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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 21.04.1999
Aktenzeichen: VIII ZR 128/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138 Abs. 1 (Bb)
BGB § 398
BGB §§ 138 Abs. 1 (Bb), 398

Zur Unwirksamkeit der Globalzession künftiger Kundenforderungen an einen Warenlieferanten.

BGH, Urteil vom 21. April 1999 - VIII ZR 128/98 - Brandenburg. OLG


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 128/98

Verkündet am: 21. April 1999

Mayer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. April 1999 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Zülch, Dr. Hübsch, Ball und Wiechers

für Recht erkannt:

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 6. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 17. März 1998 aufgehoben und das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. Oktober 1996 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, der Auszahlung des bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts H. unter dem Aktenzeichen hinterlegten Betrages von 1.021.582,66 DM auf ein Sonderkonto des Konkursverwalters zuzustimmen.

Es wird festgestellt, daß der zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten am 3. August 1994 geschlossene Abtretungsvertrag unwirksam ist und die Beklagte aus diesem Vertrag keine Ansprüche auf Auszahlung des derzeit bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts H. unter dem Aktenzeichen hinterlegten Betrages von 1.021.582,66 DM herleiten kann.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der M. Handelsgesellschaft mbH, über welches am 2. Januar 1995 das Anschlußkonkursverfahren eröffnet worden ist. Die Beklagte, eine Molkerei, belieferte die Gemeinschuldnerin bis zur Konkurseröffnung mit Milch. Am 3. August 1994 schlossen die Gemeinschuldnerin und die Beklagte einen "Abtretungsvertrag", der unter anderem wie folgt lautet:

"1. B. Molkerei GmbH (Beklagte) ist einer der Milchlieferanten der M. Handelsgesellschaft mbH Ha. und steht seit dem 01.07.1993 in laufenden Geschäftsverbindungen, wobei von einer täglichen Lieferkapazität von rund 80 t Milch ausgegangen wird.

Die Milchlieferungen durch die B. Molkerei GmbH unterliegen entsprechend den Geschäftsbedingungen dem verlängerten Eigentumsvorbehalt.

2. In Übereinstimmung ihrer jeweiligen Buchhaltungs- und Lieferungsbelege stellen die Vertragsteile übereinstimmend fest, daß aus bisherigen Lieferungen bis zum heutigen Tag, dem 31.07.1994 für M. Handelsgesellschaft mbH eine Lieferverbindlichkeit dem Gläubiger gegenüber in Höhe von DM 2.910.087,31 (in Worten Zwei-neun-eins-null-null-acht-sieben Deutsche Mark) an offenen zur Zahlung fälligen Rückständen aufgelaufen ist.

3. Zur Abdeckung dieser festgestellten Verbindlichkeit, weiterhin zur Sicherung der aus vorzunehmenden Milchlieferungen künftig entstehenden zusätzlichen Verbindlichkeiten tritt hiermit die Schuldnerin Forderungen an:

...

b) L. & S. Warenhandel GmbH & Co KG

...

unwiderruflich ab.

4. Der Gläubiger und Zessionar nimmt diese Abtretung hiermit an."

Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 22. Oktober 1994 die Abtretung gegenüber der Firma L. & S. Warenhandel GmbH & Co. offengelegt hatte, hinterlegte diese, da sich weitere Forderungsprätendenten gemeldet hatten, einen Betrag von 1.021.582,66 DM bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts H. zugunsten der Gemeinschuldnerin, der Beklagten sowie weiterer Molkereien.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Zustimmung der Beklagten zur Auszahlung des hinterlegten Betrages auf ein von ihm eingerichtetes Sonderkonto sowie Feststellung der Sittenwidrigkeit des Abtretungsvertrages begehrt. Das Landgericht hat der Klage auf Zustimmung zur Auszahlung in Höhe eines Betrages von 991.523,25 DM stattgegeben und im übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage, soweit sie auf Feststellung der Sittenwidrigkeit des Abtretungsvertrages gerichtet war, als unzulässig, im übrigen als unbegründet abgewiesen. Auf die Widerklage der Beklagten hat es den Kläger ferner zur Auskunft über die abgetretenen Forderungen unter Vorlage der Rechnungen verurteilt; die Anschlußberufung des Klägers, mit welcher dieser die Zustimmung der Beklagten zur Auszahlung auch hinsichtlich eines Betrages von 30.059,41 DM begehrt hatte, hat das Berufungsgericht zurückgewiesen.

Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine bisherigen Anträge weiter, wobei er nunmehr die Feststellung der Unwirksamkeit des am 3. August 1994 geschlossenen Abtretungsvertrages begehrt.

