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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.07.1998
Aktenzeichen: VIII ZR 1/98
Rechtsgebiete: AGBG


Vorschriften:

AGBG § 9 (Ba und Cf)
AGBG § 11 Nr. 3
AGBG §§ 9 (Ba und Cf), 11 Nr. 3

Die im Versandhandel mit neuen Waren gegenüber Nichtkaufleuten verwendeten Klauseln

"Bei Lieferung gegen Nachnahme übernimmt der Käufer die Nachnahmekosten."

und

"Offensichtliche Mängel an der gelieferten Ware sind der ... (Verkäuferin) innerhalb einer Woche nach Erhalt vorzubringen."

halten der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz nicht stand.

BGH, Urteil vom 8. Juli 1998 - VIII ZR 1/98 - OLG Stuttgart LG Ellwangen/Jagst


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL

VIII ZR 1/98

Verkündet am: 8. Juli 1998

Mayer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juli 1998 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Zülch, Dr. Beyer, Dr. Leimert und Wiechers

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 1997 aufgehoben und das Schlußurteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Ellwangen/Jagst vom 11. Juni 1997 abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagten werden verurteilt, es zu unterlassen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Kaufverträgen über neue Waren, die nicht mit einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgeschäfts, mit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder mit einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen geschlossen werden, folgende oder inhaltsgleiche Klauseln zu verwenden oder sich auf diese Klauseln zu berufen:

1. Bei Lieferung gegen Nachnahme übernimmt der Käufer die Nachnahme-Kosten.

2. Offensichtliche Mängel an der gelieferten Ware sind der Natur-Textilien innerhalb einer Woche nach Erhalt vorzubringen.

Den Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu DM 500.000 - ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Wochen - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist ein eingetragener Verein mit der satzungsmäßigen Aufgabe, Verbraucherinteressen wahrzunehmen. Die Beklagten vertreiben Bett-Textilien aus Naturhaar, wobei die Bestellungen durch Außendienstmitarbeiter aufgenommen werden. Die entsprechenden Verträge sind formularmäßig gestaltet. Auf der Vorderseite findet sich neben der Telefon- und Telefaxnummer der Beklagten die Erklärung der Käufer, daß sie "laut Aufstellung unter Anerkennung der umseitigen Verkaufs- und Lieferbedingungen" die einzufügenden Waren bzw. Stückzahlen bestellen. Das Formular enthält unter anderem ein Feld, in das der "Gesamt- Barpreis" einzutragen ist und ein solches für den "Gesamt-Teilzahlungspreis". Ferner enthalten die Verträge folgende Formularklauseln:

1. Bei Lieferung gegen Nachnahme übernimmt der Käufer die Nachnahme-Kosten (Nr. 1 Abs. 2).

2. Offensichtliche Mängel an der gelieferten Ware sind der Natur-Textilien innerhalb einer Woche nach Erhalt vorzubringen (Nr. 3 Abs. 1).

Nach erfolgloser Abmahnung begehrt die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit von den Beklagten, die Verwendung dieser und zweier weiterer Klauseln im Rechtsverkehr gegenüber Privatkunden zu unterlassen.

Das Landgericht hat den Beklagten die Verwendung von zwei Klauseln, die nicht mehr Gegenstand des Rechtsmittelzuges sind, durch Anerkenntnis-Teilurteil untersagt und die Klage durch Schlußurteil im übrigen abgewiesen. Die Berufung der Klägerin gegen das Schlußurteil blieb erfolglos.

Mit der zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Klageziel hinsichtlich der beiden noch streitigen Klauseln weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Da die Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten waren, ist über die Revision der Klägerin antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht dieses Urteil aber nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf der Prüfung des gesamten noch erheblichen Sach- und Streitstandes (BGHZ 37, 79, 81 f).

