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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 26.05.1999
Aktenzeichen: VIII ZR 102/98
Rechtsgebiete: BGB, AGBG
Vorschriften:
BGB § 339 | |
AGBG § 9 Abs. 1 |
Zur Wirksamkeit von Vertragsstrafeversprechen zur Absicherung von Beschäftigungs- und Investitionszusagen in Unternehmenskaufverträgen der ehemaligen Treuhandanstalt.
BGH, Urteil vom 26. Mai 1999 - VIII ZR 102/98 - KG Berlin LG Berlin
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL
Verkündet am: 26. Mai 1999
Zöller, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. Mai 1999 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Hübsch, Dr. Beyer, Ball und Dr. Leimert
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 10. März 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit notariellem Kaufvertrag vom 16. Dezember 1991 erwarb der Beklagte von der D. W. - und A. mbH, B. , den einzigen Geschäftsanteil der P. W. GmbH, P. , zum Preis von 50.000 DM. Hinsichtlich der Fortführung der Werbeagentur enthielt der Vertrag unter anderem folgende Vereinbarungen:
"I. Kaufgegenstand
...
1.5 ... Verkäufer und Käufer gehen übereinstimmend davon aus, daß der Geschäftsbetrieb fortgeführt und erweitert wird und daß ein Personalbestand von elf Mitarbeitern längerfristig gesichert werden kann. Der Käufer beabsichtigt, bei Erweiterung des Geschäftsbetriebes zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Für den Ausbau und die Erweiterung des Geschäftsbetriebes verpflichtet sich der Käufer 1991 bis 1993 zu Investitionen in Höhe von mindestens 1,0 Mio M.
...
IV. Verkauf und Übertragung der verkauften Geschäftsanteile
...
5. Arbeitsverhältnisse
Der Käufer verpflichtet sich, die derzeit beschäftigten elf Mitarbeiter bis 31.10.1993 weiterzubeschäftigen.
Bei Nichteinhaltung dieser Verpflichtung zahlt der Käufer an den Verkäufer oder seinen Rechtsnachfolger für jeden Monat der Nichtbeschäftigung eines Mitarbeiters einen Schadensersatz von 2.000 DM. Diese Verpflichtung entfällt, sofern die Treuhandanstalt aus Kenntnis der wirtschaftlichen Situation auf die Zahlung verzichtet.
...".
Wegen teilweiser Nichteinhaltung dieser Arbeitsplatzzusage macht die Klägerin aus abgetretenem Recht im vorliegenden Verfahren insgesamt 126.000 DM sowie Verzugszinsen aus eigenem Recht geltend. Der Beklagte bestreitet, daß er die Nichtbeschäftigung der Mitarbeiter verschuldet habe; er trägt vor, die Arbeitsverhältnisse seien auf Wunsch der betroffenen Arbeitnehmer bzw. aus arbeitsrechtlich zulässigen Gründen beendet worden. Im übrigen habe der Bestand der Mitarbeiter wegen deren mangelnder Qualifikation und aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft nicht gehalten werden können. Unter den gegebenen Umständen habe er überdies nach Ziff. IV.5 des Kaufvertrages einen Anspruch darauf, daß die Klägerin auf die geforderte Zahlung verzichte.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe die Abtretung der streitgegenständlichen Forderung nicht nachgewiesen. Daraufhin hat die Klägerin eine am 14. April 1997 mit der Verkäuferin abgeschlossene schriftliche Abtretungsvereinbarung vorgelegt. Das Berufungsgericht hat diese Abtretung zwar als wirksam angesehen, die Klage jedoch aus anderen Gründen für unbegründet gehalten und deshalb die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Der Beklagte war in der Revisionsverhandlung nicht vertreten.
Entscheidungsgründe:
Über die Revision ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht die Entscheidung allerdings nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf der Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstandes (BGHZ 37, 79, 81).