Entscheidungsgründe:

I. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt: Für die Feststellungsklage fehle es, da die "Sittenwidrigkeit" des Abtretungsvertrages als bloße gesetzliche Voraussetzung der möglichen Rechtsfolgen des § 138 BGB die Rechtsstellung des Klägers nicht berühre, an dem erforderlichen allgemeinen Rechtsschutzinteresse. Soweit die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit/Nichtigkeit des Abtretungsvertrages gerichtet sei, sei sie unbegründet, weil der Abtretungsvertrag keine Vorkehrungen gegen eine mögliche Übersicherung der Beklagten habe enthalten müssen. Dem Kläger stehe auch kein Anspruch auf Abgabe der beantragten Freigabeerklärung zu, da der Abtretungsvertrag wirksam zustande gekommen sei und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch die künftig entstehenden Forderungen der Gemeinschuldnerin gegen die Firma L. & S. umfaßt habe; die Voraussetzungen für eine Konkursanfechtung seien nicht dargetan.

Die als sachdienlich zugelassene Widerklage der Beklagten sei hingegen begründet, da zwischen den Parteien als rechtliche Sonderverbindung der auch den Kläger verpflichtende Abtretungsvertrag bestehe und die Beklagte sich über den Umfang der dem Kläger aus diesem Vertrag in der genannten Zeit zugeflossenen Forderungen im Ungewissen befinde, ohne daß sie dies zu verantworten habe.

II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann der Kläger von der Beklagten die beantragte Freigabeerklärung hinsichtlich des beim Amtsgericht H. hinterlegten Betrages von 1.021.582,66 DM verlangen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht beim Streit darüber, welcher von zwei Prätendenten von der Hinterlegungsstelle die Auszahlung des hinterlegten Betrages verlangen kann, dem wirklichen Inhaber gegen den anderen Prätendenten ein Anspruch auf Einwilligung in die Auszahlung gemäß § 812 BGB zu (BGHZ 35, 165, 170; 109, 240, 244; Senat, Urteil vom 13. November 1996 - VIII ZR 210/95, WM 1997, 513 unter II 1). Da der Kläger nach den für das am 2. Januar 1995 eröffnete Konkursverfahren weiterhin anzuwendenden Vorschriften der Konkursordnung (Art. 103 EGInsO) berechtigt ist, das gesamte zur Konkursmasse gehörende Vermögen in Besitz und Verwaltung zu nehmen sowie zu verwerten (§ 117 Abs. 1 KO), ist die Beklagte dem Kläger gegenüber zur Freigabe des hinterlegten Betrages verpflichtet, wenn dieser Betrag zur Konkursmasse gehört.

b) Hiervon ist nach dem Sach- und Streitstand auszugehen.

aa) Dabei kann offenbleiben, ob, wie der Kläger vorgetragen hat, andere Milchlieferanten aufgrund langjähriger Geschäftsbeziehung mit der Gemeinschuldnerin bereits vor Abschluß des Abtretungsvertrages vom 3. August 1994 jeweils verlängerte und erweiterte Eigentumsvorbehalte mit der Gemeinschuldnerin vereinbart hatten, so daß die Vorausabtretungen zugunsten dieser Lieferanten nach dem Prioritätsgrundsatz (BGHZ 30, 149, 151; 32, 361, 363) der mit der Beklagten vereinbarten Abtretung vorgehen würden.

bb) Entgegen der Annahme der Vorinstanzen ist der Abtretungsvertrag vom 3. August 1994, aus dem die Beklagte ihre Forderungsinhaberschaft herleitet, gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig, weil er die Gemeinschuldnerin zum Vertragsbruch verleitete.

Nach feststehender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine zur Kreditsicherung vereinbarte Globalzession in der Regel sittenwidrig und damit nichtig, wenn sie nach dem Willen der Vertragspartner auch solche Forderungen umfassen soll, die der Schuldner seinen Lieferanten aufgrund verlängerten Eigentumsvorbehalts künftig abtreten muß und abtritt (BGHZ 55, 34, 35; 72, 308, 310; 98, 303, 315; BGH, Urteile vom 18. April 1991 - IX ZR 149/90, WM 1991, 1273 unter IV 1 a; vom 8. Dezember 1998 - XI ZR 302/97, WM 1999, 126 unter II 2 a). Ausnahmen gelten nur, wenn entweder der Abtretungsempfänger nach den Umständen des Einzelfalles - insbesondere wegen Unüblichkeit des verlängerten Eigentumsvorbehalts in der betreffenden Wirtschaftsbranche - eine Kollision der Sicherungsrechte für ausgeschlossen halten darf oder wenn der verlängerte Eigentumsvorbehalt nach dem Willen der Vertragspartner von Anfang an Vorrang behalten soll. Dieser Vorrang muß aber im Verhältnis zwischen dem Vorbehaltslieferanten und dem Sicherungsnehmer in jedem Fall und mit dinglicher Wirkung bestehen, um die Durchsetzung der Rechte des Vorbehaltsverkäufers nicht unangemessen zu erschweren. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob der Empfänger der Globalabtretung eine Bank oder selbst ein Warenlieferant ist (BGH, Urteil vom 7. März 1974 - VII ZR 148/73, WM 1974, 368 unter I 2 b aa; Urteil vom 9. März 1977 - VIII ZR 178/75, WM 1977, 480 unter II 1; Urteil vom 16. März 1995 - IX ZR 72/94, WM 1995, 995 unter II 1 b aa). Die aus der Sittenwidrigkeit folgende Nichtigkeit wirkt für und gegen jedermann (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1998 aaO unter II 2 c; kritisch Medicus, EWiR 1999, 299).