II.1. Die erste Klausel hält das Berufungsgericht für wirksam. Sie regele zum einen, daß die Vertragsabwicklung im Wege der Nachnahme erfolgen könne; zum anderen ordne sie an, daß in diesem Falle der Käufer die Nachnahmekosten zu tragen habe. Soweit dem Verkäufer die Vertragsabwicklung per Nachnahme gestattet sei, sei die Klausel nicht zu beanstanden. Ein Änderungsvorbehalt gemäß § 10 Nr. 4 AGBG könne hierin nicht gesehen werden; bei der Vertragsabwicklung per Nachnahme werde die den § 320 f BGB zugrundeliegende Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung gewahrt. Die Klausel verstoße auch nicht gegen § 11 Nr. 2 a, 2 b und 3 AGBG. Bei der Lieferung gegen Nachnahme sei der Käufer zur Vorleistung verpflichtet, weswegen § 11 Nr. 2 a AGBG schon nach seinem Wortlaut keine Anwendung finde. Der Käufer wisse, daß er die Ware vor der Ablieferung nicht untersuchen könne, was auf den Besonderheiten des Versandhandels beruhe. § 11 Nr. 3 AGBG sei nicht einschlägig, da es um ein Teilzahlungsgeschäft gehe. Eventuelle Mängelrechte könnten den späteren Raten gegenüber eingewendet werden. Ein Verstoß gegen § 9 AGBG liege nicht vor. Die Lieferung gegen Nachnahme gewährleiste bei Versandhandel gerade die Verknüpfung Zug-um-Zug. Die Kostentragungsverpflichtung zu Lasten des Käufers sei ebenfalls nicht zu beanstanden.

2. Diese Ausführungen halten in einem entscheidenden Punkt der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Nicht zu beanstanden ist freilich die Auslegung der Klausel durch das Berufungsgericht. Sie regelt zum einen die Modalitäten der Vertragsabwicklung - Befugnis der Beklagten, die bestellte Ware per Nachnahme auszuliefern und zum anderen die Kostentragung dafür. Dies wird von der Revision auch hingenommen.

b) Ob die Klausel, wie die Revision meint, deshalb unwirksam ist, weil die Belastung der Käufer mit den Nachnahmekosten schon für sich gesehen gegen das AGB-Gesetz verstößt, kann dahingestellt bleiben. Die Klausel hält insgesamt deswegen der inhaltlichen Überprüfung nicht stand, weil die durch sie eingeräumte Befugnis der Beklagten zur Lieferung gegen Nachnahme nicht im Einklang mit den Vorschriften des AGB-Gesetzes steht und damit auch die Kostentragungspflicht hinfällig wird.

Einen Verstoß gegen § 11 Nr. 2 a AGBG hat das Berufungsgericht allerdings zutreffend verneint. Bei einer Lieferung gegen Nachnahme besteht eine Vorleistungspflicht des Käufers. Er muß bei Aushändigung der Ware leisten, ohne diese zuvor untersuchen zu können (BGH, Urteil vom 19. September 1984 - VIII ZR 108/83 = NJW 1985, 550 unter I 2 b bb m.w.Nachw.). Wird aber durch Allgemeine Geschäftsbedingungen eine Vorleistungspflicht des Kunden begründet, so scheidet eine Anwendung von § 11 Nr. 2 a AGBG aus (BGHZ 100, 157, 161 m.Nachw.).

Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts, daß der Regelungsbereich des § 11 Nr. 2 b AGBG durch die Klausel nicht berührt wird. Bei einer - nach dem Vertragsformular allein vorgesehenen - einmaligen Lieferung, die gegen Nachnahme erfolgt, kommt ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB nicht in Betracht.