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Vor der Abtretungsvereinbarung vom 14. April 1997 sei eine Abtretung der geltend gemachten Forderung nicht wirksam zustande gekommen. Die Klägerin habe nämlich nicht hinreichend dargetan, daß sie die Forderungsabtretung des Liquidators der Verkäuferin vom 20. Dezember 1994 angenommen habe. Einer solchen ausdrücklichen Annahme habe es aber schon wegen des in der Erklärung vom 20. Dezember 1994 enthaltenen Hinweises auf die Modalitäten der Annahme durch die Klägerin oder ihre Rechtsvorgängerin, darüber hinaus aber auch wegen der Bezeichnung als "Angebot auf Abtretung" bedurft. Ein Fall des § 151 BGB könne daher nicht angenommen werden. Erst mit der Vereinbarung vom 14. April 1997 sei die Abtretung wirksam erfolgt. Jedoch könne die Klägerin ihre Forderung nicht auf die Klausel in Ziff. IV.5 des Kaufvertrages stützen, weil diese - unabhängig davon, ob die Vorschriften des AGB-Gesetzes anwendbar seien oder nicht - unwirksam sei. Bei der in Ziff. IV.5 enthaltenen Verzichtsklausel handele es sich um einen Fall des § 317 BGB, wobei hier nicht die Leistung, sondern der Verzicht auf eine Leistung durch einen Dritten - die Treuhandanstalt - zu bestimmen sei. Eine derartige Vertragsabrede sei aber dann unwirksam, wenn sich aufgrund des Vertragstextes oder seiner Auslegung keine Kriterien dafür finden ließen, nach welchen Maßstäben der Dritte die "billige" Festlegung treffen solle. Die Vertragsparteien hätten lediglich angeordnet, daß die Verpflichtung entfalle, "sofern die Treuhandanstalt aus Kenntnis der wirtschaftlichen Situation auf die Zahlung verzichtet." Damit fehle es an jedem Hinweis, welche Gesichtspunkte von der zur Entscheidung berufenen Treuhandanstalt berücksichtigt werden sollten. Nicht nur die Treuhandanstalt als "Sachverständige", sondern auch das gegebenenfalls mit der Überprüfung der Entscheidung befaßte Gericht seien insoweit überfordert. Die Unwirksamkeit dieses Klauselteils erfasse das gesamte Vertragsstrafeversprechen, da beide Bestimmungen in unmittelbarem Bezug zueinander stünden und sich nicht sinnvoll trennen ließen. Dies gelte auch bei Anwendung der Vorschriften des AGB-Gesetzes.
Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe lasse sich auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gewinnen. Das sei allenfalls dann möglich, wenn die Vertragsstrafe erkennbar kaufpreisersetzende Funktion gehabt habe. Anhaltspunkte für eine solche Annahme seien aber weder dem Vertragsinhalt noch dem Vorbringen der Klägerin zu entnehmen.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in dem entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Den Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht die Wirksamkeit der Vertragsklausel Ziff. IV.5 verneint hat, kann nicht gefolgt werden.
a) Soweit das Berufungsgericht Absatz 2 Satz 1 der Klausel als Vertragsstrafeversprechen verstanden hat, ist dies allerdings nicht zu beanstanden (§§ 133, 157 BGB), und zwar selbst dann nicht, wenn es sich - was das Berufungsgericht offengelassen hat - um die einer vollen Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegende Auslegung einer über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingung handelt; auch die Revision erhebt hiergegen keine Einwände. Dagegen spricht nicht die von den Parteien gewählte Bezeichnung als "Schadensersatz". Eine Auslegung, die der Bestimmung die Bedeutung einer Schadensersatz- oder Kaufpreiserhöhungsklausel beimißt, wird dem Zweck der Regelung, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, nicht gerecht. Diese war darauf gerichtet, den Beklagten zur Einhaltung seiner Beschäftigungszusage anzuhalten; das ist der typische Sinn eines Vertragsstrafeversprechens im Sinne der §§ 339 ff BGB (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 1987 - KZR 7/86 = BGHR BGB § 339, Regelungszweck 1) und entspricht im übrigen auch der allgemeinen Praxis der damaligen Treuhandanstalt bei der Formulierung von Unternehmenskaufverträgen mit strafbewehrten Arbeitsplatz- oder Investitionszusagen des Käufers.
b) Gleichfalls unbedenklich und von der Revision unangegriffen ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, auf Absatz 2 Satz 2 der Klausel sei die Vorschrift des § 317 BGB zumindest sinngemäß anwendbar, wobei hier nicht die Leistung, sondern der Verzicht auf eine Leistung durch einen Dritten zu bestimmen sei. Ohnehin ist die Verzichtsklausel vom Revisionsgericht nur eingeschränkt nachprüfbar, weil es sich um eine Individualvereinbarung handelt. Es ist nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, daß diese Vertragsbedingung vorformuliert war. Daß die Klägerin (Treuhandanstalt/Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben) als ermächtigte Dritte nicht unparteiisch ist, ist schon deshalb unschädlich, weil es sich nicht um eine Schiedsgutachtenabrede im eigentlichen Sinn handelt. Überdies ist die gerichtliche Nachprüfung ihrer Ermessensentscheidung - abgesehen von dem gesetzlichen Prüfungsrahmen des § 319 Abs. 1 BGB - nicht eingeschränkt.