cc) Diesen Grundsätzen trägt der Abtretungsvertrag vom 3. August 1994 nicht Rechnung. Nach der rechtsfehlerfreien Auslegung durch das Berufungsgericht umfaßte die Abtretung sowohl die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses offenen und fälligen wie auch die zukünftigen Forderungen der Gemeinschuldnerin gegen die Firma L. & S. Warenhandel GmbH & Co KG. Die Abtretung erstreckte sich damit auf Forderungen, die dem verlängerten Eigentumsvorbehalt anderer Lieferanten unterfielen, die ebenso wie die Beklagte die Gemeinschuldnerin mit Milch beliefert hatten und beliefern würden. Ein solcher Eigentumsvorbehalt ist auch branchenüblich, wie sich aus den Lieferbedingungen dieser Lieferanten wie der Beklagten selbst (siehe Abtretungsvertrag vom 3. August 1994 unter 1. Abs. 2) ergibt. Für einen - zudem dinglich wirkenden - Vorrang des verlängerten Eigentumsvorbehalts anderer Lieferanten enthält der Abtretungsvertrag vom 3. August 1994 keinen Anhalt. Dem entspricht es auch, daß die Beklagte die Freigabe des hinterlegten Betrags mit dem Ziel einer vorrangigen Befriedigung der anderen Lieferanten, die sich auf ihren Eigentumsvorbehalt berufen hatten, abgelehnt und unter Hinweis auf den Abtretungsvertrag vom 3. August 1994 den hinterlegten Betrag für sich beansprucht hat. Bei dem Abtretungsvertrag, mit dem die Gemeinschuldnerin ihre Ansprüche gegen sieben Abnehmer auf die Beklagte übertragen hat, handelt es sich auch dann um eine Globalabtretung, wenn damit nicht sämtliche Kunden erfaßt sein sollten (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1998 aaO unter II 2 b aa).

dd) Ist danach die Globalabtretung vom 3. August 1994 nichtig, bedarf es keines Eingehens darauf mehr, ob die vom Kläger erklärte Konkursanfechtung gemäß § 31 Nr. 1 KO durchgreift.

c) Daß sich der verlängerte Eigentumsvorbehalt, der der Beklagten aufgrund der am 1. Juli 1993 begründeten Geschäftsbeziehung mit der Gemeinschuldnerin für die Ansprüche wegen ihrer, der Beklagten, Milchlieferungen zusteht, auf den hinterlegten Geldbetrag bezieht, weil dieser gerade die Gegenleistung für an die Firma L. und S. Warenhandel GmbH weitergeleitete Lieferungen der Beklagten darstellt, ist nicht festgestellt; insoweit zeigt die Revisionserwiderung übergangenen Sachvortrag der Beklagten auch nicht auf. Daher kann die Beklagte insoweit auch nicht abgesonderte Befriedigung verlangen (BGHZ 72, 308, 312; BGH, Urteil vom 17. April 1986 - IX ZR 54/85, NJW-RR 1986, 848 unter I 2 b, jew. m.w.Nachw.).

2. Da der Abtretungsvertrag vom 3. August 1994 gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist, war weiter der vom Kläger erhobenen Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO stattzugeben, mit welcher nach der unangegriffenen Auslegung des Berufungsgerichts auch die Unwirksamkeit des Abtretungsvertrages festgestellt werden soll. Soweit der Kläger nicht mehr die Feststellung der Sittenwidrigkeit des Vertrages vom 3. August 1994 begehrt, handelt es sich um eine zulässige Beschränkung des früheren Antrags, mit der eine Änderung der tatsächlichen Grundlage des Klagevorbringens nicht verbunden ist (BGH, Urteile vom 28. September 1989 - IX ZR 180/88 und vom 28. Februar 1991 - I ZR 94/89, BGHR § 561 Abs. 1 Antragsänderung 1 und 2).

3. Die Widerklage der Beklagten, mit welcher diese Auskunft über die von der Gemeinschuldnerin gegen die Firma L. & S. Warenhandel GmbH und Co KG seit Abschluß des Abtretungsvertrages bis zur Konkurseröffnung erworbenen Forderungen begehrt, kann hingegen keinen Erfolg haben. Aufgrund der Unwirksamkeit des Abtretungsvertrages vom 3. August 1994 fehlt die Grundlage für dieses Auskunftsbegehren, ohne daß es auf die insoweit weiter erhobenen Revisionsrügen ankommt.

III. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), war unter Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils den Anträgen des Klägers in vollem Umfang stattzugeben.

Ende der Entscheidung

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