c) Ob die Klausel durch die Worte "bei Lieferung gegen Nachnahme" den Beklagten einen Änderungsvorbehalt im Sinne von § 10 Nr. 4 AGBG einräumt - was das Berufungsgericht verneint - oder ob die Klausel insofern anhand von § 9 AGBG zu überprüfen ist (vgl. insoweit Wolf in: Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 3. Aufl., § 10 Nr. 4 Rdnr. 7; H.Schmidt in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., § 10 Nr. 4 Rdnr. 4; BGHZ 98, 24, 29), bedarf hier keiner Entscheidung. Die Klausel ist jedenfalls wegen Verstoßes gegen § 11 Nr. 3 AGBG unwirksam, weil den Kunden die Möglichkeit genommen wird, mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen aufzurechnen.

aa) Die Vorschrift erfaßt auch solche Klauseln, in denen die Aufrechnung mit derartigen Forderungen zwar nicht ausdrücklich, aber der Sache nach ausgeschlossen ist (vgl. Wolf in: Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 3. Aufl., § 11 Nr. 3 Rdnr. 9; Coester-Waltjen in: Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, AGBG, § 11 Nr. 3 Rdnr. 14; Graf von Westphalen in: Großkomm. AGBG, 2. Aufl., § 11 Nr. 3 Rdnr. 8; Soergel/Stein, BGB, 12. Aufl., § 11 AGBG Rdnr. 25). Dies ist auch dann der Fall, wenn - wie hier - die "Lieferung gegen Nachnahme" vorgesehen ist (BGH, Urteil vom 19. September 1984 - VIII ZR 108/93 aaO; Ernsthaler/Achilles/Schmidt, GK-HGB, 5. Aufl., § 346 Rdnr. 42; Heidelberger Kommentar/Ruß, HGB, § 346 Rdnr. 15 "Nachnahme"; Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 29. Aufl., § 346 Rdnr. 5 "Nachnahme"; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl., § 346 Rdnr. 78; Heymann/Horn, HGB, § 346 Rdnr. 122). Mit der Nachnahme wird eine Auslieferung der Sendung dergestalt bezweckt, daß die ausliefernde Stelle gegen Aushändigung der Sendung das Inkasso des Rechnungsbetrages vornehmen soll. Ein Inkasso schließt schon begrifflich die Aufrechnung aus. Es ist auf den Einzug von Geldbeträgen gerichtet (BGH, Urteil vom 19. September 1984 aaO). Da den Beklagten durch die AGB-Klausel gestattet wird, ihrer Leistungspflicht ausschließlich durch eine Nachnahmelieferung nachzukommen, können die Kunden ihr etwaiges Aufrechnungsrecht auch nicht dadurch wahren, daß sie den Empfang der Nachnahmesendung ablehnen und die Lieferung in anderer Form verlangen.

bb) Hiervon geht zwar auch das Berufungsgericht aus. Die Begründung, mit der es die Klausel gleichwohl für wirksam hält, ist jedoch nicht tragfähig. Nach Ansicht der Vorinstanz findet § 11 Nr. 3 AGBG keine Anwendung, weil im konkreten Fall ein Teilzahlungsgeschäft vereinbart wurde, bei dem der Käufer trotz sofortigen Einzugs der ersten Kaufpreisrate bei der Auslieferung noch gegenüber den später fällig werdenden Raten mit gleichartigen gegenseitigen Ansprüchen aufrechnen könne. Dies ist schon deswegen nicht zutreffend, weil es, insbesondere in dem hier gegebenen Verbandsprozeß, nicht auf die Ausgestaltung der konkreten Einzelvereinbarung ankommt, sondern auf den von der Klausel erfaßten Vertragstyp abzustellen ist (vgl. Brandner in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., § 9 Rdnr. 78 f; Hensen ebda, § 13 Rdnr. 4; Wolf in: Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 3. Aufl., § 9 Rdnr. 51 f; jew.m.Rspr.-Nachw.). Das von den Beklagten verwendete Vertragsformular läßt auch die Vereinbarung des Kaufpreises ohne Ratenzahlung zu. Zudem läuft die Argumentation der Vorinstanz darauf hinaus, den Spezialtatbestand des § 11 Nr. 3 AGBG mittels einer Interessenabwägung einzuschränken, obwohl im Bereich dieser Vorschrift eine Wertungsmöglichkeit nicht eröffnet ist.