c) Unzutreffend ist aber die Auffassung des Berufungsgerichts, Ziff. IV.5 des Kaufvertrages sei insgesamt unwirksam, da sich aufgrund des Vertragstextes oder seiner Auslegung keine Kriterien dafür finden ließen, nach welchen Maßstäben der Dritte die "billige" Entscheidung treffen solle. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die Voraussetzungen für eine derartige Dritt-Ermessensklausel überspannt.
aa) Das Oberlandesgericht hat sich auf das Senatsurteil BGHZ 55, 248 gestützt. Diese Entscheidung gibt jedoch, wie die Revision zu Recht ausführt, für den vorliegenden Fall nichts her, weil jener Sachverhalt mit der hier zu beurteilenden Fallgestaltung nicht vergleichbar ist. Dort ging es um die Frage, ob ein Sachverständiger wirksam dazu ermächtigt werden kann, eine Bestimmung über die Dauer und die Bedingungen der Verlängerung eines Pachtvertrages zu treffen, wenn es an jeder Regelung darüber fehlt, nach welchen Gesichtspunkten der Sachverständige die ihm überlassene Bestimmung treffen soll. Das hat der Senat (aaO S. 250) verneint und entscheidend darauf abgestellt, daß die grundlegenden Voraussetzungen für eine (künftige) vertragliche Bindung nicht erfüllt gewesen seien und der Sachverständige deshalb keine tragfähige Grundlage für eine "billige" Bestimmung der weiteren Pachtdauer und des künftigen Pachtzinses habe.
bb) Hier liegen die Dinge anders. Zum einen besteht die Aufgabe der Treuhand nicht in der Gestaltung essentieller Vertragsbedingungen, sondern einer - wenn auch nicht unwichtigen - Nebenbestimmung, nämlich dem Verzicht auf eine an sich verwirkte Vertragsstrafe. Zum anderen enthält die Klausel entgegen der Meinung des Berufungsgerichts durchaus ein brauchbares Kriterium für die Ausübung des der Klägerin übertragenen Ermessens; denn die Verpflichtung zur Entrichtung der Vertragsstrafe wegen Nichteinhaltung der Beschäftigungszusage sollte (nur) entfallen, "sofern die Treuhandanstalt aus Kenntnis der wirtschaftlichen Situation auf die Zahlung verzichtet."
cc) Ob diese Regelung die wesentlichen Voraussetzungen für eine vertragliche Bindung erfüllt, unterliegt der unbeschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht, weil es sich nicht um eine reine Auslegungsfrage handelt (BGHZ 55, 248, 250 m.w.Nachw.). Diese Überprüfung führt zu dem Ergebnis, daß gegen die Wirksamkeit der Verzichtsklausel keine durchgreifenden Bedenken bestehen.
Dem Sachzusammenhang, der systematischen Stellung und dem erkennbaren Zweck der Regelung läßt sich ohne weiteres entnehmen, daß mit der "wirtschaftlichen Situation" nur diejenige des verkauften Unternehmens gemeint ist; jede andere Auslegung, insbesondere etwa im Sinne der allgemeinen wirtschaftlichen Lage der Bundesrepublik, scheidet nach den Umständen aus. Es liegt nahe, daß die Vertragsparteien einen Verzicht insbesondere etwa dann in Betracht ziehen wollten, wenn das Festhalten an der Vertragsstrafe dem Unternehmenskäufer die Mittel entziehen würde, die er zur Sanierung der Gesellschaft benötigen würde. Damit aber war der Treuhandanstalt als Dritter im Sinne des § 317 Abs. 1 BGB ein hinreichend konkreter, sachbezogener und nachvollziehbarer (§ 319 Abs. 1 Satz 1 BGB) Maßstab für ihre nach billigem Ermessen zu treffende Entscheidung über einen Verzicht auf die Vertragsstrafe an die Hand gegeben.
Ist nach alledem die Verzichtsklausel als solche wirksam, dann bedarf es keines Eingehens auf die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe bei seiner Wertung, die Unwirksamkeit dieser Klausel erfasse das gesamte Vertragsstrafeversprechen, die salvatorische Klausel in Ziff. IV.7 des Vertrages übergangen (§ 286 ZPO).
