € zu erhöhen ist.
Im Übrigen werden die Rechtsmittel der Klägerin zurückgewiesen.
Von den Kosten der Rechtsmittelverfahren haben die Klägerin 1/3, der Beklagte 2/3 zu tragen.
Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 1.605,30 €.
Gründe:
I.
Die Klägerin hat ein Versäumnisurteil vom 18. Januar 2005 nach § 331 Abs. 3 ZPO über eine Klageforderung von 122.455,66 € erwirkt. Nachdem der Beklagte hiergegen Einspruch eingelegt und Widerklage erhoben hatte, wodurch der Streitwert auf 220.125,29 € erhöht worden ist, hat das Landgericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt. Zu diesem Termin vom 19. Juli 2005 ist der Beklagte nicht erschienen, und er hat sich auch nicht ordnungsgemäß vertreten lassen. Das Landgericht hat antragsgemäß zur Klageforderung ein zweites Versäumnisurteil und zur Widerklage ein erstes Versäumnisurteil erlassen. Im Kostenfestsetzungsverfahren hat das Landgericht die anwaltliche Terminsgebühr des Prozessbevollmächtigten der Klägerin lediglich gemäß RVG VV Nr. 3105 mit einem Satz von 0,5 aus dem höheren Streitwert festgesetzt. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der sie die Festsetzung einer Terminsgebühr zu einem Satz von 1,2 nach RVG VV Nr. 3104 erreichen möchte, hat das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in NJW 2006, 1527 f. abgedruckt ist, zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
II.
Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist überwiegend begründet. Zu Recht begehrt die Klägerin die Festsetzung ihrer Terminsgebühr nach RVG VV Nr. 3104, soweit es sich bei der Entscheidung vom 19. Juli 2005 um ein zweites Versäumnisurteil handelt.
1. Ist nach Erlass eines Versäumnisurteils und nach Einspruch durch den Gegner dieser im daraufhin anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung weder erschienen noch ordnungsgemäß vertreten, so ist nach einer Auffassung gleichwohl die ermäßigte Terminsgebühr nach RVG VV Nr. 3105 zu berechnen, auch wenn derselbe Prozessbevollmächtigte bereits das erste Versäumnisurteil erwirkt hat (Hansens, JurBüro 2004, 243 ff. - 251 -; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., § 15 RVG Rdnr. 20). Nach anderer Ansicht ist in einem solchen Fall für die Terminsgebühr RVG VV Nr. 3104 einschlägig, das heißt, es ist ein Gebührensatz von 1,2 festzusetzen (OLG Celle NJW 2005, 1283 f.; OLG München, AGS 2006, 163 m.Anm. Schons; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 345 Rdnr. 7; Mayer in Mayer/Kroiß, RVG VV Nr. 3105 Rdnr. 3; nunmehr auch Hansens, Anm. zu LG Düsseldorf, RVGreport 2005, 474 f.).
2. Die letztgenannte Ansicht trifft zu. Zwar ist dem Beschwerdegericht darin zuzustimmen, dass der Wortlaut der Nr. 3105 nicht eindeutig ist. Dennoch spricht eine daran anknüpfende Auslegung gegen die Auffassung des Beschwerdegerichts. Denn das Wort "nur" in Nr. 3105 wäre überflüssig und könnte gestrichen werden, wenn die Norm auch bei mehrmaligen Terminen einschlägig wäre. Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift weist eher in diese Richtung. In der Gesetzesbegründung zu Nr. 3105 heißt es (BT-Drucks. 15/1971, S. 212):
"Findet nur ein Termin zur mündlichen Verhandlung statt und ergeht daraufhin Versäumnisurteil, soll nur eine Terminsgebühr in Höhe von 0,5 anfallen ... ."
Es liegt nahe anzunehmen, der Gesetzgeber habe damit ausdrücken wollen, wenn nur ein einziger Termin stattfinde, greife diese Vorschrift ein. Zudem stellt die Gesetzesbegründung (aaO) ausdrücklich fest, die verminderte Terminsgebühr nach Nr. 3105 trage dem in der Regel geringeren Aufwand des Rechtsanwalts in diesen Fallkonstellationen Rechnung. Die Vorbereitung und Präsenz in einem zweiten Termin zur mündlichen Verhandlung übersteigt aber deutlich den von Nr. 3105 jedenfalls typischerweise unterstellten Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts.
Aus dem Umstand, dass das erste Versäumnisurteil nach § 331 Abs. 3 ZPO und damit nicht in einem Termin zur mündlichen Verhandlung erging, ergibt sich nichts anderes. Aus Nr. 3105 Abs. 1 Nr. 2 RVG VV folgt, dass ein nach § 331 Abs. 3 ZPO erwirktes Versäumnisurteil hier nicht anders zu behandeln ist als ein Versäumnisurteil nach § 331 Abs. 1 ZPO.
Die Terminsgebühr ist daher, soweit ein zweites Versäumnisurteil erlassen ist, nach RVG VV Nr. 3104 zu berechnen.
3. Die Rechtsbeschwerde ist allerdings nur teilweise begründet. Da das Urteil vom 19. Juli 2005 nur in Höhe von 122.455,66 € ein zweites Versäumnisurteil ist, kann die anwaltliche Terminsgebühr nach RVG VV Nr. 3104 nicht aus dem Gegenstandswert dieser Entscheidung errechnet werden. Die Gebühr für den Termin vom 19. Juli 2005 ist vielmehr zunächst aus dem Streitwert von 122.455,66 € zu berechnen. Der sich daraus ergebende Betrag ist sodann um die Hälfte der Differenz einfacher Gebühren aus den Gegenstandswerten 220.125,29 € und 122.455,66 € zu erhöhen. Die Gebühr aus dem höheren Streitwert beträgt 1.934 €, diejenige aus dem niedrigeren Streitwert 1.431 €. Die Differenz beider Werte ergibt 503 €. Die Hälfte hiervon beträgt 251,50 €. Um den letztgenannten Betrag ist die 1,2-Gebühr aus 122.455,66 € zu erhöhen: 1.717,20 € + 251,50 € = 1.968,70 €. Dieser Betrag ist der Klägerin als Terminsgebühr insgesamt von dem Beklagten zu erstatten.
4. Die Rechtsbeschwerde der Klägerin ist nach alledem teilweise zurückzuweisen. Die Klägerin hatte als weitere Terminsgebühr 1.605,30 € gefordert. Nachdem ihr bereits in den Vorinstanzen 967 € zugesprochen wurden, stehen ihr noch weitere 1.001,70 € nebst Zinsen zu.
Im Übrigen werden die Rechtsmittel der Klägerin zurückgewiesen.
Ende der Entscheidung
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