cc) Die Unwirksamkeitsfolge erfaßt auch die Regelung, daß der Kunde die Kosten der Nachnahme zu tragen hat. Die Klausel ist zwar inhaltlich dergestalt teilbar, daß beim Entfallen der Kostentragungspflicht die Befugnis der Beklagten zur Lieferung per Nachnahme bestehen bleiben könnte. Jedoch ist eine teilweise inhaltliche Aufrechterhaltung der Klausel im umgekehrten Sinne nicht möglich. Die Auferlegung der Nachnahmekosten stellt im Verhältnis zur Befugnis der Beklagten zur Lieferung per Nachnahme eine Rechtsfolgenregelung dar, die ins Leere geht, wenn die Voraussetzungen hierfür unwirksam sind. Da die Bestimmung über die Befugnis zur Lieferung per Nachnahme wegen Verstoßes gegen das AGB-Gesetz unwirksam ist, kann die Kostentragungspflicht als Folgeregelung somit nicht selbständig aufrecht erhalten werden (vgl. Senatsurteil vom 7. Oktober 1981 - VIII ZR 214/80 = NJW 1982, 178 unter II 2 a). Darüber hinaus fehlt es auch an der für die Teilbarkeit der Klausel weiter erforderlichen sprachlichen Trennbarkeit (Senatsurteil vom 25. März 1998 - VIII ZR 244/97 = ZIP 1998, 1003 unter II 1 a cc; vgl. auch BGHZ 93, 29, 37, 48).

III. 1. Die Klausel Nr. 2 ist nach Ansicht des Berufungsgerichts ebenfalls nicht zu beanstanden. Zwar enthalte diese bei kundenfeindlichster Auslegung eine Ausschlußfrist, so daß bei Versäumung der Anzeigefrist Mängelgewährleistungsrechte nicht mehr geltend gemacht werden könnten. Dies benachteilige die Kunden der Beklagten jedoch nicht unangemessen. Die Klausel ordne keine schriftliche Rüge an, vielmehr sei eine mündliche Mängelanzeige ausreichend. Hiermit sei die von der überwiegenden Meinung in der Literatur geforderte Mindestfrist gerade noch eingehalten.

2. Auch dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Klausel eine Ausschlußfrist für die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen nur hinsichtlich offensichtlicher Mängel enthält. § 11 Nr. 10 e AGBG, der sich nur mit nicht offensichtlichen Mängeln befaßt, ist also von vornherein nicht anwendbar. Aus dieser Vorschrift ergibt sich im Gegenschluß, daß in Verträgen über die Lieferung neu hergestellter Sachen und Leistungen Ausschlußfristen für die Anzeige offensichtlicher Mängel auch im Wege Allgemeiner Geschäftsbedingungen grundsätzlich wirksam vereinbart werden können.

b) Die erforderliche Dauer der Frist für die Anzeige offensichtlicher Mängel bemißt sich nach § 9 AGBG. Höchstrichterliche Rechtsprechung gibt es hierzu noch nicht. In der Literatur werden mit zahlreichen Modifikationen Mindestfristen von einer Woche (Palandt/Heinrichs, BGB, 57. Aufl., § 11 AGBG Rdnr. 66; Graf von Westphalen in: Großkommentar AGBG, 2. Aufl., § 11 Nr. 10 e Rdnr. 7; Schlosser, AGBG, § 11 Nr. 10 Rdnr. 76), zwei Wochen (Wolf in: Wolf/Horn/Lindacher aaO, § 11 Nr. 10 e Rdnr. 10; Hensen in: Ulmer/Brandner/Hensen aaO, § 11 Nr. 10 e Rdnr. 72) bis zu einem Monat (Erman/Hefermehl, BGB, 9. Aufl., § 11 Nr. 10 e AGBG Rdnr. 39) verlangt (vgl. auch OLG Zweibrücken NJW-RR 1998, 348 = EWiR 1997, 865 m.Anm. Graf von Westphalen).