2. Auch im übrigen bestehen gegen die Wirksamkeit der Regelungen in Ziff. IV.5 des Kaufvertrages keine rechtlichen Bedenken.
a) Das Berufungsgericht hat offengelassen (vgl. oben zu 1a), ob die Vertragsstrafenklausel (Ziff. IV 5 Absatz 2 Satz 1) eine Allgemeine Geschäftsbedingung ist. Die Frage bedarf auch für das Revisionsverfahren keiner abschließenden Entscheidung. Selbst wenn man nämlich davon ausgehen wollte, die wirtschaftlich und rechtlich hinter der Verkäuferin stehende Treuhandanstalt habe diese Vertragsbestimmung gestellt im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AGBG und die Verkäuferin müsse sich dies zurechnen BGHZ 88, 368, 370; M.Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 3. Aufl., § 1 Rdnrn. 24-26), wäre die Regelung unbedenklich, weil sie keine unangemessene Benachteiligung des Beklagten enthält (§ 9 AGBG).
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes verstößt ein formularmäßiges Vertragsstrafeversprechen in einem Unternehmenskaufvertrag oder einem ähnlichen Vertrag der ehemaligen Treuhandanstalt jedenfalls dann nicht gegen § 9 Abs. 1 AGBG, wenn die Strafe ihrer Höhe nach in einem angemessenen Verhältnis zum Gewicht des Verstoßes und zu dessen Folgen für den Vertragspartner steht. Dieses Verhältnis bleibt insbesondere unter Berücksichtigung des von der Treuhandanstalt zu ihrer Aufgabenerfüllung verfolgten Zwecks gewahrt, wenn die Höhe der Strafe an den Umfang der geschuldeten Leistung, deren Erfüllung sie sichern soll, anknüpft und durch ihn nach oben begrenzt wird (BGH, Urteil vom 3. April 1998 - V ZR 6/97 = WM 1998, 1289 unter II 3 a und b). Soweit die Klausel als verschuldensunabhängige Vertragsstrafe anzusehen sein sollte, hat dies keine unangemessene Benachteiligung der anderen Seite zur Folge. Der Senat hat bereits früher verschuldensunabhängige Vertragsstrafenversprechen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen dann für zulässig erachtet, wenn gewichtige Umstände vorliegen, welche die Vertragsstrafenregelung trotz der Abweichung von dem Verschuldenserfordernis des § 339 BGB mit Recht und Billigkeit noch vereinbar erscheinen lassen, die verschuldensunabhängige Haftung des Vertragspartners also durch sachliche, die Unwirksamkeitsvermutung des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG ausräumende Gründe gerechtfertigt ist (Urteile vom 18. April 1984 - VIII ZR 50/83 = WM 1984, 931 unter II 4 c, und vom 24. April 1991 - VIII ZR 180/90 = WM 1991, 1384 unter III 4 c; ebenso BGHZ 72, 174, 178 f). Derartige gewichtige Umstände können bei den hier zu beurteilenden Fallgestaltungen nicht verneint werden, wenn man die öffentliche und gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Unternehmensprivatisierung der Treuhandanstalt, die notwendige Abschreckungswirkung der Vertragsstrafen sowie die - trotz der aus den §§ 282, 285 BGB herzuleitenden Beweislastumkehr - bestehenden Schwierigkeiten einer Klärung der Verschuldensfrage berücksichtigt. Die mit der Treuhandanstalt vereinbarten Beschäftigungs- und Investitionszusagen stellten regelmäßig Hauptleistungspflichten des Käufers dar, die neben die Zahlungspflicht traten und bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigt wurden, mithin im weiteren Sinne kaufpreisersetzende Funktion hatten. Für den hier zu entscheidenden Fall, dessen Vertragsgestaltung in mehrfacher Hinsicht - insbesondere bezüglich der Betriebsfortführungsklausel, der Beschäftigungszusage und des Vertragsstrafeversprechens (Ziff. I.1.5 und IV.5 des Kaufvertrages) - der Vertragspraxis der mittelbar beteiligten Klägerin entspricht, kann nichts anderes gelten. Es ist der erkennbare Sinn und Zweck derartiger Vereinbarungen, die von der Treuhandanstalt im Rahmen ihrer Unternehmensprivatisierung verfolgten sogenannten "weichen" Ziele volkswirtschaftlicher, sozial- und strukturpolitischer Art (vgl. dazu z.B. Wächter/Kaiser/Krause, WM 1992, 293 f) soweit wie möglich auch bei dem Weiterverkauf ehemaliger staatlicher Unternehmen sicherzustellen. Das rechtfertigt grundsätzlich auch die formularmäßige Vereinbarung einer verschuldensunabhängigen Vertragsstrafe.
