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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.07.2003
Aktenzeichen: VIII ZB 26/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 519 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VIII ZB 26/03

vom 29. Juli 2003

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Juli 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Hübsch, Dr. Beyer, Wiechers und Dr. Wolst

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluß des Landgerichts Berlin, Zivilkammer 62, vom 10. Februar 2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Berufung an das Berufungsgerichts zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens vorbehalten bleibt.

Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren: 4.797,20 €

Gründe:

I.

Durch das am 11. Oktober 2002 verkündete und ihm am 23. Oktober 2002 zugestellte Urteil wurde der Beklagte verurteilt, an die klagende Genossenschaft 1.918,88 € nebst Zinsen zu zahlen und die von der Klägerin gemietete Wohnung in der V. straße in B. zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben. Mit einem am 22. November beim Berufungsgericht eingegangenem Telefax hat der Beklagte Berufung eingelegt. In der Berufungsschrift, der eine Abschrift der erstinstanzlichen Entscheidung beigefügt war, war als Beklagter und Berufungskläger W. (statt F. ) Sch. bezeichnet.

Durch Beschluß vom 10. Februar 2003 hat das Landgericht die Berufung als unzulässig verworfen und zur Begründung ausgeführt, eine zweifelsfreie Auslegung der Berufungsschrift im Sinne einer Berufungseinlegung durch den Beklagten sei innerhalb der Berufungseinlegungsfrist wegen der Falschbezeichnung (Vorname W. N. statt F. ) nicht möglich gewesen.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist kraft Gesetzes statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist auch im übrigen zulässig, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. ZPO).

Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Der der Berufungsschrift anhaftende Mangel führt nicht zur Formunwirksamkeit der eingelegten Berufung. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war die Person des Berufungsführers hinreichend bestimmt. Die Berufungsschrift genügte damit dem Erfordernis des § 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

a) Allerdings dürfen im Interesse der Rechtsklarheit an die Angaben in der Berufungsschrift keine zu geringen Anforderungen gestellt werden. Es ist anerkannt, daß eine vollständige Bezeichnung die Angabe der Parteien, des Gerichts, das das angefochtene Urteil erlassen hat, des Verkündungsdatums und des Aktenzeichens erfordert. Nicht jede Ungenauigkeit, die eine Berufungsschrift bei einzelnen Angaben enthält, führt jedoch zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Fehlerhafte oder unvollständige Angaben schaden nicht, wenn aufgrund der sonstigen erkennbaren Umstände für Gericht und Prozeßgegner nicht zweifelhaft bleibt, welches Urteil von wem angefochten wird (BGH, Beschluß vom 25. Februar 1993 - VII ZB 22/92, NJW 1993, 1719 unter II, 1; Urteil vom 11. Januar 2001 - III ZR 113/00, NJW 2001, 1070 unter II, 1; Beschluß vom 24. April 2003 - III ZB 94/02, NJW 2003, 1950 unter II, 2a). Ob ein solcher Fall gegeben ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

b) Im vorliegenden Fall ermöglichte es neben den übrigen Angaben in der Berufungsschrift insbesondere die anliegende Abschrift des erstinstanzlichen Urteils, ohne Schwierigkeiten festzustellen, für wen das Rechtsmittel eingelegt werden sollte. Zwar war der in der Berufungsschrift angegebene Vorname des Beklagten und Berufungsklägers nicht mit dem im Ersturteil angegebenen Vornamen des Beklagten identisch. Jedoch lag die Vermutung nahe, daß es sich insoweit um eine fehlerhafte Angabe handeln würde. Zur Gewißheit mußte sich diese Vermutung verdichten, wenn das Berufungsgericht - wozu es gehalten war - das nur wenige Seiten umfassende Urteil des Amtsgerichts durchgesehen hätte. Denn auf Seite 3 des Urteils wird, worauf der Beschwerdeführer zutreffend hinweist, unter anderem ausgeführt:

"Der Beklagte bevollmächtigte seinen Vater W. Sch. (Hervorhebung nicht im Original) mit seiner Vertretung in der Mietangelegenheit."

Die vom Landgericht erwogene Möglichkeit, der Beklagte sei nach Verkündung des Urteils erster Instanz verstorben und W. Sch. wolle als Erbe mit der Berufungseinlegung zugleich die Aufnahme des Rechtsstreits verfolgen, war rein theoretisch, insbesondere, da die Berufungsschrift von einem Rechtsanwalt gefertigt worden war, von dem eine Erklärung über eine etwaige Rechtsnachfolge (vgl. § 246 ZPO) zu erwarten gewesen wäre. Für das Berufungsgericht konnte kein vernünftiger Zweifel daran aufkommen, daß es sich nur um eine versehentliche Falschbezeichnung des Vornamens des Beklagten handeln konnte.

3. Der angefochtene Beschluß kann daher keinen Bestand haben; die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.



Ende der Entscheidung

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