Angesichts der zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten für Klauseln über Anzeigefristen für offensichtliche Mängel und der möglichen Unterschiede hinsichtlich des Gegenstandes und der Art und Weise der Lieferung sowie des angesprochenen Kundenkreises ist eine allgemeine Aussage über die angemessene Dauer vorformulierter Mängelanzeigefristen nicht möglich. Jedenfalls aber müssen derartige Klauseln, um der Inhaltskontrolle stand zu halten, den typischerweise angesprochenen Kunden einen ausreichenden Zeitraum für die Feststellung und Prüfung der Mängel sowie zur Überlegung belassen, ob und gegebenenfalls welche Gewährleistungsansprüche sie geltend machen wollen.

Anhaltspunkte für die erforderliche Dauer dieses Zeitraums lassen sich der gesetzlichen Regelung der Widerrufsfristen in § 1 b Abs. 1 AbzG, § 7 Abs. 1 VerbrKrG und § 1 HaustürWG entnehmen. Hier hatte der Gesetzgeber für die dort besonders geregelten Verträge eine einwöchige Überlegungsfrist für den - über den Vertragsinhalt informierten und über sein Widerrufsrecht belehrten - Kunden für erforderlich, aber auch ausreichend gehalten, innerhalb derer er sich darüber klar werden kann, ob er dem abgeschlossenen Vertrag durch Nichtausübung des Widerrufsrechts zur vollen Wirksamkeit verhelfen will. Die dort geregelte Situation ist dem durch eine formularmäßige Anzeigefrist für offensichtliche Mängel geschaffenen Sachverhalt - ungeachtet der Unterschiede hinsichtlich des angesprochenen Personenkreises und des Gegenstandes der Verträge - jedenfalls insoweit vergleichbar, als es auch hier darum geht, einem Kunden, dem der - offensichtliche - Mangel auch ohne Prüfung ohne weiteres auffallen muß, eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist zu verschaffen, innerhalb derer er sich darüber klar werden kann, ob er den gelieferten Gegenstand trotz des Mangels akzeptieren oder aber Gewährleistungsrechte geltend machen will.

Nach Ansicht des Senats ist daher in Verträgen über die Lieferung neu hergestellter Sachen oder Leistungen eine formularmäßig vereinbarte Anzeigepflicht für offensichtliche Mängel im Regelfall nur dann angemessen, wenn sie dem Kunden eine Prüfungs- und Überlegungsfrist von mindestens einer Woche verschafft. Die Wochenfrist reicht jedoch nicht aus, wenn durch Zusatzregelungen - etwa daß die Mängelanzeige schriftlich erfolgen und/oder innerhalb der Frist zugegangen sein muß - die dem Kunden tatsächlich zur Verfügung stehende Prüfungs- und Überlegungsfrist verkürzt wird; ist dies der Fall, muß die Anzeigefrist länger als eine Woche sein. Dies schließt nicht aus, daß aufgrund der durch Besonderheiten des Vertrages geprägten Interessenlage der Beteiligten - etwa bei der Lieferung verderblicher Waren - auch kürzere Anzeigefristen noch angemessen oder aber - etwa bei der Entgegennahme der Leistung im Ausland - auch längere Fristen erforderlich sein können. Die in jedem Fall erforderliche ausreichende Prüfungs- und Überlegungszeit für den Kunden setzt ferner voraus, daß der Lauf der Anzeigefrist erst beginnt, sobald der Kunde den - offensichtlichen - Mangel erkennen kann.

Hieran gemessen, hält die Klausel der Inhaltskontrolle nicht stand.

aa) Zwar enthalten die Kaufverträge über die Lieferung von Naturhaar-Textilien, innerhalb derer die hier zu beurteilende Klausel verwendet wird, keine Besonderheiten hinsichtlich des Kaufgegenstandes oder der Art der Lieferung, die zu einer Verkürzung oder Verlängerung der für den Regelfall noch angemessenen Wochenfrist führen müßten. Auch beginnt der Lauf der einwöchigen Anzeigefrist "nach Erhalt" der gelieferten Ware, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kunde in die Lage versetzt wird, offensichtliche Mängel wahrzunehmen.