bb) Angesichts der maßvollen, ersichtlich am Arbeitsentgelt orientierten Höhe des "Monatssatzes" (2.000 DM je nicht besetzten Arbeitsplatz) sowie des überschaubaren strafbewehrten Umfangs (11 Personen) und Zeitraums (22 Monate) der abgesicherten Verpflichtung überschreitet die Vertragsstrafenklausel auch im übrigen nicht die Grenzen des Zulässigen.
b) Würde es sich bei dem Vertragsstrafeversprechen dagegen, wie die Revision meint, um eine Individualvereinbarung handeln, dann bestünden gegen ihre Wirksamkeit erst recht keine Bedenken.
III. Der Senat kann die Sache nicht abschließend entscheiden, weil das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - bisher nicht geprüft hat, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Beklagte die geltend gemachte Vertragsstrafe verwirkt hat. In diesem Zusammenhang wird es zunächst darauf ankommen, ob das Vertragsstrafeversprechen verschuldensunabhängig ausgestaltet ist oder nicht, wobei sich der bei der Auslegung anzuwendende Maßstab danach richtet, ob es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung oder um eine Individualabrede handelt. Darüber hinaus wird zu prüfen sein, ob die Klägerin bei der Geltendmachung der Vertragsstrafe das ihr - mangels gegenteiliger Anhaltspunkte - zukommende billige Ermessen (§ 317 Abs. 1 BGB) ausgeübt hat oder ob das Absehen von der Verzichtsmöglichkeit im Einzelfall offenbar unbillig im Sinne des § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB ist. In der neuen Berufungsverhandlung werden die Parteien Gelegenheit haben, hierzu ergänzend vorzutragen.
Die Rüge der Revision, die Klägerin habe die Vertragsstrafenforderung nicht erst durch die Abtretungsvereinbarung vom 14. April 1997, sondern bereits aufgrund der Abtretungserklärung des Liquidators vom 20. Dezember 1994 erworben, wird nach der Festlegung der Höhe der Hauptforderung für die Entscheidung über den Zinsanspruch von Bedeutung sein; denn die Klägerin macht als Zessionarin auch für die Zeit vor dem 14. April 1997 einen eigenen Verzugsschaden geltend. Vorsorglich sei darauf hingewiesen, daß die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe die streitgegenständliche Forderung erst durch die Abtretungsvereinbarung vom 14. April 1997 erlangt, von Rechtsfehlern nicht beeinflußt ist. Angesichts der in der Abtretungserklärung vom 20. Dezember 1994 enthaltenen Formulierungen, auf die das Berufungsgericht zutreffend abgestellt hat, liegt es zumindest nahe, daß die Beteiligten übereinstimmend davon ausgegangen sind, der in dieser Erklärung des Liquidators der Verkäuferin liegende, ausdrücklich als Angebot bezeichnete Antrag bedürfe zum Zustandekommen der beabsichtigten Abtretung der ausdrücklichen Annahme durch die Klägerin. Das schließt zugleich eine Auslegung dahin aus, der Liquidator der Verkäuferin habe als Antragender auf die Annahme stillschweigend verzichtet mit der Folge, daß die Annahme auch konkludent - etwa durch Beauftragung eines Rechtsanwaltes mit der außergerichtlichen oder gerichtlichen Geltendmachung der Forderung oder durch Erhebung der Klage - hätte erklärt werden können (§ 151 Satz 1 BGB). Umstände, die das tatrichterliche Verständnis der Erklärungen der Zedentin und des Verhaltens der Klägerin als Zessionarin als rechtsfehlerhaft erscheinen lassen könnten, zeigt die Revision nicht auf.
Aus dem Umstand, daß die Vertragspartner in ihrer Vereinbarung vom 14. April 1997 die Rechtsfolgen der Abtretung auf den 20. Dezember 1994 zurückbezogen haben, läßt sich ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz eines ihr entstandenen Verzugsschadens nicht für die Zeit vor dem 14. April 1997 herleiten. Die Vertragspartner konnten ihrer Verfügung über die Vertragsstrafenforderung nicht die Wirkung beilegen, daß der Beklagte schon zu einem Zeitpunkt vor der Vornahme des Abtretungsgeschäfts der Klägerin gegenüber mit der Erfüllung seiner Zahlungspflicht in Verzug geraten ist.
Ende der Entscheidung
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