Die einwöchige Anzeigefrist der Klausel kann sich daher entgegen der von der Revision - unter Hinweis auf das in NJW-RR 1998, 348 und EWiR 1997, 865 (mit Anm. Graf von Westphalen) veröffentlichte Urteil des Oberlandesgerichts Zweibrücken - vertretenen Ansicht nicht dadurch verkürzen, daß die bestellte Ware von einer anderen, nicht ermächtigten Person in Empfang genommen wird. Wenn nach dem Wortlaut der Klausel die Anzeigefrist ab "Erhalt" der Ware läuft, ist damit eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß die Beklagten ihre Lieferpflicht (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB) erfüllt haben müssen (vgl. Graf von Westphalen aaO). Das aber ist nicht der Fall, wenn die Ware an einen dazu nicht ermächtigten Dritten ausgehändigt wird (§ 362 Abs. 2 BGB). Der Revision ist einzuräumen, daß es sprachlich nicht völlig ausgeschlossen ist, die Klausel auch so zu verstehen, daß der Kunde die Ware auch bei Aushändigung an einen Nichtberechtigten schon "erhalten" hat. Diese Möglichkeit ist aber eher theoretisch und soweit entfernt von dem, was unter den gegebenen Verhältnissen vernünftigerweise gewollt sein kann, daß sie bei der Auslegung der Klausel außer Betracht bleiben muß (vgl. Graf von Westphalen aaO).

Schließlich geht die Vorinstanz zutreffend davon aus, daß eine schriftliche Geltendmachung der Mängel nicht vorgeschrieben ist, vielmehr deren mündliche, auch telefonische Anzeige genügt. Der Hinweis der Revision, der Kunde sei schon aus Beweisgründen zu einer schriftlichen Mängelanzeige genötigt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Für den Zugang der Mängelanzeige ist der Kunde in jedem Fall beweisbelastet, und Beweisschwierigkeiten sind weder bei (fern-)mündlichen noch bei schriftlichen Mängelanzeigen auszuschließen. Der von der Revision ebenfalls angesprochenen Möglichkeit des individuellen Rechtsmißbrauchs beim Bestreiten des Zugangs durch den Lieferanten ist im Einzelfall über § 242 BGB zu begegnen, und sie hat bei der nach überindividuellem, generalisierendem Maßstab zu erfolgenden Auslegung der Klausel außer Betracht zu bleiben.

bb) Der erforderliche Mindestprüfungs- und -überlegungszeitraum wird den Kunden jedoch nach der Formulierung der Klausel nicht in jedem Falle eingeräumt, weil die Mängel innerhalb einer Woche "vorzubringen" sind.

Was hierunter zu verstehen ist, hat die Vorinstanz nicht festgestellt. Die unterbliebene Auslegung kann vom Revisionsgericht nachgeholt werden, weil diese und ähnlich formulierte Klauseln, wie die Entscheidung des OLG Zweibrücken (aaO) zeigt, im Bereich mehrerer Oberlandesgerichtsbezirke verwendet werden (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 1979 - VIII ZR 232/78 = WM 1979, 805 = NJW 1979, 2199 unter II 1 a).

Die Formulierung, daß offensichtliche Mängel binnen Wochenfrist "vorzubringen" sind, ist nicht eindeutig. Sie läßt einerseits die Möglichkeit zu, daß die Abgabe der Erklärung durch den Kunden genügt. Ebenso möglich, wenn nicht sogar näherliegender ist jedoch auch die Deutung, daß die Mängelanzeige der Beklagten innerhalb der Wochenfrist zugehen muß. Diese Mehrdeutigkeit ist durch eine objektive, am Wortlaut und Regelungszusammenhang der Klausel sowie den Verständnismöglichkeiten der typischerweise angesprochenen Kunden orientierte Auslegung (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 24. September 1992 - VII ZR 36/92 = NJW 1993, 263 unter II 2 a) nicht zu beseitigen. Die somit verbleibenden Zweifel bei der Auslegung der Klausel gehen gemäß § 5 AGBG zu Lasten der Beklagten als Verwender. Dies führt jedenfalls in dem hier gegebenen Verbandsprozeß dazu, daß von der sogenannten kundenfeindlichsten Auslegung auszugehen ist (st.Rspr., z.B. BGHZ 95, 350, 353 und 362, 366).

Bei der Inhaltskontrolle der hier zu beurteilenden Klausel ist somit davon auszugehen, daß die Mängelanzeige den Beklagten binnen Wochenfrist zugegangen sein muß.

Dann aber steht den Kunden der Beklagten die mindestens erforderliche Prüfungs- und Überlegungsfrist von einer Woche nicht mehr in vollem Umfang zur Verfügung. Sie verkürzt sich um den Zeitraum zwischen Fristende und demjenigen Zeitpunkt, zu dem der Kunde die Mängelanzeige spätestens erklären oder absenden muß, um sicher zu sein, daß die Beklagten von ihr unter gewöhnlichen Verhältnissen noch vor Fristablauf Kenntnis erlangen können. Gibt der Kunde die Mängelrüge schriftlich ab, muß er die normalen Postlaufzeiten berücksichtigen. Die Frist steht ihm aber nicht einmal dann in vollem Umfang zur Verfügung, wenn die Mängelanzeige mündlich, telefonisch oder per Telefax erfolgt, denn sie vermindert sich dabei um den Zeitraum zwischen dem üblichen Büroschluß im Betrieb der Beklagten am letzten Tage der Frist und dem Ablauf dieses Tages (vgl. § 188 Abs. 2 1. Halbs. BGB). Unter Abwesenden abgegebene Willenserklärungen werden erst mit dem Zugang beim Empfänger wirksam (§ 130 Abs. 1 BGB). Zugegangen sind sie erst dann, wenn sie in einer Weise in den Machtbereich des Empfängers gelangen, daß dieser unter normalen Umständen von ihnen Kenntnis nehmen kann (BGHZ 67, 271, 275; BGH, Urteil vom 22. November 1997 - VIII ZR 22/97 = WM 1998, 459 = NJW 1998, 976 unter II 1 = EWiR 1998, 199 m.Anm. Medicus). Ist die Erklärung, wovon hier auszugehen ist, gegenüber Gewerbetreibenden mit büromäßig organisiertem Geschäftsbetrieb abzugeben und gelangt sie außerhalb der üblichen Geschäftszeiten in den Herrschaftsbereich des Empfängers, so ist sie regelmäßig nicht vor dem Wiederbeginn der Geschäftszeit des nächsten Arbeitstages zugegangen, denn erst von diesem Zeitpunkt an kann der Empfänger von ihr Kenntnis nehmen (BGH, Beschluß vom 10. Februar 1994 - IX ZR 7/93 = WM 1994, 903 m.w.Nachw.), sei es durch Abhören des Anrufbeantworters, Leerung des Briefkastens oder durch Durchsicht der Faxpost. Um die in der Klausel genannte Wochenfrist zu wahren, müßten daher die Kunden der Beklagten etwaige Mängelanzeigen so rechtzeitig abgeben oder absenden, daß sie noch vor Büroschluß des letzten Tages der Frist im Unternehmen der Beklagten eingehen. Damit aber können sie die mindestens erforderliche Prüfungs- und Überlegungsfrist von einer Woche nicht vollständig ausnutzen. Hierdurch werden ihre Interessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Das führt gemäß § 9 Abs. 1 AGBG zur Unwirksamkeit der Klausel.

Ende der Entscheidung

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